# taz.de -- Die Wahrheit: Die Leitkultur der Meerschweinchen | |
> Der neue Werbespruch der CSU für die Bundestagswahl 2017 steht fest: | |
> „Christentum und Schweinefleisch machen deutsche Bräute heiß!“ | |
Diese Kolumne ist frei von Risiken und Nebenwirkungen, US-Wahlen und | |
Tieren. So verlangt es der Redakteur. Dabei könnte ich bestimmt nicht ohne | |
Tiervergleiche über die US-Wahlen schreiben, und somit geht der | |
redaktionelle Doppelverbotsbeschluss vollkommen in Ordnung. | |
US-Wahlen, pah! Ich schreibe lieber über die „Leitkultur als gelebten | |
Grundkonsens in unserem Land“. Ich bin wirklich gespannt, was die CSU, die | |
sich das in ihr neues Grundsatzprogramm diktiert hat, eigentlich damit | |
meint. Alle wollen dasselbe, Merkel in die Elbe? Currywurst mit | |
Pommes-Schranke wird gelebter Nationalfeiertag an jedem ersten Sonntag im | |
Monat? Dazu singt die Gesamtbevölkerung: „Einer geht noch, einer geht noch | |
rein“? | |
Ha, ich sehe sie vor mir, die Parteistrategen. Der erste ruft: „Christentum | |
und Schweinefleisch machen deutsche Bräute heiß! Schreib das ins Programm!“ | |
Und der zweite dann so: „Nee, ey, klingt nicht so toll. Du hast ja recht, | |
aber kann man das nicht anders ausdrücken?“ Und der dritte dann: „Ja klar: | |
Leitkultur! Grundkonsens!“ | |
Der gelebte Grundkonsens in unserem Land bestand bisher darin, dass | |
Geschwindigkeitsbegrenzungen auf den Straßen sowie Steuergesetze nur für | |
Idioten und Frauen gelten, dass man die Grenzen endlich schließen sollte | |
und dass man in jeder Schlange, ob Supermarktkasse oder Arztwartezimmer, | |
gnadenlos vordrängeln darf, jedenfalls als Bio-Deutscher. (Im letzten Satz | |
kam ein Tier vor, verflucht. Ja, genau, Bio-Deutscher.) | |
Das darf man aber nicht sagen, jedenfalls nicht so, da gibt es auch einen | |
Grundkonsens. Man spricht besser vom hohen Gut der individuellen Freiheit | |
und der belebenden Kraft des Wettbewerbs. Sowie natürlich von der Bewahrung | |
der Leitkultur. | |
Dabei haben die Leute eigentlich ganz andere Sorgen, zum Beispiel die in | |
Osterode. Die haben ihre Identität verloren, weil ihr Landkreis mit dem der | |
Nachbarn zusammengelegt wurde und nun Göttingen heißt. Die Verwaltung spart | |
dadurch, aber der Bürger klagt. | |
Ist ja alles nur symbolisch, möchte man dem Osteroder zurufen, so ein | |
Landkreis ist doch auch eine Last, die seid ihr los, und ihr habt endlich | |
die Chance, einen neuen Grundkonsens mit den Göttingern zu leben. Aber beim | |
Osteroder hast du keine Chance, der will sich einfach nicht integrieren. | |
Aus Kummer klaut er jetzt sogar die alten Ortsschilder. (Deutscher | |
Grundkonsens: Was an der Straße steht, darf man mitnehmen.) | |
Dennoch hat die Verwaltung Verständnis für die bockigen räuberischen | |
Harzbewohner, und das klingt im Radiointerview dann so: „Die emotionale | |
Berührbarkeit in Sachen Mensch ist uns bekannt.“ Auf Deutsch: Heul doch! | |
Das möchte ich auch dem Verlierer einer Großveranstaltung zurufen, die in | |
dieser Kolumne leider nicht vorkommen darf, und der übrigens ein | |
Meerschweinchen auf seinem Kopf spazieren trägt. Verpfeifen Sie mich nicht. | |
Vielen Dank für Ihren Grunzkonsens. | |
9 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Susanne Fischer | |
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