# taz.de -- Johanna Uekermanns Gründe gegen Ceta: „Gabriel darf sich nicht d… | |
> Juso-Chefin Johanna Uekermann fordert, dass die Sozialdemokraten auf dem | |
> Parteikonvent am Montag Ceta nicht einfach durchwinken. | |
Bild: Viele Bürger sind dagegene, viele Mächtige dafür. Kann Juso-Chefin Joh… | |
taz: Frau Uekermann, sind Sie die letzte Mohikanerin, die in der SPD noch | |
den Widerstand gegen Ceta aufrechterhält? | |
Johanna Uekermann: Die Frage ehrt mich zwar, aber die Antwort lautet nein. | |
Es gibt in der SPD eine breite Bewegung gegen TTIP und Ceta. Wir haben | |
große Landesverbände wie Bayern, die sich klar gegen das Abkommen | |
positioniert haben. Und wann immer ich an der Parteibasis unterwegs bin, | |
merke ich, dass ganz viele Mitglieder diese Freihandelsabkommen ablehnen. | |
An der Parteispitze sieht das aber anders aus. Im 35-köpfigen Vorstand gab | |
es nur eine Gegenstimme gegen den Antrag, der eine Zustimmung Deutschlands | |
zu Ceta fordert. | |
Ich bedauere, dass sich der Parteivorstand so entschieden hat. Wir haben | |
schließlich als Partei klare rote Linien für Freihandelsabkommen gezogen, | |
und die werden bei Ceta eindeutig überschritten. Darum hätte ich mir auch | |
vom Parteivorstand eine klare Positionierung gewünscht, dass man Ceta so | |
nicht zustimmen kann. | |
Das sagt die Parteispitze ja auch. Aber sie will Nachbesserungen erst | |
später im parlamentarischen Verfahren durchsetzen. Ist das nicht eine gute | |
Idee? | |
Nein. Erstens schlägt der Antrag vor, dass Ceta schon vorläufig angewendet | |
werden soll, bevor das parlamentarische Verfahren abgeschlossen ist, in dem | |
diese Verbesserungen durchgesetzt werden sollen. Das finde ich einfach | |
nicht logisch. Und zweitens dürfen sich die Regierungen – und damit meine | |
ich auch Sigmar Gabriel – nicht vor der Verantwortung drücken. | |
Was meinen Sie damit? | |
Wenn man Veränderungen an Ceta für notwendig hält, dann darf man das nicht | |
den Parlamenten allein überlassen. Wenn die SPD glaubwürdig sein will, kann | |
kein Sozialdemokrat dafür die Hand heben. Darum darf es erst mal kein Ja im | |
Ministerrat und keine deutsche Unterschrift unter Ceta geben, bevor es | |
erfolgreiche Nachverhandlungen gegeben hat. | |
Das heißt, Sie misstrauen den Parlamenten? | |
Davon kann keine Rede sein. Es ist einfach meine Überzeugung, dass man | |
deutlichere Fortschritte erzielen kann, wenn alle an einem Strang ziehen. | |
Sowohl die Regierung als auch die Abgeordneten müssen darauf bestehen, Ceta | |
zu verändern. | |
Was heißt verändern? Langt es, ein paar Sätze zu ergänzen oder zu | |
streichen, wollen Sie einen Neustart – oder gar einen Verzicht auf das | |
Abkommen? | |
Bei den Jusos sehen wir bilaterale Handelsabkommen generell kritisch. Für | |
unsere Wunschvorstellung von fairem, gerechtem Welthandel braucht man | |
eigentlich multilaterale Abkommen. | |
Das klingt illusorisch. Ceta und TTIP sind doch gerade die Folge davon, | |
dass sich bei den multilateralen Verhandlungen der WTO seit Jahren nichts | |
bewegt. | |
Deshalb sind wir in einer Zwickmühle. Wenn wir es ernst meinen mit einer | |
Politik, die den Wohlstand zwischen Nord und Süd gerechter verteilt und | |
Fluchtursachen bekämpft, dann braucht man eine andere internationale | |
Handelspolitik. Mir wäre das am liebsten im Rahmen der UN. Aber solange das | |
nicht möglich ist und es bei der WTO nicht vorangeht, müssen wir uns mit | |
dem auseinandersetzen, was jetzt auf dem Tisch liegt. Das heißt, wir müssen | |
versuchen, bei Ceta das Beste rauszuholen, etwa für ArbeitnehmerInnenrechte | |
und Daseinsvorsorge. | |
Gabriel sagt, er hat schon viel rausgeholt. Etwa beim Investitionsschutz | |
oder bei der Sicherung von Arbeitnehmerrechten und Daseinsvorsorge. Für ihn | |
sind Kritiker wie Sie die wahren Totengräber der fortschrittlichen | |
Handelsabkommen. | |
Niemand bestreitet ernsthaft, dass Ceta fortschrittlicher ist als andere | |
Handelsabkommen – und dass Sigmar Gabriel einiges dafür getan hat, | |
Verbesserungen zu erreichen. Aber nur weil es nicht ganz so schlimm ist wie | |
frühere Abkommen, ist es ja noch lange nicht gut. Für mich ist klar: Wenn | |
man als Partei rote Linien zieht, dann muss man dazu auch stehen. Und weil | |
diese bei Ceta verletzt sind, darf es keine Zustimmung geben. | |
Immerhin hat Gabriel durchgesetzt, dass es statt rein privater | |
Schiedsgerichte einen neuen Handelsgerichtshof geben soll. | |
Es bleibt aber trotzdem dabei, dass es eine Sondergerichtbarkeit für | |
ausländische Unternehmen gibt. Extrem problematisch finde ich auch die | |
unpräzisen Rechtsbegriffe, die durchaus noch vorhanden sind. Obwohl wir uns | |
in unseren roten Linien klar dagegen ausgesprochen haben, finden sich im | |
Vertrag Formulierungen wie „gerechte Behandlungen“ und „indirekte | |
Enteignung“. Dadurch wären Schadenersatzklagen von Unternehmen gegen | |
unliebsame Gesetze Tür und Tor geöffnet. Das muss ausgeschlossen werden. | |
Sie haben also wirklich die Hoffnung, dass sich die Delegierten beim | |
SPD-Konvent am Montag gegen die Parteispitze durchsetzen? | |
Wir führen im Moment viele Gespräche, und die stimmen mich positiv. Viele | |
Delegierte merken sehr wohl, dass der Antrag des Vorstands viele nette, | |
kritische Worte zu Ceta enthält, aber eben trotzdem grünes Licht im | |
Ministerrat geben will. Auch dass große Teile von Ceta schon angewendet | |
werden sollen, bevor die nationalen Parlamente wie der Bundestag darüber | |
abstimmen, wollen viele auf keinen Fall. | |
Falls Sie sich durchsetzen und der Konvent am Montag Ceta ablehnt: Kann | |
Sigmar Gabriel dann noch SPD-Chef und Kanzlerkandidat sein? | |
Ich bin generell kein Fan davon, dass man Sachfragen mit Personalfragen | |
verknüpft. Dann könnte man keine Politik mehr machen, wenn man sich nur | |
davon leiten lässt, wem bestimmte Entscheidungen schaden könnten. | |
Im Roman von James Cooper überlebt „Der letzte Mohikaner“ am Ende zwar, | |
aber Freunde wie Feinde sterben in einem Massaker. | |
Dazu muss es bei uns nicht kommen. Die meisten Delegierten wünschen sich | |
eine Entscheidung, die die Partei am Ende nicht zerreißt. Und daran wird | |
auch der Parteivorsitzende ein großes Interesse haben. Das kann aber nur | |
gelingen, wenn man noch deutlich weiter auf die Kritiker zugeht. | |
16 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
Kai Schöneberg | |
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