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# taz.de -- Die Zukunft der Supermärkte: Showkochen neben der Käsetheke
> Die Zukunft von Kaiser's Tengelmann ist unsicher. Und die der Konkurrenz?
> Es zählen: Erlebnisorientierung und hohe Qualität.
Bild: Hauptsache billig war gestern
BERLIN taz | Die Zukunft hat grüne leuchtende Quader an der Decke, breite
Gänge und Kundentoiletten. Zumindest die Zukunft, wie sie sich der
Discounter Aldi Süd vorstellt, und gemessen daran, dass die Gegenwart eher
Gänge in Minimalbreite, von der Decke hängende Preisschilder und bloß
keinen Quadratmeter Verkaufsfläche ohne Ware vorsieht, ist das ein ziemlich
deutlicher Sinneswandel.
Es ist nicht die einzige Neuerung auf dem Markt. „In fünf bis zehn Jahren
wird der Lebensmitteleinzelhandel auf Erlebnisorientierung und hohe
Qualität ausgerichtet sein“, sagt Marco Atzberger vom EHI Retail Institute.
Bert Warich vom WABE-Institut für Wirtschafts- und Arbeitsmarktforschung
sieht darüber hinaus zwei weitere Tendenzen: „Wir werden eine zunehmende
Konzentration haben und uns an das Liefern von Lebensmitteln gewöhnen.“
Schon jetzt zeichnet sich ab: Hauptsache billig war gestern. So zeigt etwa
das Consumer-Panel des Marktforschungsinstituts GfK seit einigen Jahren
sinkende Umsatzanteile bei Discountern, wohingegen die Anteile der
Supermärkte langsam wachsen – auch wenn die Discounter mit über 40 Prozent
Umsatzanteil immer noch am stärksten sind. Trotzdem ist sich Warich sicher:
„Der Discount-Trend ist passé.“
Als Ursache macht er eine veränderte Einstellung zu Lebensmitteln und zum
Kochen aus: Es gehe nicht mehr vorrangig um die Beschaffung und Aufnahme
von Nahrung, sondern um ein Erlebnis. Und das fange beim Einkaufen an: vom
sanften Licht über die Bioecke bis zum Showkochen neben der Käsetheke.
„Händler, die überleben wollen, müssen auf diesen Zug aufspringen.“
Warich glaubt jedoch nicht, dass die Biomärkte davon profitieren.
Stattdessen würden sich die großen Händler entsprechend breiter aufstellen.
„Bestehende Ketten, auch im Biolebensmittelhandel, werden an den Rand
gedrängt oder zu Übernahmekandidaten.“ Damit werde die Konzentration –
schon vor zwei Jahren beklagte das Bundeskartellamt, dass vier Konzerne 85
Prozent des Markts stellen – weiter zunehmen.
## Amazon steigt ein, die Lebensmittelhändler ziehen nach
Der E-Commerce könnte daran etwas ändern. „Amazon könnte tatsächlich den
großen Konzernen etwas Marktanteile abnehmen“, sagt Warich. Die Händler
halten sich derzeit mit Investitionen in den Lieferservice eher zurück. Die
Margen sind zu niedrig. Und Versandkosten müssen die Kunden erst einmal
akzeptieren. Doch Amazon kann es sich leisten, auch über einen längeren
Zeitraum Verluste einzufahren.
Atzberger skizziert daher folgendes Szenario: Amazon steigt in den Markt
ein, die Lebensmittelhändler ziehen nach und orientieren sich dabei daran,
wie Amazon seine Plattform gestaltet. Das Zusammenklicken von Waren über
eine Website würde zum Auslaufmodell, stattdessen könnten automatisierte
Bestellprozesse – wie sie Amazon bereits mit dem Dash-Button erprobt – an
Bedeutung gewinnen.
„Dann werden wir einen Wettkampf der Giganten haben“, sagt Warich. Große
Handelskonzerne versus Amazon. Wie die Unternehmen versuchen, gerade am
Anfang Kunden zu binden, zeigt sich derzeit bei Kaufland. Laut einem
Bericht der Lebensmittelzeitung testet die Kette der Schwarz-Gruppe, zu der
auch Lidl gehört, gerade den Versand von Lebensmitteln – zunächst ohne
Versandkosten.
Das mit den knappen Margen könnte sich laut Warich übrigens langfristig von
selbst lösen: Denn mit der demografischen Entwicklung nehme der Anteil
derer zu, die mit dem Schleppen der Einkäufe Probleme haben. Damit werde
die Bereitschaft steigen, für eine Lieferung etwas mehr zu zahlen.
Beide Experten rechnen zwar damit, dass die Online-Umsätze in den nächsten
bis zu zehn Jahren nicht über 10 Prozent des Marktanteils steigen werden.
Doch angesichts des Gesamtvolumens wären das immerhin rund 17 Milliarden
Euro.
7 Oct 2016
## AUTOREN
Svenja Bergt
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