Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Präsidentschaftsrennen in Österreich: Wahlkampf mit Wau-Effekt
> Politische Inhalte? Nicht auf Facebook! Norbert Hofer und Alexander Van
> der Bellen setzen lieber auf süße Hunde und Familienfotos.
Bild: Erlaubt ist, was geliket wird: Norbert Hofer schraubt auf Facebook an sei…
Alexander Van der Bellen, der grüne Präsidentschaftskandidat in Österreich,
streift leger in Jeans über saftige Wiesen in den Alpen. Hand in Hand mit
seiner Frau erklärt er auf Tirolerisch: „Du brauchscht mi, un i brauch di.“
Chico und Kita, die Mischlingshunde des Paars, tollen um die beiden herum.
[1][Der offizielle Wahlkampfspot] Van der Bellens, des ehemaligen
Vorsitzenden der Grünen, erschien am 1. September auf Facebook und
erreichte schon in der ersten Woche knapp eine Million Aufrufe. Private
Bilder, süße Hunde – das kommt offenbar gut an.
Das hat Van der Bellens Kontrahent, Norbert Hofer, der
Präsidentschaftskandidat der rechtsextremen Freiheitlichen Partei
Österreichs (FPÖ), auch erkannt. Er beglückt seine Anhänger auf Facebook
schon seit Juli mit Hundefotos. Auf einem ist ein Welpe vor einer
Hundehütte zu sehen. „Unsere Jessy in ihrer wohlverdienten Mittagspause“,
[2][schrieb Hofer dazu].
Zur Erinnerung: Am 22. Mai 2016 wählten die Österreicher ihren
Bundespräsidenten. Der Grüne Alexander Van der Bellen gewann mit 50,3
Prozent der Stimmen, Norbert Hofer von der FPÖ verlor knapp, holte aber mit
49,7 Prozent das beste Wahlergebnis in der Geschichte seiner Partei. Wegen
formaler Fehler wurde die Wahl vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben,
nachdem die FPÖ das Ergebnis angefochten hatte. Am 2. Oktober wird in
Österreich erneut gewählt. Offiziell hat der Wahlkampf erst im September
begonnen, auf Facebook werben die zwei Kandidaten aber schon seit Juni um
Wählerstimmen.
## Mit Familie Hofer durch den Sommer
Die Hunde Chico, Kita und Jessy kämpfen quasi um den Titel des „First Dog“.
Aber auch die Familien werden nicht ausgespart. Wenige Tage nach der ersten
Stichwahl postet Norbert Hofer auf Facebook ein Foto von seiner Frau und
seiner zwölfjährigen Tochter [3][im Bikini]. Von da an konnten Hofers Fans
die Familie durch den Sommer begleiten: [4][beim Spazierengehen], beim
[5][Entspannen im Wohnzimmer], Hofer, wie er [6][sein Mofa repariert] oder
diverse [7][Zeltfeste besucht]. Besonders erfolgreich ist er mit seiner
Hündin Jessy: [8][Ihr erster Auftritt] im Juli auf dem YouTube-Kanal FPÖ-TV
wurde 175.000-mal angesehen. Fast viermal öfter als ein Video, in dem Hofer
über sein politisches Programm spricht.
Hofer präsentiert sich in den sozialen Medien moderat und bodenständig –
anders als FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, der auf Facebook gern offen
gegen Migranten hetzt oder andere Politiker verunglimpft. Dass Hofer
Ehrenmitglied der Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafeld ist, wen
interessiert das schon?
Hofer ist gelernter Kommunikationstrainer, seine Homevideos wirken wie
spontane Aufnahmen. „Ein persönliches Gespräch ist das überzeugendste
Wahlkampfmittel“, sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle, „Facebook
ist die Brücke zu einem Gespräch.“ Durch Beiträge in sozialen Medien, die
in einem persönlichen Ton verfasst sind, fühlten sich gerade jüngere Wähler
angesprochen.
In Österreich sind erstmals zwei Oppositionspolitiker in der Stichwahl um
das Amt des Bundespräsidenten. Seit 1945 wurden alle Präsidenten von der
Sozialdemokratischen Partei oder der Volkspartei unterstützt. Hofer gegen
Van der Bellen ist so gesehen ein Kampf der politischen Außenseiter. Im
ersten Wahlkampf hat Norbert Hofer seinem Konkurrenten vorgeworfen, „der
Kandidat der Schickeria“ zu sein. Vor allem auf dem Land misstrauen Wähler
Van der Bellen. „Er muss dort beweisen, dass er kein Kommunist ist“, sagt
der Meinungsforscher Peter Hajek.
## Van der Bellens Wohnung ist tabu
Van der Bellen weiß das. Also erklärt der emeritierte Professor für
Volkswirtschaftslehre in einem Video das Bergpanorama seiner „Heimat“ auf
Tirolerisch, [9][geht mit seiner Frau und den Hunden Kita und Chico
wandern] und lässt sich dabei von Journalisten begleiten. Er muss auf die
Personalisierungsstrategie Norbert Hofers reagieren, will aber nicht zu
viel Seriosität einbüßen. Bikinifotos von der Frau oder Fotos aus seinen
eigenen vier Wänden gibt es nicht.
„Alexander Van der Bellen zieht eine klare Grenze. Es gibt keine Homestory,
und niemand kommt in seine Wohnung“, sagt sein Pressesprecher Reinhard
Pickl-Herk. Doch auch Van der Bellen sei klar, dass bei der Präsidentenwahl
ein gewisses Interesse an der Person und an dessen Ehefrau bestehe. „Er hat
die Tür schon weiter aufgemacht“, gesteht Pickl-Herk ein.
Van der Bellen postete nicht nur mehrere Hundebilder auf Facebook, den
Sommer über sah man Fotos von ihm [10][im Fußballstadion], [11][auf einem
Konzert] des österreichischen Superstars Hubert von Goisern oder [12][bei
einem Theaterbesuch] mit seiner Frau.
## Politik wie in den USA
Auch er hat das Prinzip Selbstvermarktung verstanden. Im Online-Fanshop
gibt es Tragetaschen mit der Aufschrift „Fan der Bellen 2016“ oder T-Shirts
mit einem Bild von ihm im Layout von Barack Obamas Wahlkampf 2008, auf
denen „Öbama“ steht. Van der Bellens Selbstvergleich mit Obama wirkt
zumindest in einer Hinsicht nicht so unpassend: Auch Obama setzte im
Wahlkampf gern seinen Hund Bo in Szene. Die Selbstdarstellung der
österreichischen Kandidaten erinnert allgemein an die Wahlkämpfe in den
USA.
Hofer gegen Van der Bellen. Jessy gegen Kita und Chico. Beide Kandidaten
kreieren eine Art Personenkult um sich. Hofer als der besonnene
Familienvater mit einem Herz für Tiere, Van der Bellen als charismatischer,
dynamischer Professor.
In Europa ist diese starke Personalisierung eher unüblich. Politiker nutzen
ihre Facebookseiten vor allem für politische Inhalte. Frauke Petry von der
AfD etwa oder Marine Le Pen, die Vorsitzende des französischen Front
National, posten keine privaten Fotos.
Auch in Österreich haben sich die Politiker beim personalisierten Wahlkampf
in sozialen Medien lange zurückgehalten. „Die FPÖ war die erste Partei, die
Facebook für sich nutzen konnte“, erklärt die Politologin Kathrin
Stainer-Hämmerle. Vorreiter war dabei FPÖ-Chef Heinz Christian Strache. Vor
wenigen Jahren hatte er genauso viele Facebook-Fans wie Angela Merkel.
Strache rappt sogar auf YouTube, für abendliches Kuscheln mit seinem Hund
Odi bekommt er Tausende Likes. „Weil differenzierte Diskussionen immer
weniger mobilisierend sind, haben die Seiten der anderen Parteien auch
weniger Erfolg“, sagt Stainer-Hämmerle.
Mitte September starten die TV-Duelle für die zweite Stichwahl. Dort müssen
die zwei Kandidaten ohne Familie und Haustiere gegeneinander antreten.
Spätestens dann könnten wieder politische Inhalte über Wählerstimmen
entscheiden und Jessy, Chico und Kita ihren Wettstreit beenden.
11 Sep 2016
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=eCW5JeV7ZNo
[2] https://www.facebook.com/norberthofer2016/photos/a.1653668578243770.1073741…
[3] https://www.facebook.com/norberthofer2016/photos/a.1653668578243770.1073741…
[4] https://www.facebook.com/norberthofer2016/photos/a.1653668578243770.1073741…
[5] https://www.facebook.com/norberthofer2016/photos/a.1653668578243770.1073741…
[6] https://www.facebook.com/norberthofer2016/photos/a.1653668578243770.1073741…
[7] https://www.facebook.com/norberthofer2016/photos/ms.c.eJxFj1sOBDEIw2604tVA7…
[8] https://www.youtube.com/watch?v=NJjgWI_r85Q
[9] https://www.facebook.com/alexandervanderbellen/photos/pcb.1254203204624719/…
[10] https://www.facebook.com/alexandervanderbellen/photos/a.141044352607282.31…
[11] https://www.facebook.com/alexandervanderbellen/photos/pcb.1255241164520923…
[12] https://www.facebook.com/alexandervanderbellen/photos/pcb.1237900762921630…
## AUTOREN
Anastasia Hammerschmied
## TAGS
Österreich
Wahlkampf
Alexander Van der Bellen
Norbert Hofer
Heinz-Christian Strache
FPÖ
Schwerpunkt Meta
Social Media
Österreich
Alexander Van der Bellen
Österreich
Rechtspopulisten
Wahl Österreich
Norbert Hofer
Österreich
Bundespräsident Österreich
Wahl Österreich
Bundespräsident Österreich
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gesunde Politiker in Österreich: Clean bis in die Haarwurzel
Van der Bellen beweist, dass er gesund ist, Strache, dass er drogenfrei
ist. Damit ist Österreich den USA einen Schritt voraus.
Kommentar Präsidentenwahl Österreich: Das Lachen im Hals
Die Präsidentenstichwahl gerät zur Lachnummer. Die FPÖ hetzt über das
„System“, doch van der Bellen gibt sich staatsmännisch und ausgleichend.
Präsidentenwahl in Österreich verschoben: Ja, leckts mi do …
Die Wiederholungsstichwahl muss verschoben werden. Schuld ist eine Panne
bei den Briefwahlunterlagen. Der Innenminister hofft auf einen Termin in
diesem Jahr.
Kommentar Wahl in Österreich: Die FPÖ ist immer das Opfer
Es entspricht der Mentalität der FPÖ-Politiker, schon einmal für den Fall
der Niederlage eine Verschwörung zu stricken.
Bundespräsidentenwahl in Österreich: Die Lasche klebt einfach nicht
Es ist die Posse des Jahrzehnts. Die Wiederholung der Wahl des Präsidenten
muss noch einmal verschoben werden. Und schuld ist ein Brief.
Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer: „Nazi“ ist OK
Der österreichische FPÖ-Politiker ist vor Gericht gescheitert. Er wollte
sich gegen die Bezeichnung als Nazi wehren.
Kommentar Präsidentenwahl Österreich: Ein Wahlkampf zum Kotzen
Österreich muss erneut an die Urnen. Der Erfolg der FPÖ zeigt: Sie ist
nicht Opfer von Wahlfälschern, sondern ein schlechter Verlierer.
Kolumne Die eine Frage: Die Borderliner von Österreich
Wie gewinnt man rechtspopulistische Wähler zurück, Robert Menasse? Ein
dringlicher Anruf bei einem linken Wiener Intellektuellen.
Die Wahrheit: Die tote Ratte von Wien
Der Österreich-Krimi: Nach der Wahl des Bundespräsidenten stinkt es
gewaltig in dem kotelettförmigen Land.
Präsidentschaftswahl in Österreich: Sieg im Endspurt
Alexander Van der Bellen gewinnt hauchdünn die Wahl zum Bundespräsidenten
in Österreich. Entscheidend sind dabei die Briefwahlstimmen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.