| # taz.de -- Städtebauxperte über Einkaufszentren: „Die Kunden zieht es an d… | |
| > Frank Osterhage sieht einen Rückzug in die Innenstädte. Den Betreibern | |
| > von Shopping-Malls fehle es aber an Mut zu offenen und innovativen | |
| > Konzepten. | |
| Bild: Er ist nie aus der Mode gekommen: der Wochenmarkt wie hier in Tübingen | |
| taz: Herr Osterhage, die ersten Einkaufszentren in den USA sollten | |
| Stadtzentren simulieren, weil sich die großen Department Stores an | |
| Ausfallstraßen angesiedelt hatten. Die erste Mall gab es dann 1956, | |
| konzipiert von einem Österreicher – Victor Gruen. Jahrzehntelang galten | |
| Malls als Inbegriff der Modernität und der Zukunft. Ändert sich das gerade? | |
| Frank Osterhage: Ich habe im Frühjahr auf einer Reise an die US-Ostküste | |
| selbst etwa 20 Stadtentwicklungsprojekte besichtigt und kann Ihren Eindruck | |
| deshalb aus eigener Anschauung bestätigen. Gerade die jüngeren Konsumenten, | |
| man spricht von den Millennials, suchen stark nach authentischen urbanen | |
| Erlebnissen. Dazu gehört es, zu wissen, wo man sich befindet, wie das | |
| Wetter ist und was das Besondere des Ortes ausmacht. Eine geschlossene | |
| Halle kann diese Wünsche kaum erfüllen. Allerdings gibt es auch einen | |
| Gegentrend, hinaus in suburbane Zentren. Und auch diese Leute wollen | |
| irgendwo einkaufen. | |
| Viele Mallbetreiber streben auch in Deutschland seit Jahren von der grünen | |
| Wiese zurück in die Innenstädte – warum? Sind es eher die Kommunen und | |
| Länder, die dem Wildwuchs regulierend Einhalt gebieten? | |
| In den letzten Jahren hat es praktisch keine Neueröffnung außerhalb der | |
| Stadtzentren mehr gegeben. Wenn, dann gab es Erweiterungen bestehender | |
| Center, um konkurrenzfähig zu bleiben. Hier decken sich offenbar die | |
| Wünsche der Kunden mit einer stärkeren Regulierung durch die Raum- und | |
| Regionalplanung. | |
| Ist dieser Trend auch in den neuen Bundesländern erkennbar? | |
| Ja, ganz klar. Dort herrschte in den ersten Jahren nach der Wende | |
| ziemlicher Wildwuchs, weil es kaum Vorgaben im Baurecht gab. Inzwischen hat | |
| sich das völlig beruhigt. | |
| Werden die neuen Center denn Teil des urbanen Raums? | |
| An den Geschäftskonzepten in Deutschland hat sich bislang wenig geändert. | |
| Die meisten Center sind als Block in sich geschlossen und kommunizieren | |
| kaum mit ihrer Umgebung. Der Architekt Wolfgang Christ hat schon vor | |
| einigen Jahren eine Kombination aus Einkaufszentren und belebten | |
| Stadtquartieren propagiert. Es gibt aber nur wenige positive Beispiele wie | |
| die Münster-Arkaden. Offene Konzepte – womöglich aus mehreren Gebäudeteilen | |
| mit offenen Bereichen und einer Mischnutzung – machen den | |
| Projektentwicklern deutlich mehr Arbeit und sind risikoreicher. Trotzdem | |
| würde ich mir von den Kommunen wünschen, dass sie solche Konzepte als | |
| Gegenangebot zu Onlineshopping deutlich stärker einfordern. | |
| In Bad Münstereifel wurde ein Outletcenter in Häusern der Innenstadt | |
| gebaut. Ist das ein Trendsetter? | |
| Das hatte wohl eher planungsrechtliche Gründe, weil ein Outletcenter sonst | |
| nicht genehmigt worden wäre. Insgesamt sind Factory Outlets ein Sonderfall. | |
| Aber auch da wünsche ich mir mehr Kreativität. Im Ausland gibt es gute | |
| Beispiele, die solche Angebote mit Wohnungen, Gastronomie und Unterhaltung | |
| kombinieren. Dort herrscht fast 24 Stunden lang Leben. Wenn ich das | |
| deutschen Bürgermeistern erzähle, staunen die immer noch. | |
| Ist die große Menge von immer gleichen Filialshops in den Malls ein Grund | |
| für die Ermüdung der Kundschaft? | |
| Der hohe Grad der Filialisierung ist auch ein markantes Kennzeichen der | |
| Innenstädte. Ein unabhängiger Einzelhändler ist ja eher schon die Ausnahme. | |
| Viele Centerbetreiber werben nach eigenen Angaben sogar gezielt und mit | |
| Mieterleichterungen um diese Leute, weil sie sich davon eine Steigerung der | |
| Attraktivität erhoffen – Stichwort Authentizität. | |
| Spielen Veränderungen im Mobilitätsverhalten dabei eine Rolle? Gerade in | |
| den Innenstädten verliert das Auto durch Dauerstau und Parkplatznot ja an | |
| Attraktivität. | |
| Für junge Leute ist das Auto heute meist nur noch eines von mehreren | |
| Fortbewegungsmitteln. Es hat als Statussymbol weitgehend ausgedient. Dafür | |
| gibt es elektronische Spielzeuge. Das dürfte zum Rückzug in die Innenstädte | |
| beitragen. | |
| Wie reagieren die Mallbetreiber auf die Veränderung der Kundenwünsche? Gibt | |
| es auch hierzulande Spezialisierungen wie Themencenter, Powercenter mit | |
| sehr großen Läden oder Urban Entertainment Center? | |
| Die Projektentwickler in Deutschland sind im Vergleich zu den USA, aber | |
| auch zu Großbritannien insgesamt sehr konventionell unterwegs. Es gibt | |
| einige kleine Anlagen, die etwa Möbelgeschäfte zusammenbringen. Die würde | |
| ich aber noch nicht als Mall bezeichnen. Der Trend zu sehr großen Centern, | |
| die Einkaufen vor allem mit Fastfood und Multiplexkinos und anderen | |
| Freizeitangeboten verbinden wie im Oberhausener CentrO, ist nach meiner | |
| Beobachtung eher vorüber. | |
| 476 große Einkaufszentren gibt es derzeit in Deutschland, mit 80 die | |
| meisten in Nordrhein-Westfalen. Wo stehen wir in zwanzig Jahren? | |
| Ich denke, wir werden da eher Stagnation oder sehr langsames Wachstum | |
| erleben. Der Markt ist schon sehr gesättigt, und die Kunden zieht es an die | |
| Luft. | |
| 17 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Wein | |
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