| # taz.de -- Debatte Apple und EU: Allein, es fehlt der Wille | |
| > Die EU-Kommission fordert von Apple 13 Milliarden Euro an Steuern. Dann | |
| > wird sie von den Mitgliedsstaaten im Stich gelassen. | |
| Bild: Bitte lächeln: Karin Baumüller-Söder, Bayerns Finanzminister Markus S�… | |
| Good-bye, Europe! Dieser Slogan machte nach dem Nein der Briten zur EU die | |
| Runde. Europa bringt es nicht mehr, wir wollen raus, hieß es plötzlich auch | |
| auf dem Kontinent. Der Brexit-Blues lähmte sogar Brüssel. | |
| Doch nun ist die EU wieder da. Mit einem Paukenschlag hat sie sich | |
| zurückgemeldet. Die EU-Kommission fordert bis zu 13 Milliarden Euro Steuern | |
| vom US-Konzern Apple – und gibt so aller Welt zu verstehen: Hallo, wir | |
| leben noch! | |
| Damit hatte kaum jemand gerechnet. Schließlich hatte US-Finanzminister Lew | |
| zuvor versucht, Wettbewerbskommissarin Vestager mit Drohungen | |
| einzuschüchtern. Experten schätzten die Nachforderung auf maximal 1 | |
| Milliarde. | |
| Und nun: 13 Milliarden! Ohne Wenn und Aber! Die Brüsseler Behörde hat damit | |
| etwas gewagt, was sich noch nicht einmal große EU-Staaten trauen. Sie hat | |
| sich mit dem mächtigsten Staat der Welt und dem reichsten Unternehmen der | |
| USA angelegt. | |
| Und sie hat genau da getroffen, wo es wehtut, wie der beleidigte Aufschrei | |
| in Washington und Cupertino zeigt. Die USA schauen nämlich schon viel zu | |
| lange zu, wie US-Konzerne Milliardengewinne im Ausland horten, ohne sie zu | |
| versteuern. | |
| ## Apple, Starbucks, McDonald’s, Amazon … | |
| Vestager will das nicht mehr dulden, und das ist auch gut so. Apple, so hat | |
| sie klargemacht, ist kein Einzelfall. Starbucks, McDonald’s und Amazon | |
| stehen schon auf der roten Liste der EU-Kommission, weitere dürften folgen. | |
| Mit Antiamerikanismus hat das nichts zu tun. Sondern mit | |
| Selbstverteidigung. Vestager will nicht länger dulden, dass die USA und | |
| ihre Multis Europa als ihr Hinterland betrachten. Sie fordert ein „level | |
| playing field“, also Gleichberechtigung. | |
| Auf dieses Signal haben viele Europäer lange gewartet. Es geht nicht nur um | |
| unfaire Steuerdeals, sondern um die Selbstbehauptung der europäischen | |
| Wirtschaft und Politik. Es geht um den globalen Verteilungskampf im 21. | |
| Jahrhundert. | |
| Wenn die EU diesen Kampf entschlossen aufnimmt, dann kann sie aus der | |
| Defensive kommen, in die sie nach dem Brexit-Votum geraten ist. Der Streit | |
| mit Apple könnte Teil der „positiven Agenda“ sein, mit der Brüssel der | |
| Krise entrinnen will. | |
| Das Dumme ist nur, dass Vestager die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat: | |
| Die EU-Staaten ziehen nicht mit. Die Niederlande haben gegen den | |
| Steuerbescheid für Starbucks schon geklagt, Irland will wegen Apple | |
| ebenfalls vor Gericht ziehen. | |
| ## Provinzielles Standortdenken | |
| Nicht einmal Deutschland zieht mit. Dabei hat Vestager der Bundesregierung | |
| einen attraktiven Ball zugespielt: Auch Berlin könnte nachträglich Steuern | |
| von Apple eintreiben, heißt es in Brüssel. Doch Bundesfinanzminister | |
| Schäuble winkt ab. Er reicht die heiße Kartoffel an Bayerns Finanzminister | |
| Söder weiter, der für die Apple GmbH in München zuständig ist. Doch Söder | |
| hat nichts Besseres zu tun, als der EU-Kommission in den Rücken zu fallen | |
| und vor einem Wirtschaftskrieg zu warnen. Das zeigt, wie der Hase läuft: | |
| Provinzielles Standortdenken geht vor Steuergerechtigkeit, nationale | |
| Interessen sind wichtiger als europäische Solidarität. | |
| Es fehlt der politische Wille, die Steilvorlage aus Brüssel aufzunehmen. Es | |
| fehlt auch der politische Wille, den ruinösen Standort- und | |
| Steuerwettbewerb der EU-Staaten zu beenden. Wenn das so weitergeht, dann | |
| wird es nichts mit der Selbstbehauptung Europas. Dann laufen die Verfahren | |
| gegen US-Konzerne ins Leere, dann bleibt der Paukenschlag gegen Apple ein | |
| Muster ohne Wert. | |
| Auch in anderen brisanten Fragen bremsen die EU-Staaten die Kommission aus. | |
| Eine sozialere Lösung der Griechenlandkrise, eine gerechtere Verteilung der | |
| Flüchtlinge, eine entschlossene Antwort auf den Brexit – all das hat | |
| Brüssel gefordert. | |
| Doch nationale Egoismen und taktische Spielchen waren wichtiger. Sie haben | |
| verhindert, dass die EU geschlossen und solidarisch handelt. „Good-bye, | |
| Europe?“ Die Frage bleibt leider aktuell. | |
| 2 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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