| # taz.de -- Die Wahrheit: CDU gefällt auch du | |
| > Gottseidank ist Angela Merkel in ihrer Partei von unwählbaren Nasen | |
| > umgeben, deren Verständnis von deutscher Kultur auf | |
| > Schweinefleischverzehr gründet. | |
| Neuerdings bin ich einigen CDU-Politikern dankbar. Sie sind die Letzten, | |
| die mich noch davon abhalten, Angela Merkel zu wählen. Ich habe in meinem | |
| Leben nie CDU gewählt, aber ich würde jetzt beinahe damit anfangen wollen, | |
| weil ich finde, dass die Kanzlerin für ihre Unbeirrtheit jede Unterstützung | |
| verdient hat. „Würde anfangen wollen“ – wenn das die Syrer aus unserem | |
| Deutschtreff hören würden … | |
| Einige lernen sehr schnell, auch wenn sie sagen, Deutsch sei schwierig. | |
| Würde ich auch sagen wollen. Sie lachen nur: Arabisch sei schwieriger. Und | |
| sie fragen, wann man „müsse“ sagen müsse und wann „muss“. Ich antwort… | |
| dass Deutsche diese Unterscheidung auch nicht beherrschen. | |
| Aber wir Eingeborenen müssen schließlich nicht zum Deutschtest für unseren | |
| Existenzberechtigungsnachweis. Sie fragen, wann man „Morgen“ groß schreibt | |
| und wann klein. Ich sage, dass Deutsche das spätestens seit der | |
| Rechtschreibreform vergessen haben, aber das Wort „Rechtschreibreform“ ist | |
| noch ein bisschen zu lang für sie. | |
| Ich ahne, dass einige Syrer in ein paar Jahren grammatikalisch korrektes | |
| Hochdeutsch sprechen werden, und zwar als Einzige in diesem Land. Wann | |
| heißt es „in diesem Land“ und wann „in diesem Lande“?, fragen sie. Dar… | |
| müsse ich nachdenken, antworte ich und tue das in der Küche, und zwar so | |
| lange, bis sie die Frage vergessen haben wollen würden. | |
| Zurück zur Kanzlerin: Aufhebung der Wehrpflicht, Ausstieg aus der | |
| Atomenergie, eine (wenn auch magere) Frauenquote und nun noch die | |
| Flüchtlinge. Man weiß gar nicht mehr, wo man nach Alternativen rufen soll. | |
| Meine Feindbildin ist futsch. Gottseidank ist sie in ihrer Partei von | |
| unwählbaren Nasen umgeben, deren Verständnis von deutscher Kultur sich auf | |
| anständig geregelten Schweinefleischverzehr gründet. | |
| Außerdem hat sie Seehofer im Gepäck, der begeistert den ganzen rechten | |
| Dreck zusammenkehrt, um ihn mitzunehmen. Da entwische ich als Wählerin | |
| soeben. Allerdings kommt die SPD für mich auch nicht infrage, seit ich | |
| Gabriel im Fernsehen sagen hörte, er komme gerade aus einer Veranstaltung | |
| mit „normalen Bürgern, keinen SPD-Parteimitgliedern“. | |
| Auf meinem Dorf funktioniert die neue Normalität übrigens bisher ganz gut. | |
| Bemeckert wird an den Neuen aus Syrien, dem Irak und Serbien hauptsächlich, | |
| dass sie die Mülltrennung noch nicht hinkriegen. Ich versuche mir | |
| vorzustellen, wie ich einem Bürgerkriegsopfer die Relevanz dieses Problems | |
| vermitteln soll. Trümmer rechts, Möbelschrott links, das macht ihr doch zu | |
| Hause bestimmt auch so? | |
| „Und außerdem radeln die immer ohne Licht“, klagt eine Frau in der | |
| Bürgerversammlung. Auf Fahrrädern, die die Einwohner willig gespendet und | |
| die Geflüchteten selbst repariert haben, wie ich gern hinzufüge. „Darf ich | |
| auch mal was sagen?“, brummelt da der dicke Otto. Aber ja, Otto, nur zu. | |
| „Ohne Licht? Wenn das man keiner von uns war. Das geht doch schon seit | |
| Jahren so.“ | |
| 9 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Fischer | |
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