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# taz.de -- Leitzinsentscheidung in London: Minderung der Brexit-Folgen
> Die Bank von England halbiert den Leitzins. Der große Schock ist damit
> ausgeblieben, doch nun fürchten Experten Inflation und Rezession.
Bild: Nach dem Brexit laufen die Reparaturarbeiten im Londoner Finanzdistrikt a…
HAMBURG taz | Die Bank von England hat am Donnerstagmittag ihren Leitzins
auf 0,25 Prozent halbiert und gleichzeitig mehr Wertpapiere aufgekauft.
Drei Mitglieder des neunköpfigen Ausschusses für Geldpolitik haben gegen
die Mehrheitsmeinung gestimmt. Eigentlich war das gar nicht vorgesehen. Die
Bank von England (BoE) hätte die erste Zentralbank sein können, die eine
andere Richtung einschlägt als ihre Kolleginnen auf dem Kontinent und in
den USA, und den Leitzins wieder erhöht.
Doch dann kam der „Brexit“. Analysten waren fast einhellig davon
ausgegangen, dass die britischen Währungshüter in London auf ihrer Sitzung
darauf reagieren, in dem sie die Leitzinsen senken. Die BoE verfolgt wie
die Europäische Zentralbank (EZB) das vorrangige Ziel, das Preisniveau
stabil zu halten.
Dabei hatte es BoE-Boss Mark Carney bislang leichter als seine Kollegen in
Frankfurt. „In Großbritannien sind die Inflationsraten nicht in ganz so
gefährliche Sphären gelangt wie im Euroraum“, wo sie teilweise ins Minus
rutschten, sagt Jens Kramer, Analyst der Norddeutschen Landesbank, der taz.
Wenn die Preise – statt moderat zu steigen – sogar fallen, kann dies die
Wirtschaft lähmen. Es droht eine Deflation.
Die EZB versuche „mit ihrer ultraexpansiven Geldpolitik“ die Kreditvergabe
zu stimulieren, um die Inflationsrate nach oben zu bewegen. „Das
funktioniert nicht besonders gut“, meint Englandkenner Kramer.
## Robuste Konjunktur
Bei der zweitältesten Notenbank der Welt war das anders: „Großbritannien
hatte eine relativ robuste Konjunktur, bis zuletzt ins zweite Quartal
hinein.“ Die Wirtschaftsleistung stieg gegenüber dem Vorquartal
saisonbereinigt kräftig um 0,6 Prozent, im Euroraum waren es nur 0,3
Prozent. Das Schreckensbild einer Volkswirtschaft, die aus Angst vor dem
„Brexit“ bereits im Vorfeld des EU-Referendums gelähmt ist, verpuffte, und
der befürchtete Schock blieb aus.
In den vergangenen Jahren war die britische Wirtschaft mit jährlich über 2
Prozent sogar schneller gewachsen als die deutsche. Dazu tragen viele
Faktoren bei: Die Bevölkerung wächst, die Arbeitslosigkeit ist niedrig; die
Staatsausgaben sind deutlich höher, als es die Euro-Kriterien
(„Maastricht“) erlauben; und die besonders wichtige Finanzindustrie hat
sich im Unterschied etwa zur Deutschen Bank von der Krise erholt.
Dazu kommt eine recht starke Binnennachfrage, und die
Dienstleistungsbranche auf der industriearmen Insel wächst. „Das ist eine
ganz andere Situation, als sie die EZB hat“, so Kramer von der
Norddeutschen Landesbank, „die mehr oder weniger hilflos im Strudel“ aus
null Inflation, geringer Kreditvergabe durch Banken und schwacher
Konjunktur schwimme. „Aber“, erwartet Kramer, „jetzt wird in Großbritann…
alles anders.“
Durch den „Brexit“, so die allgemeine Meinung, stehe die Rezession vor der
Tür. Großbritannien wickelt rund die Hälfte seines Außenhandels mit der EU
ab. Gleichzeitig werde durch den schwachen Wechselkurs des britischen
Pfunds die Inflation angeheizt – „eine ganz schwierige Situation“.
Die Commerzbank sieht Mark Carney nun „auf Gefechtsstation“, um die
„Brexit“-Folgen zu mildern. Mit der Senkung des Leitzinses von 0,50 auf
0,25 Prozent erreicht die BoE das niedrigste Niveau seit über drei
Jahrhunderten. Doch die Unsicherheit über die tatsächlichen Auswirkungen
eines Ausscheidens aus der EU bleiben. Neue Zahlen gibt es erst Ende
Oktober.
4 Aug 2016
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
Leitzins
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EZB
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Briten
Europäische Zentralbank
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