# taz.de -- Chinesischer Bürgerrechtler Chen: In die „Sicherheit“ entlassen | |
> Der chinesische Bürgerrechtler Chen harrte sechs Tage in der US-Botschaft | |
> aus. Nun ist er wieder bei seiner Familie – nachdem diese von Behörden | |
> bedroht wurde. | |
Bild: Bedrohte Familie: Chen Guangchen mit Frau und Kind (Archivfoto). | |
PEKING taz | Kurz nach der Ankunft von US-Außenministerin Hillary Clinton | |
in China verließ Chen Guangcheng – derzeit bekanntester Bürgerrechtler | |
Chinas – am Mittwoch die amerikanische Botschaft in Peking, in der er sechs | |
Tage lang Unterschlupf gefunden hatte: Botschafter Gary Locke persönlich | |
soll den 40-Jährigen in ein Krankenhaus der chinesischen Hauptstadt | |
begleitet haben. | |
Unklar blieb zunächst, ob der Dissident die amerikanische Vertretung aus | |
freien Stücken verließ: Gegenüber der Nachrichtenagentur AP sagte Chen am | |
Abend (Ortszeit), chinesische Behördenvertreter hätten seine Familie für | |
den Fall bedroht, dass er in der Botschaft bleiben wollte. | |
Clinton war extra zwölf Stunden früher als vorgesehen in Peking gelandet, | |
um sich für den blinden Aktivisten einzusetzen. Am Donnerstag beginnen die | |
4. jährlichen Regierungsgespräche zwischen China und den USA über | |
Wirtschafts- und Sicherheitsfragen. Die Flucht Chens in die US-Botschaft | |
drohte diese Gespräche zu überschatten. | |
Chen Guangcheng gilt als eine der Schlüsselfiguren der chinesischen | |
Bürgerrechtsbewegung. Der Barfußanwalt wurde über die Grenzen des Landes | |
bekannt, als er sich gegen Zwangsabtreibung im Zuge der chinesischen | |
Ein-Kind-Politik einsetzte. Immer wieder gelang es ihm, die Willkür der | |
Behörden anzuprangern, die ihn zuletzt in seiner Provinz Schandong im | |
Hausarrest festhielten. Am 22. April gelang ihm die Flucht. Unterstützer | |
brachten ihn in die US-Botschaft in Peking. | |
## „Menschlicher Umgang“ | |
Ein Mitarbeiter der US-Botschaft betonte am Mittwoch, dass es dem Wunsch | |
des blinden Bürgerrechtlers entspricht, mit seiner Familie in China bleiben | |
zu können. Chen ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Volksrepublik habe | |
versprochen, mit dem Regierungskritiker „menschlich umzugehen“, sagte der | |
US-Beamte. Er wiederum versicherte, dass die USA den Fall Chen weiter im | |
Blick haben und prüfen werde, dass die chinesische Führung sich an die | |
Zusagen hält. | |
Offiziell zeigte sich die chinesische Führung verärgert über die USA. Der | |
Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Liu Weimin, wetterte, die | |
US-Botschaft in Peking habe „keine normalen Mittel“ angewandt, als sie den | |
chinesischen Bürger Chen Guangcheng aufnahm. | |
Dieses Vorgehen bedeute „eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ | |
und sei „inakzeptabel“. Er forderte von den USA eine Entschuldigung, | |
eingehende Ermittlungen, Strafmaßnahmen für die Verantwortlichen und eine | |
Garantie, dass sich eine solche Angelegenheit nicht wiederholt. Ein | |
US-Diplomat antwortete: „Das war ein außerordentlicher Fall mit | |
außergewöhnlichen Umständen.“ | |
Fast eine Woche lang hatten die US-Diplomaten nicht zugegeben, dass sich | |
Chen Guangcheng bei ihnen befindet. Die chinesischsprachige Presse | |
berichtete zunächst nicht über den Fall. Im Krankenhaus wurde Chen nun mit | |
seiner Familie zusammengebracht. Auch für ihre Sicherheit sei gesorgt, | |
versprach Clinton. | |
2 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
## TAGS | |
China | |
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