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# taz.de -- Grüne Innenpolitik: Mit Sicherheit grün hinter den Ohren
> Erstmals in der Geschichte der Hauptstadt könnten die Grünen den
> Innensenatorposten stellen. In der Partei ist man sich der Brisanz des
> Themas bewusst.
Bild: Sind die Grünen reif für das Innenressort? Verantworten würden sie auc…
Bei Karikaturist Gerhard Seyfried ist die grüne Welt noch so, wie sie
einmal war. Auf einer seiner Zeichnungen steht ein Polizist vor einem
Imbiss mit dem Schild „Buletten“. Gleich daneben gibt es „Freakadellen“
oder „Hemp-Burger“, also Hanfburger. Gut möglich aber, dass Seyfried
demnächst andere Motive zeichnen muss. Erstmals könnte 2016 ein Grüner in
Berlin das Amt des Innensenators übernehmen.
Bei den Berliner Grünen ist man sich der Brisanz des Themas bewusst. Gerne
spricht keiner darüber, doch das Thema liegt auf dem Tisch. Wenn die
Sozialdemokraten in einem Bündnis mit den Linken und den Grünen die
Ressorts Finanzen und Stadtentwicklung behalten wollen, müssen sie auf ein
anderes Kernressort verzichten. Schon im Wahlkampf hatte einer der Berater
des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) die Frage in den Raum
geworfen: Warum soll es im nächsten Senat keinen grünen Innensenator geben?
Einer, der offen über die „Herkulesaufgabe“, wie er es nennt, redet, ist
Volker Ratzmann. Der ehemalige Fraktionschef der Grünen im
Abgeordnetenhaus, der heute der Bevollmächtigte der baden-württembergischen
Landesregierung beim Bund ist, wäre selbst gerne einmal der erste grüne
Innenminister Deutschlands geworden. Doch dann hatte sich 2011 Klaus
Wowereit gegen Rot-Grün und für ein Bündnis mit der CDU entschieden – und
Frank Henkel (CDU) wurde zum Herren über Polizei, Verwaltung und Sport.
Für Ratzmann ist das Innenressort ein Gestaltungsressort. „Sarrazins
Fehler, die Verwaltung kaputtzusparen, ohne sie gleichzeitig
umzustrukturieren, spüren wir heute noch“, sagt der 56-Jährige der taz. Um
Berlins Ämter fit zu machen für die Zukunft, müsse man auch „über das The…
Zentralisierung“ und „über andere Tabus“ reden. Auch würde man sich bei…
Gewerkschaften keine Freunde machen. Doch für Ratzmann ist klar: „Das wäre
eine riesige, aber machbare Zumutung.“
## Ein grüner Innensenator wäre historisch
Vom grünen Spitzenpersonal gibt es noch keine Stellungnahme zu den
möglichen Ressorts. Einzig die Spitzenkandidatin Ramona Pop hatte sich
einmal gegenüber der B.Z. geäußert: „Es gab noch keine grünen Innenminist…
in der Bundesrepublik. Das wäre sicherlich historisch. Aber es gilt – alles
wird nach der Wahl entschieden.“
Historisch also. Damit meint Pop nicht nur die Zuständigkeit für die
Verwaltungsreform, sondern auch das Thema Polizei. Ein grüner Abgeordneter
bringt es gegenüber der taz auf den Punkt. „Wenn mehr Asylanträge abgelehnt
werden, kann ein grüner Innensenator schnell zum grünen Abschiebesenator
werden.“ Für den Grünen steht fest: „Die SPD will uns ärgern.“ Dennoch
glaubt er, dass ein grüner Innensenator oder eine grüne Innensenatorin auch
bei der Polizei Akzente setzen kann. „Da muss man positive Signale über
Härtefallregelungen setzen“, sagt er.
Volker Ratzmann geht noch einen Schritt weiter. „Wenn es um Sicherheit
geht, fordern alle immer nur mehr vom selben, was wir bereits haben.“ Es
sei deshalb an der Zeit, eine ganz neue Sicherheitspolitik zu machen.
Wenn die SPD den Grünen tatsächlich das Innenressort anbieten würde, läge
der Ball bei Ramona Pop. Die Fraktionschefin, die sich gerne als
Generalistin sieht, hat das erste Zugriffsrecht der Grünen auf einen
Senatsposten. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass ihr Inneres
nicht passen würde.
## Pankower Baustadtrat im Gespräch
Wer aber könnte dann die „Herkulesaufgabe“ übernehmen? Einer, der genannt
wird, ist der Pankower Baustadtrat Jens-Holger Kirchner. Selbst will sich
Kirchner nicht äußern, es gibt aber nicht wenige in seiner Partei, die dem
robusten Politiker die Aufgabe zutrauen. Schließlich war er in Pankow auch
für das Ordnungsamt zuständig und hat Verwaltungserfahrung.
Einen Haken aber hätte das SPD-Angebot, weshalb es viele in der grünen
Partei auch ein „vergiftetes“ Angebot nennen. Geht es nach Michael Müller,
soll die Zuständigkeit für Personalentwicklung künftig bei der
Finanzverwaltung angesiedelt sein. „Wenn das so kommt“, so ein grüner
Abgeordneter, „kann man das Ressort gleich auflösen und ein Landesamt für
Polizei- und Feuerwehrangelegenheiten gründen.“
Ratzmann ist da weniger pessimistisch. „Auch ohne Personal ist das
Innenressort das Schlüsselressort für die Verwaltungsreform.“ Hinzu kommt,
dass die Digitalisierung der Berliner Verwaltung noch in den Kinderschuhen
steckt. Ein grüner Innensenator müsste also nicht zwangsläufig als
Abschiebesenator in die Geschichte eingehen. Er könnte auch ein
Modernisierungssenator werden.
Muss Seyfried also künftig neue Comics zeichnen? Zum Beispiel mit einem
Coffeeshop am Görli, an dem Polizei und Freaks „Freakadellen“ und
„Buletten“ mampfen? Volker Ratzmann meint eher nein. „Ich glaube nicht,
dass die Berliner Grünen danach greifen.“
27 Sep 2016
## AUTOREN
Uwe Rada
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Klaus Lederer
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