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# taz.de -- Chen Guangcheng: Wahlkampf mit blindem Bürgerrechtler
> Chen Guangcheng ist in den USA zum Wahlkampfthema geworden. Die
> China-Kommission des Kongresses kümmert sich um den Fall. China stellt
> eine Ausreise in Aussicht.
Bild: In Hongkong warnten Aktivisten mit Chen-Plakaten, da er sich in einer „…
WASHINGTON taz | Der chinesische Bürgerrechtler Chen Guangcheng, der in den
USA bis vor wenigen Tagen ein weitgehend Unbekannter war, ist in Washington
ein Top-Thema geworden: Cheng ist am Donnerstag – per Telefon – in ein
Hearing der China-Kommission im US-Kongress geschaltet worden.
Dass er dort um Hilfe gebeten hat, macht am heutigen Freitag Schlagzeilen
in den großen US-Medien und wird von dem mutmaßlichen republikanischen
Präsidenschaftskandidaten Mitt Romney bereits für Wahlkampfzwecke benutzt.
Hingegen ist das jährliche Wirtschafts-Treffen, zu dem Aussenministerin
Hillary Clinton und Finanzminister Tim Geithner in dieser Woche nach Peking
gereist sind, in den USA völlig in den Hintergrund gerückt. „Ein schwarzer
Tag für die Freiheit und eine Schande für die Obama-Regierung“, sagte
Romney am Donnerstag. Zuvor hatte er erfahren, dass Chen, der in die
US-Botschaft in Peking geflüchtet und von dort sechs Tage später in ein
Krankenhaus in Peking begleitet worden war, sich erneut unter Bewachung
chinesischer Sicherheitskräfte befindet.
Romneys Kommentar mag ein Manöver gewesen sein, um von einem Skandal in
seinen eigenen Reihen abzulenken: Sein aussenpolitischer Berater Richard
Grenell hatte wenige Stunden zuvor das Handtuch geworfen, weil er massiv
von rechten Republikanern wegen seiner Homosexualität angefeindet wurde.
Doch Romneys Kommentar zeigt zugleich, wie leidenschaftlich die
Chen-Affaire in den USA diskutiert wird.
## Unterstützung aus der US-„Pro-Life“-Anti-Abtreibungsbewegung
Im Repräsentantenhaus kümmert sich der Republikaner Chris Smith um den Fall
des chinesischen Bürgerrechtlers. Der Abgeordnete Smith aus New Jersey ist
ein Fürsprecher der „Pro-Life-Bewegung“ in den USA und engagiert sich gegen
die Ein-Kind-Politik in China. Der Dissident Chen hat in China gegen
Zwangs-Abtreibungen gekämpft. Am Donnerstag organisierte der Abgeordente
Smith ein „Notfall-Hearing“ der China-Kommission des Kongresses (CECC) zu
den „jüngsten Entwicklungen im Fall Chen Guangcheng“.
Die CECC kümmert sich um Menschenrechte in China. Bei dem Hearing
telefonierte Smith mit Chen in dem Krankenhaus in Peking. Neben dem
Abgeordneten in Washington saß der Exilchinese Bob Fu, der in Texas die
Gruppe „ChinaAid“ gegründet hat und nach eigenem Bekunden in „regelmäß…
Kontakt“ mit Chen steht. Bob Fu übersetzte.
## Sieben Jahre zwischen Knast und Hausarrest
Entgegen früheren Bekundungen, möchte Chen nun doch in die USA reisen.
Chen: „für einige Zeit, um zur Ruhe zu kommen“. Der Bürgerrechtler hat die
vergangenen sieben Jahre zwischen Gefängnissen und Hausarrest verbracht. Am
Telefon mit dem Kongress berichtete er, dass die chinesischen Behörden seit
seiner Flucht aus seinem Dorf nach Peking sieben Video-Kameras in seinem
Haus und einen elektrischen Zaun rund herum installiert hätten und seiner
Frau mit Gewalt gedroht hätten. Er sagte auch, dass er sich nun Sorgen um
sämtliche Dorfbewohner mache, die ihm bei der Flucht geholfen hätten.
Zur Begründung seines Meinungswechsels sagte Chen, dass er von den
Drohungen gegen seine Familie nichts erfahren habe, während er in der
US-Botschaft in Peking war. Und dass er nun dringend mit der
US-Aussenministerin sprechen wolle.
Darüber, weshalb Chen den sicheren Boden der US-Botschaft, auf dem er Asyl
hätte beantragen können, am Mittwoch überhaupt für eine medizinische
Behandlung verlassen hat, gibt es unterschiedliche Versionen. Chens
republikanische Unterstützer in den USA legen nahe, dass er mit unrichtigen
Zusagen von US-Diplomaten aus der Botschaft herausgegangen sei. Sie hätten
ihm zugesichert, sie hätten die chinesische Zusage, er könne mit seiner
Familie an einem sicheren Ort in China leben.
## Von einem Asylantrag hat Chen in der Botschaft nicht gesprochen
Der US-Botschafter in Peking, Gary Locke, ein Kind chinesischer Einwanderer
in den USA, hat Chen während seinem Exil in der Botschaft und auf dem Weg
ins Krankenhaus begleitet. Botschafter Locke bestreitet, dass es
US-amerikanischen Druck auf den Dissidenten gegeben habe. „Wir haben
beinahe unmögliche Dinge getan, um Chen in die Botschaft zu bringen,
nachdem wir erfahren haben, dass er in Peking war“, sagt der Botschafter.
Aber Chen habe mit keinem Wort von einem Asylantrag gesprochen und habe in
seinem im Internet veröffentlichten Video ganz ausdrücklich erklärt, dass
er „in China bleiben und für die Freiheit kämpfen wolle“.
Mit den Telefonaten aus dem überwachten Krankenhaus in Peking hat der
blinde Dissident die US-Chinadiplomatie in die Bredouille gebracht. Am
Donnerstag musste sich auch das Weisse-Haus zu dem Dissidenten äussern.
Sprecher Jay Carney versicherte, die bilateralen Beziehungen würden keinen
Schaden nehmen: „wir reden weiter. Wir haben eine breite und tiefe
Beziehung mit China“.
Aussenministerin Clinton erwähnte Chen bei einer Pressekonferenz nach ihrem
Treffen mit Chinas Präsident Hui Jintao zwar nicht namentlich. Doch sie
sprach von dem „in jeder Nation nötigen Respekt für Menschenrechte und
Freiheiten“. Botschafter Locke sagt, dass er nun erneut versuchen werde,
Chen und seine Familie zu treffen.
4 May 2012
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
China
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verlassen hat.
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