# taz.de -- Kommentar Unterhaltsrecht: Scheinväter sind auch Väter | |
> Justizminister Maas entmystifiziert die Bedeutung der Gene für die | |
> Vaterschaft. Sein Gesetzentwurf enthält aber eine überflüssige | |
> Sex-Auskunftspflicht. | |
Bild: Schein- oder Nicht-Schein-Vater? | |
Wenn ein Kind ehelich geboren wird, testet niemand, ob der Ehemann der | |
leibliche Vater des Kindes ist; rechtlich ist er automatisch Vater. Stellt | |
sich dann aber Jahre später heraus, dass der Mann doch nicht der | |
biologische Erzeuger ist, kann er die Vaterschaft anfechten. Bisher konnte | |
dieser „Scheinvater“ seine gesamte Unterhaltsleistung (ab Geburt des | |
Kindes) vom leiblichen Vater einklagen. Juristen nennen das den | |
„Scheinvater-Regress“. | |
Justizminister Heiko Maas [1][will diesen Regress nun stark reduzieren]. | |
Für die Zeit, in der der Mann das „Kuckuckskind“ für ein eigenes hielt, | |
soll er keine Forderungen stellen können. Damals fühlte er sich als Vater, | |
agierte als Vater und genoss auch die Freuden des Vaterseins. Ein | |
Scheinvater ist auch ein Vater. Das alles wird nicht nachträglich | |
vernichtet, nur weil das Kind das Erbgut eines anderen Mannes in sich | |
trägt. Die Situation ist für den Scheinvater schwierig genug, wenn er | |
erfährt, dass er von falschen Annahmen ausging. Dass er jetzt durch die | |
Rechtslage auch noch auf eine totale finanzielle Rückabwicklung fokussiert | |
wurde, war kontraproduktiv, denn es forcierte die Entfremdung von Vater und | |
Kind unnötig. Die Grundausrichtung der Maas'schen Reform ist also zu | |
begrüßen. | |
Man könnte sogar erwägen, den Scheinvater-Regress ganz abzuschaffen. In der | |
Schweiz zum Beispiel gibt es ihn gar nicht. Doch Minister Maas will ihn | |
zumindest teilweise bestehen lassen. Der Scheinvater soll für die Zeit bis | |
zum Abschluss seiner Vaterschaftsanfechtung und für die zwei Jahre davor, | |
Unterhalt vom leiblichen Vater fordern können. Begründung: Damit der (nun | |
oft getrennt lebende) Scheinvater nicht sofort jede Verantwortung aufgibt | |
und stattdessen weiter Unterhalt leistet, soll er diesen später vom | |
eigentlich verpflichteten biologischen Vater rückfordern können. Dieser | |
Rest vom Scheinvaterregress dient also dem Kind und einer Stabilisierung | |
seiner Situation. Das ist ein akzeptabler Grund. | |
Damit der Scheinvater seine Ansprüche einklagen kann, muss er allerdings | |
immer noch wissen, wer überhaupt der leibliche Vater ist. Und das führt zu | |
einem problematischen Punkt von Maas' Entwurf. Die Mutter (in der Regel | |
seine Ex-Frau) soll künftig gesetzlich verpflichtet sein, den Namen des | |
biologischen Vaters zu nennen. Die Bild-Zeitung hat das nicht zu Unrecht | |
als „Sex-Auskunftspflicht“ bezeichnet. Denn die Frau muss benennen, mit wem | |
sie in der Zeit, als das Kind gezeugt wurde, Sex hatte. | |
Teilweise ist zu lesen, Maas setze mit der Auskunftspflicht einen Auftrag | |
des Bundesverfassungsgerichts um. Das ist falsch. Karlsruhe hat nur | |
kritisiert, dass der Bundesgerichtshof einen solchen Auskunftsanspruch ohne | |
gesetzliche Verankerung erfunden hat. Das Gericht hat dem Gesetzgeber aber | |
ausdrücklich offen gelassen, ob er nun ein entsprechendes Gesetz schaffen | |
will oder nicht. Maas hätte also durchaus auch darauf verzichten können. | |
## Auskunftspflicht am Ende doch nur auf dem Papier | |
Und er hätte auch darauf verzichten sollen. Wer wann mit wem geschlafen | |
hat, das sind Informationen, die den Kern der persönlichen Intimsphäre | |
betreffen. Vielleicht war der damalige Sex-Partner der Freund der besten | |
Freundin, vielleicht aber auch eine Person, die einem heute peinlich und | |
widerlich ist. Es gibt viele Gründe, so etwas für sich behalten zu wollen. | |
Dass der Staat hier eine Auskunftspflicht anordnet, wirkt völlig | |
unverhältnismäßig. Vor allem, wenn es nur noch um die Durchsetzung eines | |
kurzzeitigen Zahlungsanspruches geht. | |
Dass Maas eine Ausnahme von der Auskunftspflicht vorsieht, wenn die | |
Auskunft „unzumutbar“ ist, mildert die Abstrusität dieses Vorschlags nur | |
wenig. Das zeigen schon die Beispiele, die das Ministerium in der | |
Begründung selbst anführt. Die Partnerin eines gutgläubigen Scheinvaters | |
muss dann keine Auskunft geben, wenn sie das Kind zum Beispiel mit ihrem | |
Bruder gezeugt hat, weil sie sich dann selbst wegen Inzest strafbar machen | |
würde. Oder wenn sie von einem nahen Verwandten vergewaltigt wurde und | |
diesen nun schützen möchte. Die Monstrosität der Beispiele zeigt, dass die | |
Zumutbarkeits-Regel in der Praxis wenig helfen wird. | |
Gegen eine Auskunftspflicht spricht aber auch, dass sich die | |
Anwendungsfälle ohnehin in Grenzen halten würden. Denn es ist vermutlich | |
nicht die Regel, dass die Frau die Information verweigert. Sie hat ja meist | |
gar kein materielles Eigeninteresse, dass der Scheinvater nicht klagen | |
kann. Und oft ist dem Ehegatten ohnehin bekannt, mit wem die Frau in der | |
fraglichen Zeit ein Verhältnis hatte. | |
Wenn die Sex-Auskunftspflicht am Ende nicht zu verhindern ist, wird sie | |
aber doch meist leerlaufen. Denn wenn die Frau sich geschickt anstellt und | |
sich einfach nicht mehr erinnern kann oder nur die vage Beschreibung eines | |
Unbekannten liefert, dann steht diese Auskunftspflicht eben doch nur auf | |
dem Papier. Warum also belastet der Justizminister seinen sinnvollen | |
Reformansatz mit einer so hanebüchenen und nutzlosen Vorschrift? | |
30 Aug 2016 | |
## LINKS | |
[1] /Auskunftspflicht-ueber-Vaterschaft/!5335150/ | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Vaterschaft | |
Eltern | |
Unterhaltszahlungen | |
Vaterschaft | |
Unterhalt | |
Vaterschaft | |
Scheinväter | |
Heiko Maas | |
Vaterschaft | |
Unterhalt | |
Patchwork | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gesetzentwurf von Buschmann und Faeser: Ampel gegen Scheinväter | |
Die Bundesregierung will verhindern, dass Männer nur für den | |
Aufenthaltstitel zu Vätern werden. Künftig soll das Ausländeramt zustimmen | |
müssen. | |
10 Jahre Reform des Unterhaltsrechts: Was nach der Scheidung übrig bleibt | |
Vor einer Dekade wurde das Unterhaltsrecht reformiert. Es sollte die | |
Familienpolitik modernisieren, doch es trieb unzählige Frauen in die Armut. | |
Kommentar Später Abstammungstest: Dalí muss zum Vaterschaftstest | |
Ein Gericht in Madrid lässt die Leiche des surrealistischen Künstlers | |
exhumieren. Eine Katalanin behauptet, seine Tochter zu sein. | |
Koalition im Endspurt: Neues Gesetz gegen Scheinväter | |
Union und SPD wollen verhindern, dass mittellose Männer ausländischen | |
Frauen und ihren Kindern ein Aufenthaltsrecht verschaffen | |
Streit um Äußerung zu Gina-Lisa Lohfink: Schäuble legt Maas Rücktritt nahe | |
Die SPD ist sauer über die indirekte Rücktrittsforderung an Justizminister | |
Maas. Der hat sich in den Augen Schäubles in ein laufendes Verfahren | |
eingemischt. | |
Kommentar Nachweis der Elternschaft: Ein Leben im Ungewissen | |
Jede und jeder sollte das Recht haben, zu wissen, wer die leiblichen Eltern | |
sind. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts fällt anders aus. | |
Kommentar Rechte von Scheinvätern: Kein Name, kein Geld | |
Ein Kuckucksvater will vom leiblichen Väter den Unterhalt zurück, den er | |
für das Kind gezahlt hat. Zu Recht? Das ist keine rein juristische Frage. | |
Debatte Familienrecht: Kompliziertes Patchwork | |
Die Grünen schlagen eine Neuregelung der sozialen Elternschaft vor. | |
„Stiefmütter“ und „Stiefväter“ sollen ähnliche Rechte bekommen wie | |
leibliche Eltern. | |
BGH-Urteil zu "Kuckuckskindern": Das letzte familiäre Tabu | |
Die Sehnsucht nach einer kleinen heilen Welt lässt Paare über die wahre | |
biologische Vaterschaft schweigen - bis zur Trennung. Die Leidtragenden | |
sind die Kinder. | |
Soziale Elternschaft: Konzept Kuckuckskind | |
Bei den Baatombu in Benin ist es Tradition, dass Kinder nicht bei ihren | |
leiblichen Eltern aufwachsen. Sie werden Pflegepersonen gegeben, die als | |
die "korrekteren" Eltern angesehen werden. | |
Bundesgerichtshof entscheidet: Scheinväter bekommen mehr Rechte | |
Jahrelang hat ein Mann aus Niedersachsen Unterhalt für seine drei | |
vermeintlichen Kinder gezahlt. Der Getäuschte darf jetzt seine | |
Unterhaltsleistungen vom mutmaßlichen Erzeuger zurückfordern. | |
Zum neuen Vaterschaftsrecht: Sophie, das Kuckuckskind | |
Sybille und Frank haben eine Tochter, Sophie. Ihr leiblicher Vater ist | |
Holger - Frank will es bleiben, Holger will es werden. Das neue | |
Vaterschaftsrecht regelt solche Fälle. |