# taz.de -- China weist Korrespondentin aus: Angst vor dem Frühling | |
> Erstmals seit 14 Jahren weist die chinesische Regierung eine | |
> Korrespondentin aus. Der Druck auf ausländische Journalisten im Land | |
> verstärkt sich generell. | |
Bild: Soll ein nicht näher benanntes Gesetz gebrochen haben: Melissa Chan. | |
Chinesische Behörden schreiben inländischen Journalisten schon seit jeher | |
vor, worüber sie berichten dürfen und worüber nicht. Mit einer | |
entsprechenden Arbeitserlaubnis hatten Journalisten aus dem Ausland | |
hingegen weitgehend freie Hand. Doch seit etwas mehr als einem Jahr | |
scheinen die Behörden den Druck auch auf die ausländischen Korrespondenten | |
zu erhöhen. Nun hat das zuständige Ministerium erstmals seit 14 Jahren eine | |
Korrespondentin komplett des Landes verwiesen. | |
Wie der Club der ausländischen Korrespondenten (FCCC) in Peking berichtet, | |
musste die langjährige Journalistin des arabischen Fernsehsenders | |
al-Dschasira, Melissa Chan, am Montag das Land verlassen. Fünf Monate hatte | |
sie auf eine Verlängerung ihres Journalistenvisums gehofft, doch die | |
chinesischen Behörden verweigerten ihr dies. | |
Der aus der USA stammenden Journalistin wird angelastet, dass das | |
englischsprachige Programm von al-Dschasira im November eine 25-minütige | |
Dokumentation über moderne Sklaverei ausgestrahlt hatte und über Chinas | |
rund fünf Millionen Zwangsarbeiter berichtete, die in Straflagern unter | |
anderem Konsumartikel für den Export herstellen. Chan hatte an diesem | |
Beitrag gar nicht mitgewirkt. | |
Der FCCC zeigte sich „entsetzt“ über die Entscheidung der chinesischen | |
Behörden und warf ihnen vor, die Verweigerung des Visums dazu zu nutzen, | |
ausländische Journalisten in China einzuschüchtern und ihre | |
Berichterstattung zu zensieren. Die Sprecherin des chinesischen | |
Außenministeriums Hong Lei sagte dazu nur: Auch ausländische Journalisten | |
hätten sich an „wesentliche Gesetze“ zu halten. Welches Gesetz Chan genau | |
gebrochen haben soll – darauf antwortete sie nicht. | |
## Büro geschlossen | |
Im Zuge der Olympischen Spiele 2008 hatte die chinesische Führung allen | |
ausländischen Journalisten eigentlich weitgehende Recherchefreiheit | |
versprochen. Doch als in Anlehnung an den Arabischen Frühling Anfang des | |
vergangenen Jahres auch in China Aufrufe zu Protesten kursierten und | |
Korrespondenten an den vorgesehenen Treffpunkten darüber berichten wollten, | |
nahmen Sicherheitskräfte sie fest und drohten mit dem Entzug des Visums. | |
Und auch als am Freitag eine Reihe von ausländischen Journalisten über den | |
blinden Bürgerrechtler Chen Guangcheng berichten wollten, drohten die | |
Behörden mit der Aberkennung der Arbeitserlaubnis. | |
Die internationale Organisation zum Schutz von Journalisten (CPJ) mit Sitz | |
in New York sieht denn auch eine allgemeine Verschlechterung der | |
Arbeitsbedingungen ausländischer Medien in China. Die Verweigerung, die | |
Akkreditierung von Melissa Chan zu erneuern, sende die Botschaft aus, „dass | |
internationale Berichterstattung nicht erwünscht ist“, kritisierte der für | |
Asien zuständige CPJ-Koordinator Bob Dietz. | |
Al-Dschasira teilte mit, dass ihm zunächst keine andere Wahl bleibt, als | |
sein englischsprachiges Büro in Peking zu schließen. Auf Arabisch werde der | |
Sender aber weiter aus China berichten. | |
9 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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