# taz.de -- Volksabstimmung in Aserbaidschan: Hauptsache Macht | |
> Präsident Ilham Alijew will sich noch größere Vollmachten verschaffen. | |
> Mangels öffentlicher Debatte sind die Wähler komplett uninformiert. | |
Bild: Mit unstillbarem Machthunger ausgestattet: Präsident Ilham Alijew | |
Berlin taz | Noch mehr Macht für den Präsidenten? So lautet eine der | |
Fragen, über die die AserbaidschanerInnen an diesem Montag in einem | |
Referendum über 29 Änderungen der Verfassung abstimmen. Geht es nach dem | |
autokratischen Dauerherrscher Ilham Alijew, der die Kaukasusrepublik seit | |
2003 regiert, soll der Präsident künftig sieben anstatt wie bisher fünf | |
Jahre seines Amtes walten. Das Mindestalter von 35 Jahren, um für das | |
höchste Staatsamt kandidieren zu können, wird abgeschafft. | |
Darüber hinaus darf der Präsident, der antreten kann sooft er will, einen | |
ersten Vizepräsidenten ernennen. Dieser kommt zum Zuge, sollte der | |
Präsident seinen Amtspflichten nicht nachkommen können oder vorzeitig | |
abgewählt werden. | |
Zudem kann der Staatschef das Parlament auflösen, wenn es zweimal in einem | |
Jahr über ein Misstrauensvotum abgestimmt hat oder die Besetzung von | |
Schlüsselpositionen durch den Präsidenten zurückweist. Doch es geht nicht | |
nur um einen Machtzuwachs für die Exekutive, sondern auch um Grundrechte. | |
So soll künftig der Entzug der Staatsbürgerschaft in Fällen möglich sein, | |
„die das Gesetz vorsieht“. | |
In einer Stellungnahme von 20. September bezeichnete die Venedig-Kommission | |
des Europarates die geplanten Änderungen in Aserbaidschan als „nicht | |
vereinbar mit dem europäischen Verfassungserbe“. | |
## Unabhängige Medien zum Schweigen gebracht | |
Über was sie genau abstimmen, wissen nur die wenigsten Wähler. Denn eine | |
breite öffentliche Diskussion der geplanten Verfassungsänderungen wurde | |
verhindert. Einer Gruppe von Gegnern des Referendum, die aus der | |
oppositionellen Partei Musavat hervorgegangen war und eine Kampagne gegen | |
die Abstimmung starten wollte, verweigerte die Zentrale Wahlkommission die | |
Zulassung. | |
Noch verbliebene unabhängige Medien wie die Zeitung Azadliq und der | |
Fernsehsender ANS TV, die über das Referendum aufklären wollten, wurden | |
kaltgestellt. Zumindest eine Demonstration der Musavat-Partei gegen die | |
Volksabstimmung mit einigen hundert Teilnehmern am 18. September in Baku | |
verlief friedlich. „Ich will nicht lügen, aber ich habe keine Ahnung, worum | |
es bei dem Referendum geht“, zitiert Radio Free Europe einen Bewohner der | |
Hauptstadt Baku. | |
Nicht nur die Ahnungslosigkeit seiner Landsleute macht sich Alijew zunutze. | |
Auch ansonsten ist das Terrain bereitet. So sind Alijew-Kritiker und | |
Menschenrechtsaktivisten seit einigen Wochen wieder verstärkten | |
Repressionen ausgesetzt, die nicht selten auch ihre Angehörigen betreffen. | |
In einem Bericht vom 15. September 2016 an die Menschenrechtskommission des | |
US-Repräsentantenhauses zeichnet die aserbaidschanische Journalistin Khadia | |
Ismayilowa ein düsteres Bild der Menschenrechte in ihrem Heimatland. | |
## Land ist zum Gefängnis geworden | |
Ismayilowa, die zahlreiche Korruptionsaffären des Alijew-Klans aufdeckte, | |
wurde im Mai nach anderthalbjähriger Haft entlassen. Derzeit darf sie | |
Aserbaidschan nicht verlassen. Das Land sei zu einem Gefängnis geworden, | |
heißt es in Ismayilowas Bericht, in dem sie den Westen zu Sanktionen gegen | |
korrupte Vertreter des Regimes, Ankläger und Richter auffordert. | |
Eine Stellungnahme des EU-Parlaments dürfte sie daher kaum erfreuen. Das | |
kündigte nämlich an, die Ergebnisse des Referendums anerkennen zu wollen. | |
Zur Begründung hieß es, der Wille der Nation sei das Wichtigste. | |
26 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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