# taz.de -- Expertin zum Lebensmittelhandel: „Das Kartellrecht ändern“ | |
> Edeka, Rewe, Lidl und Aldi dominieren die Branche – und sparen an Löhnen | |
> und Jobs, sagt die Branchenexpertin von Oxfam, Franziska Humbert. | |
Bild: Einkaufswagen bei Kaiser's | |
taz: Frau Humbert, Sie waren immer dagegen, dass Edeka Kaiser ’s Tengelmann | |
übernimmt. Nun droht stattdessen die Zerschlagung. Was sagen Sie den 15.300 | |
Beschäftigten, die um ihren Job bangen? | |
Franziska Humbert: Natürlich wäre am besten, wenn alle Jobs erhalten werden | |
könnten. Edeka ist dafür aber keine Lösung. | |
Edeka wollte eine Jobgarantie für fünf Jahre geben … | |
Und danach? In der Branche hat schon heute kaum jeder Zweite eine | |
Vollzeitstelle, oft wird unter Tarif bezahlt. Und der Druck auf die | |
Beschäftigten würde nur zunehmen, bekäme Edeka mit einer Übernahme noch | |
mehr Macht. Schon heute beherrschen die vier Großen, Edeka, Rewe, Aldi und | |
Lidl, 85 Prozent des Marktes. Ihre Konkurrenz ist ruinös. Das geht alles | |
über den Preis. Also sparen sie an allem, auch an Lohn und an Jobs. | |
Aber lässt sich eine weitere Marktkonzentration überhaupt aufhalten? | |
Dafür müssen Bundeskartellamt und Politik sorgen. Der deutsche | |
Lebensmitteleinzelhandel gilt schon heute als einer der härtesten. Nicht | |
nur die Verkäufer und Verkäuferinnen in den Filialen stehen unter Druck, | |
auch die Lieferanten aus dem In- und Ausland. In Ecuador etwa gibt es | |
offiziell einen Mindestpreis für Bananen. Die Bauern unterlaufen ihn aber | |
regelmäßig, weil die deutschen Ketten ihnen die Preise diktieren. | |
Gibt es andere Abnehmer? | |
Die deutschen Ketten nehmen gewaltige Mengen ab, das gibt niemand so | |
schnell auf. | |
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wollte Jobs mit der Fusion retten. Was | |
hätte er stattdessen tun sollen? | |
Das Kartellrecht ändern. Bisher gilt eine Fusion als kritisch, wenn ein | |
Unternehmen danach 40 Prozent des Marktes beherrscht. Eine | |
20-Prozent-Grenze wäre schon besser. | |
Das würde schon reichen? | |
Nein, aber helfen. Darüber hinaus brauchen wir eine Verbotsliste für | |
unfairen Handel. Zum Beispiel: Händler dürfen von ihren Lieferanten keine | |
missbräuchlichen Extrarabatte fordern. Oder: Händler dürfen nicht erst eine | |
Woche vorher entscheiden, was sie den Lieferanten abnehmen. | |
Das ließe sich durchsetzen? | |
In Großbritannien gibt es einen Ombudsmann, der sich zum Beispiel um | |
unzulässige Sonderzahlungen von Lieferanten an Supermarktketten kümmert. Er | |
kann Untersuchungen veranlassen, Beweise sammeln und Beschwerden nachgehen. | |
Die größte britische Supermarktkette Tesco musste daraufhin schon Geldbußen | |
in Millionenhöhe zahlen. Ihr wurde Missbrauch ihrer Nachfragemacht | |
nachgewiesen. Wir haben über solche Regelungen bereits mit dem | |
Bundeswirtschaftsministerium gesprochen, bisher hat es unsere Vorschläge | |
aber nicht aufgenommen. | |
Was können Verbraucher tun? | |
Das ist ganz einfach: Bio- und Fairtrade kaufen. Das dient dem Wohl von | |
Produzenten und Arbeitnehmern. Bei Fusionsfragen sind aber Wettbewerbshüter | |
und Politik dran. | |
Was schlagen Sie als Plan B für Kaiser ’s-Tengelmann vor? | |
Alternativen prüfen. Die Schweizer Kette Migros etwa hatte sich in den | |
Bieterkampf eingeschaltet und wollte Märkte in Bayern übernehmen. Tegut | |
gehört zwar auch schon zu Migros. Das ist aber zumindest niemand der großen | |
vier deutschen Ketten. | |
22 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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