# taz.de -- Blinder Bürgerrechtler darf ausreisen: Chen ist in Freiheit | |
> Nach langem diplomatischen Gezerre ist der chinesische Bürgerrechtler | |
> Chen Guangcheng nun mit Frau und Kindern in den USA. Sein Neffe schwebt | |
> weiter in Gefahr. | |
Bild: Ende gut, noch lang nicht alles gut: Chen Guangcheng. | |
PEKING taz | Dass er mit seiner Familie ausfliegen könnte, hatte sich | |
bereits abgezeichnet. Der Zeitpunkt kam dann aber doch überraschend. Am | |
Samstag Nachmittag gab die chinesische Regierung dem blinden Bürgerrechtler | |
Chen Guangcheng grünes Licht für seine Ausreise in die USA. | |
Gegen 18 Uhr Pekinger Zeit bestieg er mit seiner Frau und seinen zwei | |
kleinen Kindern eine Maschine von United Airways, die ihn nach Newark bei | |
New York bringt. Dort will ihm die USA ein Jura-Studium ermöglichen. | |
Noch am Morgen, als seine Unterstützerin He Peirong mit ihm telefonierte, | |
wusste er noch nichts von seiner bevorstehenden Ausreise. Wenig später | |
meldete er sich bei mehreren westlichen Journalisten, dass er sich mit | |
seiner Familie bereits am internationalen Flughafen in Peking befinde, | |
ansonsten aber über keine Informationen verfüge. | |
"Ich habe keinen Pass und weiß nicht, wann ich ausfliege", sagte Chen. Noch | |
mal kurze Zeit später bestätigte er seinem Freund Jiang Tianyong, dass die | |
chinesischen Behörden ihm seine Papiere ausgehändigt haben. | |
## Dreiwöchiges diplomatisches Drama | |
Am Abend kam dann auch die Erklärung der US-Regierung: "Wir können | |
bestätigen, dass Chen Guangcheng, seine Frau und seine beiden Kinder China | |
verlassen haben und auf dem Weg in die USA sind", teilte die Sprecherin des | |
Außenministeriums, Victoria Nuland, mit. Zugleich bedankte sie sich, wie | |
der Fall von chinesischer Seite zuletzt gelöst wurde. | |
Damit findet das dreiwöchige diplomatische Drama zwischen den USA und der | |
Volksrepublik ein vorläufiges Ende. Chen war am 22. April seinen Bewachern | |
in seiner Heimatprovinz aus dem Hausarrest entkommen, die ihn nach einer | |
bereits verbüßten vierjährigen Haftstrafe seit September 2010 ohne | |
rechtliche Grundlage in seinem Haus festhielten. Mithilfe der | |
Netzaktivistin He Peirong gelang ihm die Flucht nach Peking in die | |
US-Botschaft. | |
US-Außenministerin Hillary Clinton, die ohnehin für ein Besuch in der | |
chinesischen Hauptstadt war, setzte sich persönlich dafür ein, dass seine | |
Sicherheit gewahrt wurde. Doch nachdem Chen die Botschaft verlassen hatte, | |
bekam er es doch mit der Angst vor den chinesischen Behörden zu tun und bat | |
um Ausreise in die USA. Erst nach einigem Gezerre willigte Chinas Regierung | |
schließlich ein. | |
## Debatte in China | |
Chen Guangcheng ist in China ein bekannter Aktivist und hatte sich viele | |
Jahre lang für die Opfer von Zwangsabtreibungen im Zuge der chinesischen | |
Ein-Kind-Politik und Landenteignungen eingesetzt. Vor allem den | |
Lokalbehörden in seiner Heimatprovinz war er ein Dorn im Auge, die ihn | |
zunächst wegen Unruhestiftung zu vier Jahren verklagen ließen und ihn und | |
seine Familie auch nach seiner Haft drangsalierten. | |
Trotz mäßiger Berichterstattung in den staatlichen Medien hat Chens Flucht | |
vor allem im Internet eine Debatte über skrupellose Behördenwillkür in | |
China ausgelöst. Die Zentralregierung reagierte auf den Druck und versprach | |
Untersuchungen, wie es zu diesem illegalen Hausarrest kommen konnte. | |
Für Chen ist der Fall noch nicht komplett ausgestanden. Sein Bruder, vor | |
allem aber sein Neffe Chen Kegui, sind weiterhin der Willkür der lokalen | |
Kader ausgesetzt. Wenige Tage nach der Flucht des blinden Bürgerrechtlers | |
hatten zwei Dutzend Beamte das Haus des Bruders gestürmt. Als der Neffe aus | |
Notwehr die Beamten mit einem Messer attackierte kam es zu Rangeleien. Er | |
sitzt nun in Haft und soll wegen versuchten Mordes verklagt werden. | |
Für ein solches Delikt droht in China die Todesstrafe. Die | |
Menschenrechtsorganisation ChinaAid forderte die US-Regierung auf, sich | |
auch für den Neffen einzusetzen. | |
20 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
## TAGS | |
China | |
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