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# taz.de -- Die Wahrheit: Finde deinen inneren VW-Bus
> Es muss da draußen ein anderes Leben geben als das langweilige
> Bürger-und-Büro-Dasein. Aber wo bloß findet es statt?
Immer wenn ich Urlaub habe, denke ich über Alternativen zu meinem
langweiligen Bürger-und-Büro-Leben nach. Sollte ich mir die Haare gelen und
Windsurfen lernen? Endlich in einem alten VW-Bus Europa bereisen, wie ich
das immer schon mal wollte, am besten, wie es derzeit Silbermond empfiehlt,
mit „leichtem Gepäck“? Also nur mit Haargel und einem Surfbrett
ausgestattet?
Eine Sache mag ich an dem Song: Dass bei der tragenden Zeile „Du nimmst
allen Ballast und wirfst ihn weg“ im offiziellen Musikvideo einmal
plötzlich die ganze Band verschwunden ist. Allerdings bleibt leider die
Sängerin übrig, von der ich auch 99 Prozent überhaupt gar nicht brauche.
Hübsch ist, dass sie hörbar Ausspracheschwierigkeiten bei dem wunderschön
altmodischen Wort „Ballast“ hat, das ziemlich oft im Stück vorkommt. Ich
vermute, es liegt daran, dass sie sich selbst heimlich doch eher ungern von
den Dingen trennen würde, die sie im Leben so angesammelt hat. Sozusagen
ein sprachlicher Heuchel-Stolperer.
O nein, ich mache mich nicht lustig, ich fühle tatsächlich mit ihr. Ich
habe einen Beruf, in dem ich sehr oft „Arno“ sagen muss, sogar in der
Öffentlichkeit. Als ich irgendwann ein halbes Jahr lang wegen
Zungen-Burnout nur noch „Anno“ stottern konnte, als sei ich mit einem
ekligen Dialekt behaftet, kam das erste Mal die Idee mit dem VW-Bus auf.
Ich hätte aber doch gern eine Waschmaschine, einen Koch und einen
Automechaniker dabei, für den Notfall. Das hat Silbermond bestimmt auch.
Wahrscheinlich müssen sich die armen Bandmitglieder immer dieselben
Gepäckwitze anhören, wenn sie jeder mit ihren sieben Koffern in den
gigantischen Tourbus steigen, der Schlafkojen, eine Küche, einen
Swimmingpool, eine Bar, einen Billardtisch und ein Tonstudio an Bord hat.
Ganz hinten im Gepäckfach liegt noch ein auffaltbarer VW-Bus, falls mal
einer der Musiker an Ballastverstopfung leidet. Dann darf er allein
hinterherfahren.
Rockstar ist eben auch kein leichtes Leben. Diesen Beruf hatte ich schon
vor langen Jahren von meiner kurzen Liste der Büro-Alternativen gestrichen.
Singen und Drogen nehmen gleichzeitig ist einfach zu viel für mich.
Da mein VW-Bus vorerst wegen Überfüllung nicht losfahren darf, suche ich
weiter nach angemessener Betätigung. Meine jüngste Geschäftsidee ist ein
Selbstfindungscamp auf einer Aussteigerinsel. Aber nicht Feng-Shui-Kochen,
den Silbermond ansingen oder Malen mit dem Hintern.
Man muss mit der Zeit gehen: Entdecke im Urlaub deinen inneren Nazi! Ich
habe meinen schon gefunden und helfe gern weiter. Das geht dann so: Sie da!
Hören Sie auf, im Museum zu schwatzen! Da kann man ja die Bilder nicht mehr
erkennen bei dem Lärm! Und Fahrradfahren ist auf der Promenade verboten,
Sie hirnloser Pedalist! Weil hier Fußgänger unterwegs sind! Wenn Sie nicht
sofort absteigen, bewerfe ich Sie mit meinem Ballast!
11 May 2016
## AUTOREN
Susanne Fischer
## TAGS
Rock'n'Roll
Hannover
Stadt
Juli Zeh
Arbeitsplätze
Schwerpunkt Angela Merkel
Aberglaube
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