Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ungarischer Festakt in München: Empörung über Ankündigung Orbá…
> Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán soll gemeinsam mit
> Ministerpräsident Horst Seehofer auftreten. Kritik kommt auch aus der
> Schwesterpartei.
Bild: Mal wieder im Fokus. Seehofer und Orban treffen Ende Oktober erneut zusam…
München dpa | Ein Fest für eine friedliche Revolution und damit gegen
Unterdrückung sollte eigentlich kein Grund für Ärger sein. Wenn es aber um
eine womöglich nicht öffentliche Feier im bayerischen Landtag mit dem
ungarischen Staatschef geht, gilt das nicht.
Der eigentliche Anlass steht längst im Hintergrund. Nur die Ankündigung
eines Auftritts von Ungarns Regierungschef Viktor Orban und von Bayerns
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) Mitte Oktober im bayerischen Landtag
in München hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Von einem „Missbrauch
des Hohen Hauses“ ist die Rede, von Geschichtsvergessenheit. Da scheint es
gleich, dass mit dem Festakt dem 60. Jahrestag der friedlichen Revolution
in Ungarn, dem friedlichen Kampf gegen die Regierung der kommunistischen
Partei und gegen die sowjetische Besatzungsmacht gedacht werden soll.
SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher sieht in dem vom ungarischen
Generalkonsul Gábor Tordai-Lejkó geladenen Akt im Senatssaal einen roten
Teppich für einen „Europazerstörer“. Er sagte seine Teilnahme per
Protestbrief ab, Grüne und Freie Wähler erhielten nicht mal eine Einladung.
Das Treffen, bei dem Seehofer und Orban Festreden halten, sei eine Ohrfeige
für Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Der Ministerpräsident und CSU-Chef
macht Außenpolitik nur zu innenpolitischen Zwecken“, sagt Rinderspacher.
Auch aus der CDU kommen – hinter vorgehaltener Hand – kritische Töne. In
Zeiten der vorsichtigen Annäherung von CDU und CSU sorge ein solcher Termin
auf deutschem Boden für Orban, einem der größten Merkel-Kritiker in Europa,
für Magengrummeln. Andere sprechen gar vom nächsten Affront aus Bayern
gegen Merkel. Mit Seehofer und Orban treffen sich ja zwei Politiker, die
seit mehr als einem Jahr an Merkels Flüchtlingspolitik sägen, jeder auf
seiner politischen Ebene, heißt es aus Präsidiumskreisen.
## Unverständnis für die Kritik
Doch es gibt auch andere Stimmen in der CDU: „Ungarn ist Mitglied der EU,
Ungarn hat vor 60 Jahren für die Freiheit gekämpft und ich halte es für
eine Selbstverständlichkeit, dass Regierungsmitglieder aus Ungarn sich in
allen deutschen Landtagen mit Abgeordneten treffen können“, sagt Vize Armin
Laschet. Der Austausch mit Ungarn sei gerade jetzt wichtig. Kürzlich habe
sich ja auch Merkel mit Orban getroffen.
Auch die CSU selbst und der Landtag können oder wollen die Kritik nicht
verstehen. Immerhin seien sie nicht Veranstalter. Ein Besuch des
Ministerpräsidenten bei einer Veranstaltung in Bayern, bei der ein
Regierungschef eines EU-Mitgliedsstaates anwesend sei, sei eine
Selbstverständlichkeit, heißt es aus der Staatskanzlei.
Die Genese des Termins zeigt, dass es sich um keinen Schnellschuss handelt.
„Die Veranstaltung wurde fast genau vor einem Jahr angefragt, im November
wurde vorab zugesagt, dass das am 17. Oktober stattfinden kann“, betont
Anton Preis, Sprecher des Landtags. Im April sei die Genehmigung für die
Kulturveranstaltung dann nochmals offiziell durch Landtagspräsidentin
Barbara Stamm erteilt worden.
Generell könne der Landtag von externen Veranstaltern wie Konsulaten
angemietet werden. „In einem solchen Fall fällt eine Saalmiete an“, sagt
Preis. Rund 2.400 Euro Miete seien für den Saal für rund 260 Personen
fällig, Catering, Technik etc. kommen extra. Der Landtag verstehe sich „als
offenes Haus“. Allerdings ist im Konsulat in München nach Angaben einer
Mitarbeiterin noch nicht entschieden, ob Journalisten Zugang haben werden.
Seehofer und Orban – seit vergangenem Jahr haben sie sich mehrfach
getroffen und auch ihre Kritik an Merkels Öffnung der Grenzen für
Flüchtlinge im September 2015 öffentlich zur Schau gestellt. Zwar
beteuerten beide, nicht gegen Merkel paktieren zu wollen, die Wahrnehmung
(auch die in der CDU) war aber eine andere.
Der antieuropäische Kurs Orbans tut sein Übriges. Zuletzt hatte er eine
Volksentscheidung zur Flüchtlingsverteilung auf die EU-Mitgliedsstaaten
initiiert. Zwar verpasste das Referendum die notwendige Beteiligung, Orban
will aber seinen Konfrontationskurs zur EU fortsetzen und kündigte eine
Verfassungsänderung an. Er beruft sich auf die große Zustimmung derer, die
abgestimmt hatten.
Das mediale Interesse – notfalls draußen vor der Tür – wird auf jeden Fall
groß sein, wenn die Regierungschefs zu ihren Festreden ausholen. Ob das
Ganze dem Anlass und den Opfern der Revolution gerecht wird, bleibt
abzuwarten. Immerhin sind laut Konsulat neben Politikern auch Zeitzeugen
von 1956 geladen. „Die Ungarn seien sehr dankbar, dass Deutschland sie 1956
so freundlich empfangen hat“, sagt die Mitarbeiterin. Knapp zehn Tage nach
der Revolution am 23. Oktober 1956 hatte die sowjetische Armee den
Freiheitskampf blutig beendet – daraufhin flohen Hunderttausende Ungarn
nach Westen.
7 Oct 2016
## TAGS
Viktor Orbán
Horst Seehofer
Bayern
Kritik
Lesestück Recherche und Reportage
Ungarn
Direkte Demokratie
Viktor Orbán
Schwerpunkt Flucht
Viktor Orbán
Schwerpunkt AfD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Außenpolitik auf Bayerisch: In unverbrüchlicher Freundschaft
Sie verstehen sich: der bayerische und der ungarische Ministerpräsident.
Viktor Orbán sprach am Montag im Bayerischen Landtag.
Demonstration in Ungarn: Tausende für Pressefreiheit
Gegen die Fidesz-Regierung auf der Straße: Eine Woche nach der Schließung
von Ungarns größter Oppositionszeitung protestieren in Budapest Tausende.
Debatte Direkte Demokratie: Siegeszug des Populismus
Referenden retten nicht die Demokratie. Im Gegenteil, Detailfragen mit „Ja“
oder „Nein“ zu beantworten, fördert rechten und linken Populismus.
Kommentar Referendum in Ungarn: Über die eigene Schwelle gestolpert
Orbáns Referendum ist an den hohen Hürden gescheitert, die er selbst
eingeführt hat. Für seine Politik war das Ergebnis ohnehin unerheblich.
Flüchtlingsreferendum in Ungarn: Eigentor für Orbán
Trotz der massiven Kampagne gingen zu wenige Ungarn wählen – das Referendum
ist ungültig. Regierungschef Orbán zelebriert dennoch.
Ungarn-Besuch des CSU-Chefs: Seehofer ortet Wende bei Merkel
Seehofer und Orbán demonstrieren in Budapest Einigkeit. Überraschend
stellen sie sich hinter Merkel – allerdings mit Interpretationsspielraum.
Kommentar Seehofers Besuch in Ungarn: Sie mögen sich
Nach Putin hofiert Seehofer nun den nächsten Staatschef. Diesmal holt er
sich Tipps in Budapest. Er und Orbán haben viel gemein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.