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# taz.de -- taz-Ratgeber für Unternehmen: Wie Sie mit Ceta abkassieren
> Umwelt- und Verbraucherschutz gängeln die Unternehmen. Aber jetzt kommt
> Ceta, das Handels-abkommen. So profitieren Sie davon.
Bild: Münzen. Pah. Vergessen Sie das Kleingeld. Jetzt kommt Ceta
## Ich kann doch bald Staaten verklagen. Bringt es das?
Aber sicher. Ceta schützt Ihre Investitionen vor der Umwelt-Willkür von
Parlamenten und Bürgerinitiativen. Natürlich wird es weiterhin Gesetze zu
„Klimaschutz“ oder „Verbraucherschutz“ geben. Dass Staaten derartige
Gesetze erlassen dürfen, etwa mit dem Ziel des „Schutzes der öffentlichen
Gesundheit und Sicherheit, des Schutzes der Umwelt oder der öffentlichen
Sittlichkeit, des Sozial- oder Verbraucherschutzes“, das steht extra [1][im
Ceta-Vertrag] in Artikel 8.9. Aber merken Sie was?
Das ist eine Selbstverständlichkeit: Staaten, die Gesetze machen. Für Sie
wichtig ist deshalb Absatz 10 in Artikel 8. Dort wird Ihnen als kanadischer
Investor in der EU oder andersherum eine „gerechte und billige“, also
angemessene Behandlung zugesichert. Achten Sie auf Ziffer 4 des Artikels
8.10: Der Vertrag ermöglicht es Ihnen, vor einem neuen Handelsgericht, das
extra für Ihre Interessen geschaffen wird, auf Schadenersatz zu klagen. Und
zwar, falls Sie ein Staat zu einer Investition bewogen hat, Sie diesem
Staat „berechtigterweise“ vertraut haben. Dann muss er nur noch „Maßnahm…
ergreifen“, die Ihre Investition futsch machen.
## Und hätte ich denn Aussicht auf Erfolg?
Noch schwer abzuschätzen. Aber: Ihre Chancen auf Erfolg sind höher als je
zuvor. Schwammige Begriffe wie „berechtigtes Vertrauen“ lassen hoffen.
Angenommen, die Bundesregierung gefährdet mit Umweltauflagen Ihre Rendite,
Sie klagen als kanadisches Unternehmen mit Ihrer deutschen Tochter vor dem
Bundesverfassungsgericht. Viel Spaß. Karlsruhe muss auf alles Mögliche
achten: Würde des Menschen, Schutz natürlicher Lebensgrundlagen, eine elend
lange Latte Grundrechte – da gucken Sie schnell in die Röhre. Dank Ceta
haben Sie nun einen weiteren Rechtsweg. Für Kritiker ist das
Paralleljustiz, Sie dürfen sich freuen.
## Bin nicht überzeugt. Gibt es denn Präzedenzfälle?
Jein. Dazu ein kleiner Exkurs: Es gibt weltweit rund 3.000
Investitionsschutzverträge. Die Formel, dass Investoren „gerecht und
billig“ behandelt werden müssen, findet sich darin überall. Etwa im
Energiechartavertrag, dank dessen der schwedische Vattenfall-Konzern
Deutschland auf 4,7 Milliarden Euro Entschädigung wegen des Atomausstiegs
verklagt.
Kanada ist bereits mehrfach nach den Regeln des Nordamerikanischen
Freihandelsabkommens Nafta verklagt worden – von Firmen, die Schadenersatz
wollen, weil sie nicht mehr nach Erdgas und Öl mit der Frackingmethode
bohren dürfen. Allerdings stehen die Urteile noch aus. Und es sind auch
keine wirklichen Präzedenzfälle, weil in Ceta einige Formulierungen die
Klagerechte einschränken. Die finden sich bei Nafta oder im
Energiechartavertrag so nicht. Wie gesagt: Jein.
## Ich will aber endlich fracken!!! Also klagen?
Ruhig, ganz ruhig. Also: In Deutschland darf ja momentan nur in Sandstein
gefrackt werden. Das meiste Gas lagert aber in Schiefergestein. Da wollen
Sie ran, klar. Aber das Bohrloch ist dicht. Weil, ein bestehendes Verbot
ist ein Verbot. Es gilt für alle Unternehmen – Sie werden als Kanadier also
nicht diskriminiert. Ergo: Nix Klage. Aber: Sichern Sie sich einfach jetzt
ihre Lizenz zum Aufsuchen von Erdgas in Sandstein! Weil, wenn das eines
Tages auch noch verboten wird, ist Ihre berechtigte Gewinnerwartung ja wohl
verletzt, oder? Das könnte klappen.
## Was kostet so ein Verfahren vor dem Handelsgericht?
Touché, ein wichtiger Punkt. Leider kosten die Verfahren Millionen – und
dauern Jahre. Für ein kleines oder mittelständisches Unternehmen viel zu
teuer. Investitionsklagen sind nur etwas für Großkonzerne. Gute Anwälte
wollen gut bezahlt sein. Und selbst wenn Sie gewinnen, hängt es vom Urteil
ab, ob Sie auf den Kosten der Klage sitzen bleiben. Tipp: Einfach die
Verfahrenskosten auf die Summe draufschlagen, die sie als Schadenersatz von
einem Staat fordern.
## Ich will die Abgasgrenzwerte für Dieselautos wegklagen. Geht das?
Jetzt lassen wir mal den Golf in der Kirche. Um Abgasgrenzwerte zu
frisieren, sollten Sie erst mal nach wie vor Ihre guten Kontakte zur
Bundesregierung nutzen, die dann für Sie in Brüssel interveniert. Aber:
Ceta schafft zum Glück zusätzliche Gremien, mit denen die Europäische Union
und Kanada ihre Gesetzgebung künftig absprechen wollen – natürlich ohne
lästige Parlamentarier. Diese Runden sind völlig intransparent und werden
kaum kontrolliert, Lobbyisten können sich dort bestimmt prima einbringen.
Also: Zwar können Sie mit Ceta Gesetze oder EU-Richtlinien nicht einfach
wegklagen. Aber Sie können versuchen, vor dem neuen Handelsgericht
Schadenersatz zu fordern, wenn Ihre „berechtigten“ Gewinnerwartungen durch
Gesetze gemindert werden. Aber in der EU natürlich nur als kanadischer
Konzern.
## Hä? Bitte, wie war das? Nur kanadische Konzerne können EU-Staaten
verklagen?
Jep. Und nur EU-Konzerne können Kanada vor dem neuen Gericht verklagen. Was
nicht geht, ist: EU-Konzerne verklagen einen EU-Staat, ein kanadischer
Konzern verklagt Kanada.
## Und wenn ich eine Tochterfirma in Kanada gründe?
Läuft. Also, könnte laufen. Tatsächlich schließt Ceta explizit aus, dass
Sie eine Tochterfirma in Kanada gründen und schwups ihren Heimatstaat vor
das Handelsgericht zerren. Sie müssten ein Unternehmen gründen, das seine
„wesentliche Geschäftstätigkeit“ in Kanada unterhält.
Oder eben in der EU, um Kanada zu verklagen. Was das heißt? Könnte etwa
sogar Apple als US-Firma Kanada mittels Ceta wegen sonst was verklagen,
weil es eine juristisch geschickt eingefädelte Zweigstelle in Irland
unterhält? Nobody knows. Aber: Versuch lohnt!
## Apropos Apple. Ich will auch nur 0,005 Prozent Steuern! Hilft Ceta da?
Eindeutiges Nein. Ceta hat mit der Besteuerung von Unternehmen nichts zu
tun. Das ist auch gar nicht nötig. Bereits jetzt herrscht ein knallharter
Steuerwettbewerb zwischen vielen Staaten, den Sie dank erprobter Methoden
(zum Beispiel Double Irish With a Dutch Sandwich) zur Gewinnmaximierung
nutzen können – und das ja sicher auch längst tun. Zwar drohen die
G-20-Staaten damit, hier einzuschreiten. Aber bevor das passiert, stellt
der „Islamische Staat“ Kämpfer als UN-Blauhelme ab. ;-)
## Fein. Und Löhne? Werde ich mit Ceta den Mindestlohn los?
Leider nicht. Ist im Vertragstext explizit untersagt. Aber generell helfen
Freihandelsabkommen natürlich, dem Lohnterror der Gewerkschaften zu
entkommen. Neuer Wettbewerbsdruck, niedrigere Löhne – oder? Sie können wie
bisher ihre Produktion in ein Land mit möglichst geringen Sozialabgaben und
Umweltauflagen verlagern – oder medienwirksam damit drohen. Das wird dank
Freihandelsabkommen zum Glück viel glaubwürdiger: Die neue Konkurrenz
zwingt sie leider, leider, die Geschäfte weiter zu rationalisieren.
## Machen diese Demos gegen TTIP und Ceta nicht alles kaputt?
Die Gefahr besteht natürlich. Deshalb müssen wir Unternehmer weiter
gemeinsam für die gute Sache kämpfen. Die Wirtschaftsverbände haben zum
Glück extra total unabhängige Gutachten erstellen lassen, die die Vorteile
von Ceta und TTIP glasklar belegen. Die total wissenschaftlichen Argumente
und Zahlen darin sind so gut, dass sie 1:1 von EU-Kommission und diversen
Wirtschaftspolitikern übernommen worden sind. Darauf können auch Sie sich
stützen.
## Oh Gott, in Ceta steht was von Umwelt- und Klimaschutz! Kostet das?
Keine Sorge, selbstverständlich nicht! Richtig ist, es gibt ein Kapitel zum
Umweltschutz und eines zu „Handel und nachhaltige Entwicklung“. Zu dem
Thema wird sogar eigens ein Ausschuss zwischen Kanada und der EU gegründet.
Ja. Ein Ausschuss! Holy shit! Spaß beiseite: Haben Sie keine Angst.
Konkrete Umweltziele, die ihr Geschäft beeinträchtigen könnten, werden in
Ceta nicht genannt. Es geht ums Geschäft. Und das ist gut so.
17 Sep 2016
## LINKS
[1] http://www.umweltinstitut.org/fileadmin/Mediapool/Downloads/01_Themen/03_Ve…
## AUTOREN
Ingo Arzt
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