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# taz.de -- Britischer Agrarsektor nach dem Brexit: Unsicherheit – Feind der …
> Viele britische Bauern haben Angst vor dem Brexit. Sie würden seine
> Folgen als Erste spüren. Aber manche sehen auch Chancen.
Bild: Besorgt: Bauern in Südengland
Dublin taz | Es waren vor allem die Menschen in den ländlichen englischen
und walisischen Regionen, die für den Brexit gestimmt haben. Und sie werden
die Folgen als Erste zu spüren bekommen. Ist der britische Abschied aus der
Europäischen Union vollzogen, wird nicht mehr länger Brüssel, sondern die
britische Regierung in Westminster für die landwirtschaftliche Planung und
Lebensmittelproduktion zuständig sein. Die drei Milliarden Pfund
Agrarsubventionen aus Brüssel decken im Durchschnitt 55 Prozent des
Einkommens der Bauern ab.
Lord Gardiner, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Lebensmittel und
ländliche Angelegenheiten (Defra), ist derzeit damit beschäftigt, das
Subventionssystem für die Zeit nach dem Brexit zu reformieren. Aber er ist
auch Teilhaber an einer Großfarm in Buckinghamshire, die fast 50.000 Pfund
im Jahr aus Brüssel erhält.
Was wird aus den Hunderttausenden Saisonarbeitern vor allem aus Osteuropa,
die für wenig Geld in der Landwirtschaft aushelfen? Sie ernten jedes Jahr
rund 90 Prozent des Obstes und Gemüses. Viele Großbauern warnen, dass
britische Produkte aus den Supermärkten verschwinden würden, sollten diese
Saisonarbeiter nicht mehr einreisen dürfen.
Der ehemalige Chefökonom des Bauernverbands, Seán Rickard, der für den
Verbleib Großbritanniens in der EU geworben hatte, sagt: „Wenn es eine
Gruppe gibt, die wirklich von der EU profitiert hat, dann sind es die
Bauern.“ Viele große Produzenten würden in Länder wie Dänemark oder Irland
umsiedeln, um in der EU zu bleiben.
Angus Davison, der Vorsitzende von Haygrove, einem der größten
Beerenproduzenten Englands, der 800 Saisonarbeiter beschäftigt, sagte: „Wir
würden die Produktion auf das europäische Festland verlegen.“ Man
produziere ohnehin bereits zur Hälfte in Portugal und Südafrika.
Großbritannien importiert 70 Prozent der Lebensmittel, bei frischem Gemüse
ist die Zahl deutlich höher.
Manche Bauern argumentieren, dass die EU mit ihren Vorschriften über
Pestizide, Herbizide und genmanipulierte Pflanzen die Steigerung der
Produktion behindere. Großbritannien war im Hinblick auf umstrittene
Technologien schon immer wenig zimperlich. Andererseits wird man sich
zügeln müssen, will man weiterhin Handel mit der EU treiben. Der National
Trust für Denkmalpflege und Naturschutz, dessen Präsident Prinz Charles
ist, fordert eine Revolution des Subventionssytems, bei der die
Gemeinnützigkeit Vorrang haben soll.
Der Trust, dem 250.000 Hektar Farmland gehören, die von 2.000 Pächtern
beackert werden, kassiert selbst elf Millionen Pfund Subventionen aus
Brüssel im Jahr. Das derzeitige System behindere biologische Vielfalt und
fördere stattdessen die Verschmutzung von Gewässern, die Umwidmung von
dubiosem Fleisch als britisches Produkt, die Deklarierung von Pferdefleisch
als Rindfleisch und die gnadenlose Ausbeutung ausländischer Saisonarbeiter,
argumentiert der Trust. Der Brexit sei eine Chance, das zu ändern, aber es
sei ein langer und riskanter Weg.
Seit dem Zweiten Weltkrieg stand die Sicherung der Ernährung der Nation im
Vordergrund. Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft stieg die
Quantität, aber nicht die Qualität. Erst die „Butterberge“ führten zu ei…
vorsichtigen Umdenken. Selbst der Bauernverband befürwortet inzwischen eine
grüne Agrarpolitik. Aber die Landwirtschaft steckt auch in Großbritannien
in der Krise. Eine einflussreiche Lobby hat man nicht: Kaum ein Prozent des
Bruttoinlandprodukts wird von der Agrarindustrie erwirtschaftet.
31 Aug 2016
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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