# taz.de -- Gregor Gysi über Rot-Rot-Grün: „Wir müssen fordernder werden“ | |
> Der ehemalige Fraktionschef der Linkspartei über die | |
> Koalitionsmöglichkeiten in Berlin und im Bund – und die zu wenig | |
> konservative CDU. | |
Bild: Gregor Gysi wünscht sich unterscheidbarere Parteien | |
taz: Herr Gysi, in Berlin stehen die Zeichen auf Rot-Rot-Grün. Wenn es | |
klappt – hätte das eine Signalwirkung über die Landesgrenze hinaus für die | |
Bundestagswahl 2017? | |
Gregor Gysi: Man kann eine rot-rot-grüne Regierung in Berlin bilden, ohne | |
dieses Modell im Bund nachzuvollziehen. Aber die Möglichkeit eines solchen | |
Bündnisses würde anders diskutiert, wenn es in Berlin klappte. | |
Die Mitte-links-Mehrheit ist bundesweit und auch in Berlin fragiler | |
geworden. | |
Das kann man wohl sagen. | |
Wieso steigen dann dennoch die Chancen auf Mitte-links-Regierungen? | |
Rot-Rot-Grün hätte vor fünf Jahren in Berlin auch eine Mehrheit gehabt. | |
Wir haben eine neue Situation: Von Ausnahmen abgesehen verlieren SPD und | |
CDU gemeinsam. Früher gewann die Union und die SPD verlor, oder es gewann | |
die SPD und die Union verlor. Das haben wir nicht mehr, was an den | |
veränderten gesellschaftlichen Beziehungen liegt. Ein Teil der Wähler fühlt | |
sich abgehängt und wählt die AfD. Allerdings wissen diese Wähler offenbar | |
nicht, was die AfD vorhat. Sie will den gleichen Einkommenssteuersatz für | |
die Lidl-Kassiererin und den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank. Das | |
zu fordern, hat sich noch nicht einmal die FDP getraut. | |
Es gibt starke Präferenzen in der Linkspartei, sich an einer Regierung | |
unter Führung der SPD zu beteiligen. Aber wenn die Linke das tut – führt | |
das nicht dazu, dass die Partei irgendwann entzaubert ist, weil sie ständig | |
Kompromisse schließen muss? | |
Ich hoffe, wir haben aus unseren Fehlern aus der Senatszugehörigkeit | |
gelernt und werden jetzt fordernder. Ich sage meinen Leuten immer, sie | |
dürfen nicht immer nur den Kompromiss verteidigen. Wir sind da eine Idee zu | |
anständig und sagen immer: Darauf haben wir uns geeinigt und das vertreten | |
wir. Wir müssen aber immer auch dazu sagen, was wir ursprünglich wollten | |
und was die anderen wollten, damit die Unterschiede klar werden. Außerdem | |
wissen alle drei Parteien in Berlin: Sie müssen jetzt die Stadt verändern, | |
wenn sie die AfD klein machen wollen. | |
Könnte ein rot-rot-grünes Lager der AfD und dem Rechtsruck der Gesellschaft | |
etwas entgegensetzen? | |
Entscheidend auf Bundesebene sind aus meiner Sicht zwei Dinge. Erstens, | |
dass wir sozialere Verhältnisse bekommen. Wir müssen es schaffen, einen | |
solchen Druck auf die SPD auszuüben, dass wir die sozialen Fragen anders | |
angehen, also etwa das Rentenproblem lösen und die prekäre Beschäftigung | |
weitgehend überwinden. Dann ginge es unserer Gesellschaft besser, und das | |
wäre ein Beitrag, um der AfD die Grundlage zu entziehen. Und zweitens muss | |
sich die CDU wieder auf ihre konservativen Wähler konzentrieren. | |
Die CDU soll wieder konservativer werden, obwohl Ihre Partei sie immer für | |
ihre konservative Politik kritisiert hat? | |
Ich möchte ja nicht, dass alle Parteien so werden wie wir oder dass sich | |
SPD und Union so ähnlich werden, dass man sie gar nicht mehr unterscheiden | |
kann. Die CDU vertritt andere Interessen, als ich sie vertrete. Diese | |
Interessen werde ich kritisieren, das ist auch legitim. Aber dass sie | |
vertreten werden müssen, ist ebenso legitim. Und nur wenn die CDU wieder | |
konservativer wird und sich in die Opposition begibt, kann sie einen Teil | |
der Wählerschaft der AfD integrieren. In der Regierung kann sie das nicht, | |
schon gar nicht, wenn sie an der Seite der Grünen im Bund regiert. | |
Sie wollen bei der Bundestagswahl 2017 als Direktkandidat antreten. Werden | |
Sie es schaffen, wieder das Direktmandat zu holen? | |
Wenn man antritt, will man gewinnen. | |
20 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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