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# taz.de -- Deutscher Kolonialismus: Deutschlands Kino noir
> Eine Reihe im Zeughauskino zeigt Filme über deutsche Kolonien von der
> Kolonialpropaganda der Weimarer Republik bis zu den kritischen
> 60er-Jahren.
Bild: Still aus „Morenga“, dem dreiteiligen Fernsehfilm nach Uwe Timms glei…
Die Hochphase der Filmproduktion des europäischen Kolonialismus begann in
den 1910er Jahren. Die Filmgeschichte des deutschen Kolonialismus war also
gerade einmal ein knappes Jahrzehnt alt, bevor Deutschland die Kolonien
nach dem Ende des Ersten Weltkriegs abgenommen wurden.
Die Filmgeschichte der Kolonialpropaganda und kolonialistische Perspektiven
im deutschen Film dauerte ungleich länger. Beide wurden in den letzten
Jahren in filmwissenschaftlichen Studien von Tobias Nagl und Wolfgang
Fuhrmann neu bewertet. „Die (deutsche) Filmproduktion begann im Zeitalter
des späten kaiserlichen Kolonialismus und ihre Geschichte wäre vermutlich
anders verlaufen, hätten die ersten Filmemacher nicht die koloniale
Infrastruktur zur Verfügung gehabt, die es ihnen ermöglichte, um die Welt
zu reisen und ihre Filme zu drehen“, schreibt Wolfgang Fuhrmann in seinem
Buch „Imperial Projections“.
Es besteht also Grund genug für eine Filmreihe, die diese Neubewertung
einem breiteren Publikum vorstellt. Das Zeughauskino übernimmt diesen Job.
Die Filmreihe spannt einen Bogen von einigen der frühsten Filme des
deutschen Kolonialismus über die Kolonialpropaganda der Weimarer Republik
und des Nationalsozialismus bis zu den Kolonialkritiken ab den 1960er
Jahren in Ost- und Westdeutschland.
Dazwischen gibt es viel zu entdecken: Die frühen, meist dokumentarischen
Stummfilme sind durchzogen von ausgeprägtem kolonialen Paternalismus. Oft
sind nur ein, zwei deutsche Kolonialisten von unzähligen schwarzen
Arbeitskräften umgeben. Dennoch sind ebendiese Weißen stets Träger der
Handlung, instruieren die Arbeiter. Subjektivität ist den Kolonisatoren
vorbehalten.
## Kaum Zwischentöne
Interessant, dass sich das bereits in den kolonialistisch-exotistischen
Filmen der Weimarer Republik ändert. Der Stummfilm „Allein im Urwald. Die
Rache der Afrikanerin“ (26. 10, 20 Uhr) etwa, erzählt die Geschichte eines
jungen Ingenieurs, der nach Afrika (nach Ländern oder Regionen zu
unterscheiden, machen die wenigsten Filme) reist, um den Tod seiner Frau zu
verarbeiten.
All dies bildet den Rahmen, um die Tiere des Hagenbeck’schen Zooimperiums
als Attraktion zu präsentieren. Der Film erzählt aber auch die Geschichte
vom antikolonialen Widerstand einiger Arbeiter gegen diesen Ingenieur und
seine Begleiter, wenngleich dieser Widerstand motiviert ist durch die
Eifersucht einer schwarzen Arbeiterin.
Diese Zwischentöne verschwinden in den kolonialrevisionistischen Filmen,
die während des Nationalsozialismus entstanden. Herbert Selpins „Die Reiter
von Ostafrika“ (1. 11., 20 Uhr), entstanden im Kolonialgedenkjahr 1934, ist
am Kolonialismus nur noch als Hintergrund einer Heldengeschichte aus der
deutschen Armee unter Lettow-Vorbeck interessiert, in der möglichst viele
Pferde und reitende Männer vorkommen sollen.
## Den hilflosen Schwarzen nur Gutes wollen
Der Kolonialismus als glückliches Farmerdasein, das blöderweise vom Ersten
Weltkrieg unterbrochen wird. Unterstützt wird der Bauer von seinem treuen
Vorarbeiter, der nach der Mobilmachung als Askari, also als schwarzer
deutscher Soldat, an seiner Seite bleibt. Zwei andere Dokumentarfilme
zeichnen die Geschichte der schwarzen Darstellers Werner Egiomue, Majub und
Majub bin Adam Mohamed Hussein (bekannt als Mohamed Husen) nach, die oft in
ebensolchen Rollen zu sehen waren.
Diese Konstruktion wohlmeinender weißer Kolonialisten, die den treuen, aber
etwas hilflosen Schwarzen nur Gutes wollen, setzt sich in der
Nachkriegszeit vor allem in der Bundesrepublik fort. Kein Wunder: Immerhin
war deren Bundeskanzler Konrad Adenauer in der späten Weimarer Republik
Stellvertretender Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft. Sichtbare
Kritik regte sich in Westdeutschland erst Mitte der 1960er Jahre.
Ralph Giordanos Fernsehdokumentation „Heia Safari. Die Legende von der
deutschen Kolonialidylle in Afrika“ (19. 11., 19 Uhr) ist die früheste
kritische Auseinandersetzung des bundesdeutschen Fernsehens mit der
deutschen Kolonialpolitik in Afrika. 1998, dreißig Jahre später, montierte
Martin Baer Ausschnitte aus der Filmgeschichte des deutschen Exotismus zur
erhellenden Collage „Befreien Sie Afrika!“.
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz.
19 Oct 2016
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
Perspektive Deutsches Kino
Kolonialismus
Afrika
Konrad Adenauer
Hamburg
Deutscher Kolonialismus
Retrospektive
Dokumentarfilm
Sharon Dodua Otoo
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