# taz.de -- Fall Chen belastet US-chinesische Beziehung: Besuch mit reichlich R… | |
> US-Außenministerin Hillary Clinton und Finanzminister Timothy Geithner | |
> haben bei ihrem Besuch in Peking Konflikte zu klären. Die Beziehung der | |
> beiden Großmächte ist belastet. | |
Bild: Der blinde Aktivist Chen Guangcheng Ende April an einem geheimen Ort in P… | |
PEKING taz | US-Außenministerin Hillary Clinton und Finanzminister Timothy | |
Geithner wollten bei ihrem Besuch am Donnerstag in Peking mit ihren | |
chinesischen Amtskollegen eigentlich ausschließlich über Wirtschaftsfragen | |
diskutieren. Da gibt es genug Streit: Die Strafzölle auf chinesische | |
Solarzellen in den USA etwa, die von chinesischer Seite erhobene | |
Exportquote auf der in aller Welt so gefragten Metalle der seltenen Erden | |
und das weiterhin enorme Ungleichgewicht in der Handelsbilanz zwischen | |
beiden Ländern. Nun werden diese „strategischen Gespräche“ zusätzlich von | |
der Flucht des blinden Bürgerrechtlers Chen Guangcheng aus seinem | |
Hausarrest belastet. | |
Seit vergangenem Freitag ist bekannt, dass der prominente Anwalt bereits am | |
22. April seinen Bewachern entkommen konnte. Menschenrechtsgruppen in den | |
USA berichten, der 40-Jährige sei mehrere Stunden allein durch die Straßen | |
geirrt, bevor er sich bei einer Unterstützerin meldete und sie ihn nach | |
Peking an eine „sichere Stelle“ bringen ließ. | |
„Wir haben uns etwa eine Stunde lang unterhalten und dann entschieden, dass | |
Guangcheng den Ort aufsuchen sollte, der in China am sichersten“, sagte der | |
in Peking lebende Dissident Hu Jia. Und das sei die US-Botschaft. Auch die | |
chinesische Staatssicherheit vermutet Chen an diesem Ort. Washington wollte | |
das bislang nicht bestätigen. Aber dass sie seinen Aufenthalt nicht | |
dementiert, wird von allen Seiten als Eingeständnis interpretiert. | |
## Gegenseitige Vorwürfe | |
Das Treffen Clintons und Geithners mit ihren chinesischen Counterparts soll | |
am Donnerstag und Freitag im Rahmen von jährlichen Konsultationen der | |
beiden Regierungen stattfinden und eigentlich gegenseitigen Wirtschafts- | |
und Sicherheitsberatungen dienen. Vor allem wegen der enormen | |
Handelsungleichgewichte verliefen sie schon in den vergangenen Jahren nicht | |
besonders harmonisch. Die USA werfen China vor, es würde seine Währung | |
unterbewerten und sich damit auf Kosten der USA in Form von Exportvorteilen | |
bereichern. | |
Die chinesische Regierung widerspricht. Sie hält viele Teile der | |
US-Industrie nicht mehr für wettbewerbsfähig. Zudem würde die | |
US-amerikanische Notenbank derzeit die Welt mit Dollarnoten überschwemmen | |
und damit ihrerseits für einen niedrigen Dollar sorgen – was wiederum für | |
Inflation in China sorgt. Wichtige Rohstoffe wie Öl werden weltweit in der | |
US-Währung gehandelt. Ein niedriger Dollar lässt die Preise dieser | |
Rohstoffe steigen. | |
## Territoriale Konflikte im Meer | |
Aber auch was Sicherheitsfragen betrifft, kriselt es zwischen China und den | |
USA derzeit heftig. Peking wirft den USA vor, mit Unterstützung von Japan, | |
Südkorea, Taiwan, den Philippinen und Vietnam China militärisch umzingeln | |
und damit China als Seemacht schwächen zu wollen. Erst vergangene Woche | |
haben US-Marines sowohl mit Vietnam als auch mit den Philippinen gemeinsame | |
Militärübungen abgehalten. | |
Im südchinesischen Meer und auch im Gelben Meer östlich von China kommt es | |
immer wieder zu territorialen Konflikten. Die südkoreanische Küstenwache | |
hat erst am Dienstag neun chinesische Seeleute wegen des Verdachts der | |
illegalen Fischerei festgenommen. China verdächtigt die USA, ihre Finger | |
bei diesen Streitereien im Spiel zu haben. | |
Was die Stimmung zwischen den USA und China zusätzlich trübt: Die | |
US-Regierung erwägt Kampfflugzeuge an Taiwan zu verkaufen. Peking | |
betrachtet die vorgelagerte Insel als abtrünnig. Faktisch wird Taiwan aber | |
nicht zuletzt aufgrund militärischen Beistands der USA seit über 60 Jahren | |
unabhängig regiert. | |
So sehr es in den US-chinesischen Beziehungen an allen Ecken und Enden | |
brennt – zugleich sind die USA derzeit mehr denn je auf die Unterstützung | |
Chinas angewiesen. Um zu verhindern, dass Iran und Nordkorea ihre | |
Atomprogramme fortsetzen, aber auch, um den Druck auf das Regime im | |
syrischen Bürgerkrieg zu erhöhen, sind die USA um Chinas Zustimmung im | |
UN-Sicherheitsrat bemüht. | |
Angesichts der langen Liste an Streitpunkten sehen chinesische | |
Menschenrechtsaktivisten in der Flucht des Bürgerrechtlers Chen vergangene | |
Wochen denn auch einen günstig gewählten Zeitpunkt. Sie gehen davon aus, | |
dass sich die chinesische Regierung noch vor Beginn der offiziellen | |
Gespräche mit den USA einigen wird. Eine Einigung über ein mögliches Asyl | |
werde noch vor Donnerstag erzielt, ist sich Bob Fu von der in den USA | |
ansässigen Gruppe ChinaAid sicher. In chinesischen Mikroblogs gibt es sogar | |
das Gerücht, um die Gespräche nicht zusätzlich zu belasten, habe Peking | |
Chen bereits längst aus China ausfliegen lassen. | |
1 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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