# taz.de -- Zum neuen Vaterschaftsrecht: Sophie, das Kuckuckskind | |
> Sybille und Frank haben eine Tochter, Sophie. Ihr leiblicher Vater ist | |
> Holger - Frank will es bleiben, Holger will es werden. Das neue | |
> Vaterschaftsrecht regelt solche Fälle. | |
Bild: Mein Kind? | |
Das sagt Frank (38) | |
Als Holger das erste Mal vor der Tür stand und Sophie sehen wollte, wäre | |
ich ihm fast an die Gurgel gesprungen. Ich dachte: Erst wollte der dir | |
deine Frau wegnehmen, und jetzt will er dein Kind. | |
Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich Sophies Vater bin. Ich war bei | |
ihrer Geburt dabei, ich habe sie im Arm gehalten, noch vor Sybille. Sophie | |
war sofort meine Tochter. Und plötzlich soll sie es nicht mehr sein. Als | |
Sybille mir von dem Test erzählte, davon, dass eigentlich Holger Sophies | |
Vater ist, sackte der Boden unter meinen Füßen weg. Mein Liebstes auf der | |
Welt, das ist meine Familie, das ist doch Sophie. | |
Wir haben geheiratet, als Sybille im fünften Monat schwanger war. Wir | |
hatten uns in B. beim Studium kennengelernt, waren im selben Semester, | |
Kommunikationswissenschaften. Holger war auch an unserer Uni, bei den | |
Politikwissenschaftlern. Vor sechseinhalb Jahren hatte Sybille mit ihm ein | |
kurzes Verhältnis, ich wusste davon. Damals hatten Sybille und ich eine | |
Krise. Wir waren ein Jahr zusammen, das erste Liebeshoch war verflogen, nun | |
mussten wir uns neu sortieren. Sybille hat das auf ihre Weise getan, ich | |
habe mich ins Studium gestürzt. | |
Über das Kind habe ich mich wahnsinnig gefreut. Ich war froh, dass sich | |
dann doch alles so scheinbar leicht gefügt hat. Als Sybille mir jetzt | |
sagte, dass das Kind von Holger ist, dachte ich nur: Die spinnt. Aber dann | |
hat Sybille mir den Brief vom Labor gezeigt, da stand es schwarz auf weiß: | |
" ist auszuschließen, dass Frank K. der Vater ist." | |
In diesem Moment habe ich Sybille gehasst. Warum tut sie mir so etwas an? | |
Und warum kommt sie jetzt erst damit? Eine Frau muss doch wissen, von wem | |
sie schwanger ist. Ich war drauf und dran, mich scheiden zu lassen. | |
Aber was wäre dann passiert? Meine Familie wäre kaputtgegangen, und ich | |
hätte Sophie verloren. Rechtlich ist sie meine Tochter: Sybille und ich | |
waren verheiratet, als Sophie geboren wurde. Von mir aus könnte das so | |
bleiben, meinetwegen hätte Holger auch nichts erfahren müssen. Er war ja | |
sowieso nie da. Aber jetzt erhebt er Ansprüche! | |
Durch das neue Gesetz bleibe ich glücklicherweise Sophies Vater, nur Holger | |
kommt jetzt noch dazu. Wie das wird? Mal sehen. Ich werde das Gefühl nicht | |
los, dass er sich bei uns reindrängt, weil es bei ihm mit einer Familie | |
nicht geklappt hat. | |
Manchmal schaue ich Sophie an und bin traurig darüber, dass sie nicht meine | |
Gene trägt. Dann würde ich am liebsten alles hinschmeißen, weil ich den | |
Schmerz nicht ertrage. Und wenn dann auch noch Holger kommt und Sophie auf | |
eine Stunde abholen will, drehe ich fast durch. | |
Das sagt Sybille (35) | |
Ich war geschockt, als ich den Brief des Genlabors in den Händen hielt. | |
Denn anfangs hatte ich nie Zweifel daran, dass Sophie von Frank ist. Erst | |
als sie größer wurde und ich an ihr immer mehr Ähnlichkeiten mit Holger | |
entdeckte, wurde ich unsicher. Sie hat zum Beispiel enorm große Füße, die | |
hat Holger auch. Sophie ist blond, Frank und ich sind dunkelhaarig. Sophie | |
hat blaue Augen, wie Holger. Dann ihr spitzes Kinn und ihre Gesichtsform. | |
Vor einem halben Jahr habe ich heimlich einen Gentest machen lassen, mit | |
ein paar Haaren von Sophie und von Frank. Ich brauchte Gewissheit. Zuerst | |
dachte ich, die im Labor haben sich geirrt, das Ergebnis kann nicht | |
stimmen. Wir sind doch eine Familie, Frank, Sophie und ich. Aber ich | |
begriff sofort, dass wir keine Chance haben, wenn ich lüge. Ich musste also | |
über meinen Schatten springen und habe Frank alles erzählt. | |
Mir war klar, dass die Wahrheit eine Katastrophe ist, vor allem für Frank. | |
Aber ich will keine Geheimnisse. Nicht etwa weil ich Spaß an dieser | |
Geschichte habe, sondern wegen Sophie. Als Kind habe ich das Gleiche | |
erlebt. Meine Mutter hat meinen sozialen Vater erst nach meiner Geburt | |
kennengelernt, sie haben mir das immer verheimlicht. Erst als ich mit | |
Sophie schwanger war, hat mir meine Mutter die Wahrheit erzählt. Bis heute | |
kenne ich meinen leiblichen Vater nicht. | |
Aber als Kind habe ich immer gespürt, dass mit unserer Familie etwas nicht | |
stimmt, dass es da etwas gibt, was vor mir verborgen gehalten wird. Erst | |
als mir meine Mutter alles erklärt hatte, begriff ich diese Zusammenhänge. | |
Aber das Verhältnis zu meinen Eltern ist seitdem gestört, wir sind uns | |
fremd geworden. Das will ich Sophie nicht antun und mir auch nicht. | |
Das mit Holger war nur eine flüchtige Affäre, ich hätte Frank nie für ihn | |
verlassen. Für mich stand von Anfang an fest, dass Sophie von Frank ist. | |
Nur für einen ganz kurzen Moment, gleich zu Beginn meiner Schwangerschaft, | |
überlegte ich: Rein theoretisch könnte auch Holger ? Ich rechnete nach, am | |
Ende kam nur Frank infrage. | |
Ich will eine klare und saubere Regelung. Es reicht nicht, wenn wir uns nur | |
zu dritt einigen, es muss auch auf dem Papier stehen. Früher oder später | |
kommt sowieso alles raus, da bin ich mir sicher. Was sollen wir dann Sophie | |
sagen? "Wir haben dich die ganzen Jahre über belogen, aber das ist doch | |
nicht so schlimm, Frank ist trotzdem dein Papa"? Ich will einen Kompromiss: | |
Holger erkennt die biologische Vaterschaft an, Frank bleibt rechtlich | |
Sophies Vater. Das geht mit dem neuen Vaterschaftsrecht jetzt ja relativ | |
einfach. | |
Das sagt Holger (37) | |
Ich war völlig überrascht, als Sybille mich vor ein paar Monaten anrief. | |
Fünf Jahre hatte ich nichts von ihr gehört, ich hatte sie fast vergessen, | |
und dann das: Ich soll der Vater ihrer Tochter sein. Das letzte Mal hatte | |
ich sie nach ihrer Hochzeit mit Frank getroffen, da war sie hochschwanger. | |
Damals habe ich nicht gefragt, ob das Kind vielleicht von mir sein könnte, | |
für mich war klar: Sybille baut sich da gerade eine Familie auf. Außerdem | |
hatte ich andere Pläne, ich wollte nach Amerika. Über vier Jahre habe ich | |
dort gearbeitet, in einem Meinungsforschungsinstitut. Dann lief mein | |
Vertrag aus und ich kam wieder zurück nach Deutschland. | |
Sophie habe ich nun schon ein paarmal gesehen. Das erste und das zweite Mal | |
hat sie mich gar nicht beachtet, für sie war ich ein Fremder. Auch für mich | |
war es anfangs komisch, eine fünfjährige Tochter zu haben, so aus dem | |
Nichts. Jetzt genieße ich es, Vater zu sein, Sophie sieht mir sehr ähnlich. | |
Ich bin sogar ein bisschen stolz: Da läuft ein kleiner Mensch in der Welt | |
herum, der meine Gene trägt. | |
Sybille war erstaunt, als ich sagte, ich wolle mich künftig auch um Sophie | |
kümmern. Wie kommt sie nur darauf, dass mir das alles egal sein könnte? | |
Hätte ich früher von Sophie erfahren, wäre ich hier eher aufgekreuzt. In | |
Amerika hatte ich eine Beziehung, vier Jahre lang. Mit der Frau hätte ich | |
gern ein Kind gehabt, wir haben es probiert, aber es hat nicht geklappt. | |
Sie hat mich schließlich wegen eines anderen verlassen und ist von ihm | |
schwanger geworden. | |
Ich will Frank Sophie nicht wegnehmen. Aber sie ist nun mal auch meine | |
Tochter. Und mit dem reformierten Gesetz komme ich auch zu meinem Recht. | |
Sybilles Idee mit den zwei Vätern finde ich prima. Ich möchte die | |
Verantwortung für Sophie übernehmen, die ich leisten kann. Außerdem möchte | |
ich anteilmäßig Unterhalt zahlen und Sophie regelmäßig sehen. Über die | |
genauen Konditionen müssen wir uns noch einigen. | |
Alle Namen wurden geändert | |
1 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
## TAGS | |
Vaterschaft | |
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