| # taz.de -- Die Wahrheit: Juli Zeh und der dunkle Plan W | |
| > Die „Süddeutsche Zeitung“ hat eine neue Frauenbeilage. Darin darf eine | |
| > deutsche Intellektuelle Kochrezepte übern Jägerzaun austauschen. | |
| Frau sein geht an sich in Ordnung, aber man kann es auch übertreiben. Die | |
| im Allgemeinen von mir geschätzte Süddeutsche Zeitung nervt sowieso schon | |
| mit ihrem Freitags-Magazin – Luxuskäse bescheuert fotografiert, teurer | |
| Schmuck wächst aus seltsamen Pflanzen und so. Wahrscheinlich klopfen sich | |
| die Artdirektoren den ganzen Tag gegenseitig auf die Schulter für ihre | |
| tollen Ideen und rufen sich zu: „Haha! Frau Fischer merkt es wieder nicht, | |
| wie wir ihr hier Productplacement voll künstlerisch unterjubeln!“ Tut sie | |
| aber doch. | |
| Ein Rätsel bleibt die Frauenbeilage „Plan W“, die noch nicht einmal | |
| Anzeigen gezogen hat, was vermutlich der Plan A der Blattmacherinnen war. | |
| Es gehen halt nicht alle Pläne auf. Schon das Titel-Interview mit Zaha | |
| Hadid platzte, weil die Architektin vorher verstarb, wahrscheinlich aus | |
| Angst vor „Plan W“. „Eine Tote auf dem Titel? Geht natürlich gar nicht!�… | |
| frohlockt Redaktionsleiterin Alexandra Borchardt in der Zeitung. Der Posten | |
| des Geschmacksberaters in der Redaktion ist offensichtlich vakant. Statt | |
| Zaha Hadid gewann man Juli Zeh – „ein gutes Ende also, wenngleich nicht für | |
| Hadid“, schwadroniert Borchardt weiter im verzweifelten Bemühen, irgendwie | |
| flott zu wirken. Oder darüber hinwegzutäuschen, dass sie beim Schreiben | |
| schon zwei Maß intus hatte. | |
| Juli Zeh ist keine Architektin, wofür sie nichts kann. Immerhin ist sie | |
| aber von der Stadt aufs Land gezogen, was neuerdings schon ein | |
| Interview-Anlass sein kann. An der Stadt missfällt Zeh, dass sie selbst | |
| dort „dem Blick der Öffentlichkeit ausgesetzt“ sei und sofort „ihre Mein… | |
| als Intellektuelle zu Europa“ und einigen weiteren Themen abgefragt werde, | |
| während man sich in ihrem Dorf exotischerweise nicht dafür interessiere, | |
| was sie über die AfD denke, sondern mehr dafür, was ihre Kinder essen und | |
| wann sie so aufsteht. Frau Zeh möchte sich also gern am Jägerzaun über | |
| Kochrezepte unterhalten. Das ist ihr gutes Recht. Dennoch würde ich ihr | |
| empfehlen, wie die große Fanny Müller einfach zu rufen: „Lasst mich doch | |
| mit dem Scheiß in Ruhe!“, wenn ihr die Fragen nicht passen, statt in der | |
| Zeitung damit herumzukokettieren, wie lästig es sei, als Intellektuelle | |
| Kopf und Mundwerk benutzen zu müssen. | |
| Auch kann ich hier versichern, dass sie meinem Blick überhaupt nicht | |
| ausgesetzt ist, was sie vielleicht entlastet. Ich würde Juli Zeh noch nicht | |
| mal erkennen, außer in einer Juli-Zeh-Lesung, oder vielleicht doch mal in | |
| Berlin auf der Straße, aber nur, falls sie sich ein Schild umhängen würde, | |
| auf dem steht: „Ich bin Juli Zeh, bitte fragen Sie mich nicht nach meiner | |
| Meinung.“ | |
| Das könnte durchaus passieren, denn ihr angebliches Berliner Lieblingscafé | |
| schätze ich auch. Und die grässliche Wahrheit über das Landleben lautet, | |
| dass in der Provinz solche Cafés nicht nur schließen, sondern noch nicht | |
| mal aufgemacht haben. Und dass sich außerdem niemand der dort versammelten | |
| selbstzufriedenen Jägerzauninhaber für Politik interessiert oder für | |
| irgendeine Meinung außer der eigenen. | |
| 8 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Fischer | |
| ## TAGS | |
| Juli Zeh | |
| Frauen | |
| Wlan | |
| Hannover | |
| Stadt | |
| Rock'n'Roll | |
| Arbeitsplätze | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Wahrheit: Behelfslösungen | |
| Wer schon mal unter dem Tisch liegend mobil telefoniert hat, weiß, was es | |
| heißt, hochgradig verloren in der Welt der Technik zu sein. | |
| Die Wahrheit: Kaffeeklatsch mit Super-Promi | |
| Neues von Carsten Maschmeyer und Veronica Ferres: Es ist möglich, frech und | |
| wild, reich und glücklich wie das Hannoveraner Traumpaar zu werden. | |
| Die Wahrheit: Stadtschnepfen-Blues | |
| Großstadtpflanze besucht das Land, heißt ein Genre im Journalismus. Für | |
| solche Sinn suchenden Reporter sollte man Themenparks errichten. | |
| Die Wahrheit: Finde deinen inneren VW-Bus | |
| Es muss da draußen ein anderes Leben geben als das langweilige | |
| Bürger-und-Büro-Dasein. Aber wo bloß findet es statt? | |
| Die Wahrheit: Rotz und Trotz am Arbeitsplatz | |
| Wochenendmenschen betreiben immensen Aufwand, um den weitaus größeren Teil | |
| ihres Lebens zu ignorieren. Außerdem hören sie Gutelauneradio. | |
| Die Wahrheit: CDU gefällt auch du | |
| Gottseidank ist Angela Merkel in ihrer Partei von unwählbaren Nasen | |
| umgeben, deren Verständnis von deutscher Kultur auf Schweinefleischverzehr | |
| gründet. |