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# taz.de -- Die Wahrheit: Behelfslösungen
> Wer schon mal unter dem Tisch liegend mobil telefoniert hat, weiß, was es
> heißt, hochgradig verloren in der Welt der Technik zu sein.
Wenn man jung ist, muss man sich jeden Tag aufs Neue fragen, wer wohl
gerade in einen verliebt ist (meistens niemand, sorry). Wenn man alt wird,
ist man schon zufrieden, wenn einen keiner hasst und wenn Behelfslösungen,
neudeutsch auch Workarounds, klappen.
Softwarefehler beheben wir in meinem Büro in der Regel mit
unkonventionellen Aktionen. Ich erinnere mich an ein mehrfach auftretendes
Komplett-Verstummen der Computer, das nur zu beseitigen war, wenn man
YouTube-Videos abspielte und dabei mindestens zehn Sekunden wie Lang Lang
auf dem Keyboard herumhämmerte. Dadurch kam der Sound zurück, aber ich habe
die Maschinen auch kichern hören.
Bei den immer häufigeren Ausfällen des WLAN reichte es irgendwann nicht
mehr, den Computer neu zu starten, auch der Router musste vom Netz. Wenn
wir drucken wollten, mussten nacheinander Computer, Router und Drucker eine
Offline/Offstrom-Ehrenrunde drehen und am Ende der Computer nochmal.
Alle Geräte stehen in verschiedenen Räumen, sodass in Wahrheit nicht die
Geräte die Ehrenrunde drehten, sondern ich. Ja, es ist was Persönliches.
Obwohl anderer Leute Mobiltelefone sehr wohl in der Küche WLAN-Anschluss
finden, muss ich mich in der Garderobe auf den Boden hocken, damit mein
Handy die funkende Zicke aufspüren kann.
Ich habe auch schon unter dem Tisch liegend telefoniert, falls man das so
nennen kann, wenn man immerzu brüllt: „Ich habe keinen Empfang! Nimm das
Festnetz!“ Woraufhin der Anrufer zurückbrüllt, dass unser Festnetz nur
Störungsmeldungen von sich gebe. Woraufhin man die Telekom kontaktiert, die
empfiehlt, haha, die Basis zu rebooten. Woraufhin sich ein Mobilteil auf
ewig verabschiedet und auf keinerlei Tastendruck mehr zu irgendeiner Aktion
zu bewegen ist.
Dafür habe ich einen sehr guten Workaround gefunden: Ich fahre in die
Kreisstadt, kaufe für 50 Euro ein neues Mobilteil, richte es am nächsten
Tag unter Schwitzen und Fluchen ein, was es von selbst tun sollte, aber
jetzt, da es mir gehört, natürlich verweigert. Daraufhin gibt das alte, für
alle Zeiten kaputte Mobilteil nach 24 Stunden Totalausfall mal eben den
Jesus und hüpft vom Elektroschrott zurück ins Leben.
Ich bin inzwischen sicher, dass eine Menge Maschinen mich hassen.
Neuerdings muss ich mein Auto neu starten, um ihm die Fehlermeldungen
auszutreiben. „Bremsassistent defekt“, das liest man nicht gern. Stimmt ja
gar nicht! In Wahrheit ist nur der Parksensor kaputt. Mag ich auch nicht,
lässt sich aber leider bisher auch mit zwanzigfachem An- und Ausschalten
nicht ändern.
Die Idee, das piepende Helferlein durch ungebremstes Ansteuern eines
Laternenpfahls wiederzubeleben, habe ich schließlich doch nicht umgesetzt
und lieber mein Hirn rebootet. Wahrscheinlich wäre hinterher auch der
Bremsassistent kaputt, und er verlangt dann YouTube-Videos, zu deren
Rhythmen ich mich auf dem Asphalt herumwälzen muss.
14 Sep 2016
## AUTOREN
Susanne Fischer
## TAGS
Wlan
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