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# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Beim Airbnb-Beduinen
> Was ist das für ein Leben in der Wüste? So rural schön die Landschaft in
> Jordanien sein kann, so gut ist leider auch die Internetverbindung.
Bild: 1997 raste der „Thrust-Super-Sonic“ durch die jordanische Wüste – …
Der Beduine holt uns mit seinem Landrover ab. Mit dem klapprigen Vehikel
geht es im Schritttempo ins Gebirge östlich der Jordanebene. Auf dem kargen
Berg dort oben soll Aarons Grab liegen, der ältere Bruder und ewiger Rivale
von Moses, markiert von einer Kapelle. Weiter unten sieht man unseren
Schlafplatz.
Er breitet Matten in U-Form aus, entzündet das Feuer in der Mitte und gart
Huhn. Wir liegen und lauschen seinen Geschichten. Wie lange ist dieser
Fleck, den er sein Eigen nennt, schon bewohnt? Seit 500 vor Christus, sagt
er. Damals haben die Nabatäer nicht weit von hier die antike Stadt Petra
gebaut.
Eine Ziegenherde zuckelt vorbei. Das Mädchen treibt die Tiere mit dem Zweig
voran. Sein kleiner Bruder zieht am Seil ein Stück Plastikeimer hinter sich
her, wie einen Hund. Vor 2.000 Jahren wäre es ein Holz gewesen. Jederzeit
könnte der Dornbusch brennen.
Dann holt unser Wüstenführer den mobilen Router raus, steckt den Stecker in
den Akku und produziert ein WLAN. Wir können ins Internet!
Er tippt auf seinem Smartphone rum und ruft seine Facebook-Seite auf. Der
Mann ist eine eindrucksvolle Mischung aus Tradition und Moderne – ein
Airbnb-Beduine. Auf dieser allseits bekannten Internetseite für
Wohnungsvermittlungen bietet er seine Höhle zur Übernachtung an. Hinter uns
ist der Eingang in den Fels gehauen. Sich bei ihm einzumieten, ist genauso
einfach wie ein Zimmer in Kreuzberg zu buchen.
Aber will ich jetzt hier ins Internet? Wenn ich das mache, kann ich der
Versuchung nicht widerstehen, meine Mails zu lesen. Dann ist der Urlaub zu
Ende, weil ich erfahre, welche Texte die taz nächste Woche von mir haben
will (und welche nicht, Anm. d. Red.).
Mit Google Maps zur Freilufttoilette
Sowieso fühle ich mich oft überfordert von all den Kommunikationskanälen.
Hundert Mails pro Tag, ebenso viele Facebook- und Twittermeldungen,
außerdem die SMS- und Whatsapp-Nachrichten. Handy und Telefon gibt es auch.
Tausende Agenturmeldungen. Die alten Medien: Zeitunglesen, Radio,
Fernsehen. Und das Sprechen nicht vergessen.
Also jetzt mal „digital Detox“, digitale Entgiftung, wenigstens für einen
Abend. Mit unserem Beduinen ist das aber leichter gesagt als getan. Immer
wieder zeigt er uns tolle Reisefotos in seinen Internetaccounts. Wer alles
schon hier war! „Digital Detox“ wäre für ihn das Gegenteil: „financial
toxication“. Der Tod seines Geschäftsmodells als weltbekannter Tourguide.
Die Frage lässt mich nicht los: Welches Mischungsverhältnis zwischen
Tradition und Moderne ist angemessen? Verweigerung des Neuen kann es ja
irgendwie auch nicht sein. Sonst wäre uns der Besuch beim Beduinen, dieser
Moment des Rückblicks in alte Zeiten, komplett entgangen.
Man sollte beides beherrschen, die traditionellen Techniken nicht
verlernen. In Jordanien haben wir festgestellt, wie nützlich Landkarten
sind. Denn Google Maps hat von der Gegend dort und den Straßen Ammans
wirklich gar keine Ahnung.
Vielleicht sollte man auch immer etwas Bargeld zu Hause haben für den Fall,
dass der Strom ausfällt, die Bankautomaten keine Scheine mehr rausrücken
und der Kartenleser im Supermarkt streikt. Wissen, wie man gemeinsam
frühstückt, anstatt von der Hand in den Mund zu leben und nebenbei zu
facebooken. Das analoge Leben am Laufen halten – mindestens als
Notfallvariante.
Unser Airbnb-Beduine macht beides einfach so: Moderne und Altertum. „Wo ist
die Toilette?“, frage ich, vor der Höhle liegend. Mit ausholendem
Armschwung weist er in die Gegend. Ich begebe mich auf den Weg.
9 Sep 2016
## AUTOREN
Hannes Koch
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