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# taz.de -- Chinas Bürgerrechtler Chen Guangcheng: „Es gibt wieder mehr Sipp…
> Der blinde Rechtsanwalt Chen Guangcheng ist aus China geflohen. Er
> spricht über die Menschenrechte in der Volksrepublik unter Präsident Xi
> Jinping.
Bild: Der exilierte blinde chinesische Menschenrechsanwalt Chen Guangcheng beim…
taz: Herr Chen, Sie haben in China als Anwalt Frauen verteidigt, die gegen
die Ein-Kind-Politik verstoßen haben. Diese Politik wurde inzwischen
gelockert. Wie steht es heute um die Ein-Kind-Politik?
Chen Guangcheng:Es ist jetzt möglich, mehr als ein Kind zu haben, aber
strukturell hat sich die Politik nicht verändert. Die entsprechenden
Institutionen blieben auf allen Verwaltungsebenen unverändert. Von ihnen
profitieren viele Kader zum eigenen Vorteil. Solange nicht das ganze System
abgeschafft wird, können wir nicht von einem wirklichen Politikwandel
sprechen. Auch behält sich die Kommunistische Partei weiter das Recht vor
zu entscheiden, wie viele Kinder jemand haben darf. Das ist inakzeptabel.
Sie haben China im Mai 2012 verlassen, bald darauf kam dort Xi Jinping an
die Macht. Wie hat sich die Menschenrechtslage in China seitdem entwickelt?
Vieles ist unter Xi Jinping schlechter geworden, auch die Methoden haben
sich etwas verändert. So haben wir in letzter Zeit viele in den Medien
übertragene erzwungene Geständnisse gesehen, das gab es zuvor kaum.
Angeklagten werden Anwälte verwehrt. Auch gibt es heute mehr Sippenhaft,
also dass eine ganze Gruppe für Aktionen einzelner Mitglieder büßen muss.
Hat sich die Arbeit der Rechtsanwälte verändert?
Ihre Situation hat sich parallel zum gewachsenen Rechtsverständnis der
Bevölkerung entwickelt. Heute sind mehr Menschen als früher bereit, Dinge
beim Namen zu nennen und soziale Gerechtigkeit einzufordern. Das ermutigt
die Rechtsanwälte. Sie stehen andererseits unter wachsendem Druck der
Kommunistischen Partei.
Haben die Anwälte heute weniger Spielraum?
Die Kontrolle durch die Kommunistische Partei hat zugenommen, aber
andererseits engagieren sich Anwälte heute stärker. Ihre Arbeit ist sehr
wichtig für die Bewusstseinsbildung und Mobilisierung der Bevölkerung für
soziale Gerechtigkeit.
## „Das Regime kann den Aufbruch nicht völlig kontrollieren“
Trotzdem scheint das Gros der Bevölkerung hinter der Regierungspolitik zu
stehen. Warum ist der Druck für politische Reformen nicht größer?
Die Zahl derer, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen, wächst.
Diesen Aufbruch kann das Regime nicht vollständig kontrollieren. Auf der
Graswurzelebene gibt es sehr viele Diskussionen über politische Reformen.
Aber für ausländische Medien ist es sehr schwer, hierzu einen Zugang zu
bekommen. Und innerhalb Chinas können die zensierten und kontrollierten
Medien natürlich nicht darüber berichten. Und im Internet lassen die
Zensoren schnell Beiträge löschen.
Haben Sie ein Beispiel?
Es gab kürzlich in der Provinz Jiangsu einen Tornado. Die Lokalregierung
richtete eine Webseite ein, auf der für Opfer gespendet werden konnte. Doch
schnell war die Webseite voll Kritik an der Regierung. Der Tenor: Wie
könnte man das Volk um Spenden bitten, wo die Regierung so viel Geld
verplempert und die KP so wohlhabend ist? Schon nach zwei Stunden musste
die Webseite vom Netz genommen werden. Ein starker Kontrast zum Beben in
Sichuan 2008, als die Bevölkerung noch großzügig spendete.
Sie und viele andere Regimekritiker haben China in Richtung USA verlassen
müssen. Dort sind viele von ihnen bedeutungslos geworden. War es ein
geschickter Schachzug der Regierung, Sie und andere gehen zu lassen?
Die Regierung hatte keine andere Wahl, als mich gehen zu lassen. Vor
zwanzig Jahren war der Informationsaustausch mit dem Ausland viel
schwieriger und da war es vielleicht noch geschickt, Kritiker ins Ausland
abzuschieben. Aber im heutigen Internetzeitalter ist es anders. Ob ich in
Washington, New York oder Berlin bin, ich kann mit den Menschen in China so
kommunizieren, als wäre ich dort. Ich kann von außerhalb Chinas sogar
freier kommunizieren. Es geht eher darum, ob man wirklich glaubt, weniger
Einfluss zu haben, wenn man nicht mehr in China ist. Sitzt man dem auf, hat
man wirklich weniger Einfluss. Ich glaube das nicht.
16 Sep 2016
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
China
Menschenrechte
Ein-Kind-Politik
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Menschenrechte
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