| # taz.de -- Hillary Clinton und die US-Amerikaner: Eine Frau verfolgt sich selb… | |
| > Im Präsidentschaftswahlkampf in den USA agiert Donald Trump immer wirrer. | |
| > Trotzdem fällt es Hillary Clinton schwer, ihn zu schlagen. Warum? | |
| Bild: Hillary Clinton ist vielen US-Amerikanern suspekt. Doch Trump mögen sie … | |
| E-Mails verfolgen sie. Am Vorabend der vorletzten Präsidentendebatte hat | |
| Wikileaks erneut für die Enthüllung von Informationen gesorgt, die Hillary | |
| Clinton unter Verschluss halten wollte. | |
| [1][Dieses Mal sind es Details] aus Reden, die sie vor Investmentbankern | |
| gehalten hat, für die sie mit 225.000 Dollar die Stunde honoriert wurde und | |
| in denen sie Dinge gesagt hat, die ihren Wählern nicht gefallen würden. | |
| Doch vor den mehr als 60 Millionen Zuschauern der Debatte will Hillary | |
| Clinton sich wieder nicht zu ihren Wall-Street-Reden äußern. Stattdessen | |
| stürzt sie sich auf Russland, wo sie die Verantwortlichen für das Hacking | |
| vermutet: „Nie in der Geschichte hat ein Gegner, eine ausländische Macht, | |
| so hart gearbeitet, um das Ergebnis unserer Wahlen zu beeinflussen.“ | |
| Was die Kandidatin als Frage von internationaler Spionage und nationaler | |
| Sicherheit behandeln möchte, ist für viele ihrer Landsleute ein weiteres | |
| Mosaikstück im Charakterbild ihrer wahrscheinlich künftigen Präsidentin. | |
| Die meisten haben in den fast zwei Jahren dieses Wahlkampfs mehr politische | |
| Diskussionen gehört, als ihnen lieb ist. Im Endspurt dieser Konfrontation | |
| geht es ihnen vor allem um die Persönlichkeit der beiden verbleibenden | |
| Kandidaten. | |
| Was sie sehen, ist die Alternative zwischen einem Mann, der ein sexuelles | |
| Raubtier und Bully – ein Schulhofschläger und Raufbold – ist, und einer | |
| hoch qualifizierten Frau, der sie misstrauen. | |
| ## Niemand hat mehr Erfahrung | |
| Hillary Clinton war Unternehmensanwältin, war First Lady in Arkansas und im | |
| Weißen Haus, war Senatorin, war Außenministerin. Niemand im Rennen hat mehr | |
| Erfahrung. Niemand kennt die Gesetze und ihre Genese besser. Und niemand | |
| hat so gute Kontakte zu den Chefs und Entscheidern in Washington und im | |
| Rest der Welt. Diese Dinge sind selbst bei hartgesottenen Trump-Anhängern | |
| unumstritten. Die Frage ist bloß, ob sie darin Qualitäten erkennen oder | |
| Nachteile, weil sie das „Establishment“ stürzen wollen, zu dem Hillary | |
| Clinton gehört. | |
| Auch darüber, was Hillary Clinton in ihren fast vier Jahrzehnten im | |
| öffentlichen Leben nicht hingekriegt hat, sind sich Freunde und Gegner | |
| einig. Sie ist weder „cool“ noch beliebt. Es ist ihr nicht gelungen, die | |
| Herzen der US-Amerikaner zu erobern. Die halten sie zwar für kompetent. | |
| Aber sie finden sie steif, distant und – was am schwersten wiegt – nicht | |
| ehrlich. | |
| Freunde und Mitarbeiter von Hillary Clinton schwärmen von einer | |
| warmherzigen, einfühlsamen und humorvollen Person. Doch in der | |
| Öffentlichkeit lässt sie nichts davon durchscheinen. Da hält sie sich an | |
| Redevorlagen, die klingen, als wären sie so lange durch Filter von | |
| Fokusgruppen und professionellen Beratern gepresst worden, bis nichts | |
| Spontanes mehr bleibt. Nur in Ausnahmefällen erzeugt sie Gefühlsausbrüche | |
| bei ihrem Publikum. | |
| ## Tränen fließen – das ist selten bei ihr | |
| Einmal geschieht das in Nevada. Da erzählt die zehnjährige Karla Ortiz von | |
| ihrer Angst, dass ihre Eltern abgeschoben werden. Als sie zu schluchzen | |
| beginnt, holt Hillary Clinton das Mädchen zu sich, umarmt es, nimmt es auf | |
| den Schoß und verspricht ihr, dass sie sich für die Eltern einsetzen wird. | |
| „Ich werde alles dafür tun, dass du dir keine Sorgen machen musst“, sagt | |
| sie. Im Raum fließen Tränen. | |
| Bei den meisten Auftritten von Hillary Clinton sind andere für das | |
| Emotionale zuständig. Die Mütter von Afroamerikanern, die von der Polizei | |
| getötet worden sind. Oder First Lady Michelle Obama, die Sympathieträgerin, | |
| die erklärt, dass Hillary Clinton ein Rollenvorbild ist. | |
| Hillary Clinton hat ein politisch schwieriges Image in den USA. Schon in | |
| den 90er-Jahren im Weißen Haus erreichte sie Unbeliebtheitsrekorde. Damals | |
| empörten sich die einen darüber, dass ihre First Lady in der Politik | |
| mitmischte, anstatt das Land mit Schönheit und gutem Essen zu | |
| repräsentieren, die anderen, dass sie mit der Gesundheitsreform scheiterte. | |
| Den einen war sie zu fortschrittlich, den anderen nicht links genug. Sie | |
| polarisierte ihre Landsleute in einer Art, wie ihr Mann es nie tat. | |
| ## „Hillary Hating“ wurde Volkssport | |
| Ihr galten die aggressivsten Karikaturen, und das „Hillary Hating“ wurde | |
| Volkssport. Ihr einziger Höhenflug in jenen Jahren war die Folge einer | |
| Erniedrigung. Es war der Moment, in dem herauskam, dass ihr Mann ein | |
| Verhältnis mit einer Praktikantin im Weißen Haus gehabt hatte. Als sie sich | |
| entschied, bei ihm zu bleiben, stieg sie vorübergehend in der nationalen | |
| Beliebtheit auf. | |
| Auf dem Höhepunkt jener Kurve ließ Hillary Clinton sich im Jahr 2000 als | |
| Senatorin für den Bundesstaat New York in den Kongress wählen. Doch als sie | |
| 2008 zu ihrem nächsten Karriereschritt ansetzte und versuchte, als | |
| Präsidentin ins Weiße Haus zurückzukehren, holte ihr altes Manko sie wieder | |
| ein. | |
| Schon damals war sie die qualifiziertere und erfahrenere Kandidatin der | |
| Demokraten, aber gegen dem jungen Barack Obama mit dem gewinnenden Lächeln | |
| und der umwerfenden Lockerheit, der zudem nicht wie sie für den Irakkrieg | |
| gestimmt hatte, war sie chancenlos. Bei einer Fernsehdebatte reagierte | |
| Hillary Clinton auf den Hinweis eines Moderators, ihr fehle die | |
| „Likeability“, mit einem scheu wirkenden Augenaufschlag und sagte: „Das | |
| verletzt meine Gefühle.“ Barack Obama, der neben ihr stand, kritzelte auf | |
| ein Blatt Papier, blickte kurz auf und sagte wie nebenbei: „Du bist | |
| sympathisch genug, Hillary.“ | |
| ## Trump ist noch unbeliebter | |
| Die Szene war hart. Aber im Vergleich zu der Stimmung des Jahres 2016 wirkt | |
| sie geradezu idyllisch. Hillary Clinton ist immer noch nicht beliebt, aber | |
| sie hat es jetzt mit einem Gegenspieler zu tun, der noch unbeliebter ist | |
| als sie. | |
| Seit nur noch die beiden unsympathischen Kandidaten im Endspurt sind, | |
| spielt dieses Thema eine untergeordnete Rolle. Die Vertrauenswürdigkeit ist | |
| in den Vordergrund gerückt, die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit. | |
| Das ist ein Bereich, in dem Hillary Clinton Ballast angesammelt hat, seit | |
| sie zum ersten Mal im Weißen Haus war. | |
| Damals ging es um den – beinahe täglich in den Medien berichteten, aber nie | |
| gerichtlich bestätigten – Verdacht, dass sie und ihr Mann in Arkansas von | |
| Insidergeschäften und Vetternwirtschaft profitiert hätten. In Hillary | |
| Clintons Jahren als Außenministerin kam mehr dazu. Selbst im laufenden | |
| Wahlkampf hat sie den Haufen weiter wachsen lassen und Donald Trump | |
| Munition geliefert. Er nennt sie „crooked Hillary“ – betrügerische Hilla… | |
| Und lässt seine Anhänger bei Meetings minutenlang „Sperrt sie ein!“ | |
| skandieren. | |
| ## Zu feministisch, zu mächtig… | |
| Hillary Clinton ist in ihrer Karriere vielfach mit Vorurteilen gegen Frauen | |
| konfrontiert gewesen. In Arkansas war sie den Südstaatlern zu feministisch | |
| und hippiemäßig – bis sie anlässlich einer Kandidatur ihres Mannes ihr Haar | |
| aufhellte, ihre Brille durch Kontaktlinsen ersetzte und in der | |
| Designerkleidung auftauchte, die sie seither trägt. | |
| Im Weißen Haus war sie vielen zu mächtig – bis sie sich einem Berater ihres | |
| Mannes fügte, der zur Verbesserung der politischen Zusammenarbeit mit den | |
| Republikanern im Kongress vorschlug, dass Hillary Clinton im Hintergrund | |
| verschwand. Das hat Narben hinterlassen. | |
| In diesem Wahlkampf wird sie durch eine andere Lupe betrachtet als Donald | |
| Trump. Bei ihr hören manche Kommentatoren eine „harte“ oder „schrille“ | |
| Stimme und bemerken, dass sie so streng blickt. Und wenn er von ihrer | |
| angeblichen „Schwäche“ und „fehlenden Ausdauer“ spricht, bedeutet das … | |
| allem, dass für ihn der Präsident ein Mann ist. | |
| Doch mit den Zweifeln an ihrer Glaubwürdigkeit kann Hillary Clinton sich | |
| weder hinter Donald Trump noch hinter dem Sexismus im Land verstecken. Das | |
| brockt sie sich selbst ein. | |
| ## Selten gib sie Fehler zu | |
| Sie bringt sich immer wieder in Situationen, die das Potenzial zu Skandalen | |
| haben. Wenn sie deswegen kritisiert wird, reagiert sie zunächst überhaupt | |
| nicht oder ausweichend. Dann ist sie empört darüber, dass es jemand wagt, | |
| ihr Fehlverhalten vorzuwerfen. Selten gibt sie einen Fehler zu und legt | |
| ihre Karten auf den Tisch, um größeren Schaden abzuwenden. | |
| Bei dem neuen Ballast, den Hillary Clinton in den Jahren seit ihrer letzten | |
| Präsidentschaftskandidatur angesammelt hat, geht es um so unterschiedliche | |
| Dinge wie den E-Mail-Server, den sie an ihrem privaten Wohnsitz | |
| eingerichtet hat, um ihre Kommunikation als Außenministerin abzuwickeln. Es | |
| sind die hochdotierten Reden, die sie für Wall-Street-Banker, andere | |
| Unternehmen und Privatuniversitäten gehalten hat, während sie sich auf | |
| ihren neuen Präsidentschaftswahlkampf als „Progressive, die Dinge erledigt“ | |
| vorbereitete. Und die beschönigenden Auskünfte über ihre Gesundheit. Immer | |
| wiederholt sich ein Motiv, das in der Öffentlichkeit im besten Fall wie das | |
| Zurückhalten von Informationen ankommt, im schlechtesten jedoch wie Lügen. | |
| Der Chef des FBI, James Comey, hat Hillary Clinton bei einem Hearing im | |
| Kongress im Sommer bescheinigt, dass sie „nicht die Wahrheit“ gesagt habe, | |
| als sie erklärte, über ihren privaten Server sei kein Geheimmaterial | |
| gegangen. Der Kongress hatte Comey vorgeladen, nachdem das FBI Tausende von | |
| E-Mails geprüft hatte, die während Hillary Clintons Jahren als | |
| Außenministerin über den privaten Server gegangen waren. Dabei kam das FBI | |
| zu dem Ergebnis, dass die Außenministerin „extrem leichtsinnig“ mit | |
| Geheimmaterial umgegangen sei. Aber von einer Anklage sah es ab. | |
| ## Clintons E-Mail-Affäre | |
| Der private E-Mail-Server war die Ausnahme, bei der Hillary Clinton zugab, | |
| dass seine Einrichtung ein Fehler war. Aber sie wartete monatelang bis sie | |
| dieses Eingeständnis bei einer Pressekonferenz auf der | |
| UN-Weltfrauenkonferenz machte. Und sie vermittelte den Eindruck, es handele | |
| sich um Lappalien. Es war das letzte Hindernis, das sie vor dem offiziellen | |
| Beginn ihrer Präsidentschaftskampagne aus dem Weg räumen wollte. | |
| Doch es war schon zu spät. Die Republikaner im Kongress hatten sich längst | |
| auf die „E-Mail-Affäre“ gestürzt und sich auf die ehemalige Außenministe… | |
| eingeschossen, von der sie wussten, dass sie eine gefährliche Gegnerin für | |
| jeden republikanischen Präsidentschaftskandidaten werden würde. Im | |
| Hintergrund hatten Hillary Clintons Anwälte 30.000 E-Mails, die sie als | |
| „privat“ einstuften, von dem privaten Server gelöscht. Nur die restlichen | |
| E-Mails gaben sie an das Außenministerium zurück, wo ebenfalls eine | |
| Untersuchung lief, und von wo die E-Mails an den Untersuchungsausschuss des | |
| Kongress gingen. | |
| „Die E-Mails haben ihr politisch enorm geschadet“, sagt Paul Begala, der in | |
| den 90er Jahren Bill Clinton beraten hat und heute in der Lobbygruppe | |
| „Priorities USA“ für Hillary Clinton arbeitet. Als wären die parallelen | |
| Untersuchungen im FBI, im Außenministerium und im Kongress noch nicht | |
| genug, hielt die Kandidatin stur an ihrer Version fest. Wenige Tage nach | |
| Comeys Auftritt im Kongress interpretierte Hillary Clinton in einem | |
| Interview die Auskunft des FBI-Direktors in ihrem Sinne um. „Er hat | |
| bestätigt, dass ich die Wahrheit gesagt habe“, erklärte sie einem | |
| Journalisten, der ihr kopfschüttelnd gegenüber saß. | |
| ## Wall Street umgarnen oder kontrollieren? | |
| Auch die anderen E-Mails, die am Vorabend der Debatte geleakt wurden, | |
| schwächen Hillary Clinton politisch. Danach hat sie fünf Jahre nach der | |
| Rezession, die von der Wall Street kam und Millionen Menschen ins Elend | |
| gestürzt hat, vor der Investmentbank Goldman Sachs erklärt, Selbstkontrolle | |
| könne Crashs vermeiden, denn „die Leute, die im Finanzsektor arbeiten, | |
| kennen die Branche besser als jeder andere“. Sie sagte, Präsident Obama | |
| habe die Gesetze zur Kontrolle der Wall Street eingeführt, um die | |
| Öffentlichkeit zu beruhigen. Vor einer anderen Bank verriet sie, 2013 war | |
| das, dass sie von einem „hemisphärischen Freihandel mit offenen Grenzen“ | |
| träume. | |
| Solche Worte vor zahlendem Publikum aus Spitzenverdienern passen nicht zu | |
| dem, was Hillary Clinton wenige Monate später vor Wählern sagen sollte, | |
| deren Stimme sie haben will. Da ist sie eine Verteidigerin der Interessen | |
| der verarmten Mittelschicht und konkurriert mit dem demokratischen | |
| Sozialisten Bernie Sanders darum, wer die Wall Street stärker kontrollieren | |
| würde. | |
| Die bezahlten Reden waren das Kernstück von Hillary Clintons | |
| Geschäftsmodell in der Zeit von ihrem Ausscheiden aus dem Außenministerium | |
| und bis zum Beginn ihres Präsidentschaftswahlkampfs. In jenen 26 Monaten | |
| nach dem Januar 2013 verdiente sie damit 21,6 Millionen Dollar. „Das | |
| verschafft den Zugang zu der möglichen künftigen Präsidentin“, erklärt | |
| Frederick Cannon, der Vizevorstandsvorsitzende der Investmentbank Keefe, | |
| Bruyette & Woods, dass Wall-Street-Unternehmen so viel für | |
| Erfahrungsberichte einer Exaußenministerin zahlen. | |
| ## Politisch unkluge Reden vor der Wall Street | |
| Als ihre linken Kritiker im Vorwahlkampf die Herausgabe der Redetexte vor | |
| Wall-Street-Bankern verlangen, lehnt Hillary Clinton ab. Bernie Sanders, | |
| der ihre Wall-Street-Auftritte zu einem Debattenthema macht, wirft sie | |
| empört eine „kunstvolle Schmierenkampagne“ vor. | |
| Auch ihre Anhänger rätseln darüber, warum sie die Redeaufträge von den | |
| Bankern so kurz vor Beginn ihres linkspopulistischen Wahlkampfs angenommen | |
| hat. „Das war politisch dumm“, sagt der Washingtoner Berater Mike Lux, der | |
| im ersten Präsidentschaftswahlkampf von Bill Clinton dabei war und später | |
| im Weißen Haus gearbeitet hat. | |
| Hillary Clinton sitzt ihre Kritiker aus. Als Wikileaks ihre Reden | |
| veröffentlicht, ist auf demokratischer Seite niemand mehr übrig, der ein | |
| Interesse an einer inhaltlichen Debatte hätte. Hillary Clintons ehemaliger | |
| Rivale Bernie Sanders ist ihr Unterstützer geworden. Ein Zufall trägt dazu | |
| bei, dass die geleakten Reden schnell in den Hintergrund geraten. Am selben | |
| Tag erfährt die Öffentlichkeit von einem Video aus einem Bus, in dem Donald | |
| Trump mit seinen sexuellen Übergriffen auf Frauen prahlt. | |
| ## Schwächeanfall am 11. September | |
| Am 11. September erleidet Hillary Clinton am frühen Morgen einen | |
| Schwächeanfall. Sie hat vorzeitig die Zeremonie für die Opfer der Attentate | |
| von 2001 verlassen und sackt zwischen zwei Secret-Service-Agenten zusammen. | |
| Die beiden hieven sie wie eine leblose Puppe in einen schwarzen Wagen. | |
| Weniger als zwei Stunden später taucht sie vor der Wohnung ihrer Tochter in | |
| Manhattan auf. Sie lächelt, posiert mit einem Kind und versichert, sie | |
| fühle sich „great“. | |
| Das Land atmet mit ihr auf, bis bekannt wird, dass Hillary Clinton längst | |
| wusste, dass sie eine Lungenentzündung hatte. Aber den Journalisten, die | |
| nach ihrem Husten fragten, hatte sie erklärt, es sei eine „Allergie“. Sie | |
| witzelte: „Vermutlich bin ich allergisch gegen Donald Trump.“ | |
| Für eine Frau, die ihr Leben im Rampenlicht der US-Politik verbracht hat, | |
| ist die Energie, mit der Hillary Clinton ihre Privatsphäre verteidigt, | |
| erstaunlich. Möglicherweise begann sie damit schon in ihrer Kindheit in der | |
| weißen Chicagoer Vorstadt Park Ridge, wo sie fast nie Schulfreunde nach | |
| Hause einlud, wo ihr jähzorniger Vater den Ton angab. | |
| Auf jeden Fall ging sie am Gouverneurssitz von Arkansas und im Weißen Haus | |
| Investigativreportern aus dem Weg. „Ich bin sehr privat“, erklärte sie bei | |
| ihrer ersten Pressekonferenz nach mehr als einem Jahr als First Lady. Und | |
| begründete das mit ihrer religiösen, methodistischen Erziehung im Mittleren | |
| Westen. | |
| Doch schon damals verstand sie es, die Medien für Attacken zu nutzen. „Dies | |
| ist eine große rechte Verschwörung“, erklärte sie Anfang 1998 in einem | |
| Interview, als erste Gerüchte über das Verhältnis ihres Mannes mit einer | |
| Praktikantin in den Medien waren, aber ihr Mann noch alles leugnete. Es | |
| folgte das Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton, das scheiterte, aber | |
| seine zweite Amtszeit überschattete. | |
| ## Die Aussichten | |
| Trotz der Bedenken wird Hillary Clinton am 20. Januar 2017 voraussichtlich | |
| als erste Frau an der Spitze der USA in das Weiße Haus einziehen. Dafür | |
| soll eine nie dagewesene breite Kampagne von Spitzenpolitikern, | |
| Institutionen und Medien sorgen, die mit der Wahl die Demokratie | |
| verteidigen wollen. Es scheint sogar möglich, dass die Demokratische Partei | |
| eine der beiden Kammern im Kongress zurückerobert. Damit hätte die | |
| Präsidentin die Rückendeckung, um die Reformen, die sie angekündigt hat, | |
| tatsächlich durchzuführen: von der Einführung eines bezahlten | |
| Elternurlaubs, über die Anhebung des Mindestlohns bis hin zu einem neuen | |
| Einwanderungsgesetz. | |
| Die private Hillary Clinton wird ab dann 24 Stunden lang unter permanenter | |
| Beobachtung von Medien stehen, die in den 90er Jahren, als sie zuletzt im | |
| Weißen Haus lebte, noch in den Anfängen steckten. Und die Wähler werden ihr | |
| nicht die Schonfrist von früheren Anfängen gönnen. Diejenigen, die von | |
| Bernie Sanders kommen, werden sie an soziale Zusagen erinnern und | |
| versuchen, ihren außenpolitischen Interventionismus zu bremsen. | |
| Die Konservativen werden dafür sorgen, dass sie in der Mitte bleibt, wo sie | |
| die meiste Zeit ihres Lebens verbracht hat. | |
| Und die Anhänger von Trump werden ihre Legitimität bestreiten und die | |
| Möglichkeiten von Ermittlungsverfahren testen. | |
| Alle werden argwöhnisch verfolgen, ob sie als Präsidentin transparent ist. | |
| Hillary Clinton weiß, dass sie mit dem Misstrauen umgehen muss. | |
| „Vertrauen“, hat sie bei einem Meeting in Chicago gesagt, „muss ich | |
| verdienen.“ | |
| 24 Oct 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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