| # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Finger weg von diesem Spiel! | |
| > Die Partie der Deutschen gegen Aserbaidschan ist ein Beispiel für die | |
| > Verkommenheit der Fußballbranche – ein echter Weggucker. | |
| Bild: Javid Hüseynow: Provokateur, Nationalspieler, Verbrecher | |
| So freuen wir uns doch! Deutschland darf bei der nächsten | |
| Fußball-Weltmeisterschaft mitspielen. Das Ticket nach Russland ist gelöst. | |
| Deutschland fährt nach Russland. Das wird eine Gaudi mit exklusiven | |
| Luftaufnahmen des deutschen Mannschaftsbusses auf dem Weg zum Stadion, mit | |
| Plaudereien planschender Millionäre, die ihren freien Tag im Teamquartier | |
| genießen, und mit beißenden Reporterfragen wie: „Herr Löw, wie geht es | |
| Ihnen heute?“ | |
| Das ist die einzige Chance, halbwegs cool durch das Turnier zu kommen. | |
| Sonst müssen wir uns ja glatt mit Fragen beschäftigen, die wirklich wehtun: | |
| Wollen wir mit unserer Fußballbegeisterung dazu beitragen, dass das Licht | |
| auf Staatspräsident Wladimir Putin noch ein wenig heller scheint? Welche | |
| korrupten Baulöwen haben sich beim Errichten der nagelneuen Fußballtempel | |
| bereichert? Muss man die Fremdarbeiter aus den ehemaligen südlichen | |
| Sowjetrepubliken nicht ebenso als Sklaven bezeichnen wie die in der Hitze | |
| verreckenden Bauarbeiter in Katar? | |
| Ist nicht jeder gut gelaunte Fußballabend in Russland eine Ohrfeige ins | |
| Gesicht der drangsalierten LGBT-Community in Russland, die sich wieder und | |
| wieder anhören muss, dass Schwule oder Lesben wider die Natur leben? Und | |
| wie leicht vergessen wir angesichts stimmungsvoller Fanmärsche zum Stadion, | |
| dass in Russland friedliche Demonstranten schnell für ein paar Wochen | |
| weggesperrt werden? | |
| Der internationale Sport arbeitet weiter daran, sich Diktatoren, | |
| Sklaventreibern und korrupten Geschäftemachern auszuliefern. Der deutsche | |
| Fußballmeister Bayern München freut sich ebenso über Geld aus Katar wie der | |
| französische Spitzenklub Paris Saint-Germain. Die Fifa beobachtet mit | |
| schlecht gespielter Sorge die Vorbereitungen auf die WM 2022 im Scheichtum | |
| Katar, das sich das Turnier mit Stimmen korrupter Funktionäre und Verbände | |
| gekauft hat. Es gibt niemanden auf dieser weiten Welt, der glaubt, bei der | |
| Vergabe auch der WM nach Russland sei alles mit rechten Dingen zugegangen. | |
| ## Keine Revolution in Sicht | |
| Jeder weiß, dass Gianni Infantino, der neue Präsident der Fifa, keinen Deut | |
| besser ist als der alte, jener Sepp Blatter, unter dem das System von Geben | |
| und Nehmen etabliert worden ist. Kaum einen Fußballfan gibt es, der | |
| angesichts der Summen, die in diesem Jahr in Spielermaterial investiert | |
| worden sind, nicht von Transferwahnsinn spricht. Und doch brauchen die | |
| Verbände keine große Fußballrevolution zu fürchten. Der Ball rollt. | |
| Er wird auch am Sonntag rollen, wenn Deutschland in Kaiserslautern gegen | |
| Aserbaidschan spielt. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit einem Fanboykott | |
| dieser sportlich ohnehin unbedeutenden WM-Qualifikationspartie? Man müsste | |
| einen solchen noch nicht einmal mit allgemeinen Verweisen auf die | |
| Menschenrechtslage in dieser Ölrepublik begründen. Man müsste nicht auf die | |
| Einkerkerung von Aktivisten, auf die fehlende Pressefreiheit, auf die | |
| Diskriminierung von Schwulen und Lesben, auf Folter und Misshandlungen | |
| durch Polizeiorgane verweisen, um den Boykott zu begründen. | |
| Man muss den Fußball nicht verlassen. Am Sonntag könnte mit Javid Hüseynow | |
| ein Spieler für Aserbaidschan auflaufen, der sich mit einem Reporter | |
| angelegt hat, der ihn zu Tode hat prügeln lassen und der dennoch spielen | |
| darf, weil eine Haft für den Nationalspieler ein schlechtes Licht auf die | |
| Regierung, die sich so gerne mit Sporterfolgen schmückt, werfen könnte. | |
| Deutlicher kann die Verkommenheit der Branche nicht vor Augen geführt | |
| werden. Lauterer, Pfälzer, Fußballfreunde, bleibt zu Hause! Freunde des | |
| Fußballs, schaut euch den „Tatort“ an am Sonntag und meidet RTL! Es geht | |
| nicht mehr. | |
| 8 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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