# taz.de -- Populärkultur im US-Wahlkampf: Finger weg von meinem Song! | |
> Ob bei Auftritten oder im Internet: Die US-Politik bedient sich gern | |
> populärer Kunst. Deren Erschaffer finden das eher mittelprächtig. | |
Bild: „Ey Bono, ich hab' dir da was nicht erzählt …“ | |
Berlin taz | Syrische Flüchtlinge sind wie Kaubonbons. Glauben Sie nicht? | |
Donald Trumps Kampagne schon. Das beweist [1][ein aktueller Tweet] von | |
Donald Trump Jr., Sohn des republikanischen Präsidentschaftskandidaten: | |
„Wenn ich eine Schale voller Skittles hätte und Ihnen sagen würde, dass | |
drei davon Sie töten. Würden Sie eine Handvoll nehmen? Das ist unser | |
Problem mit den syrischen Flüchtlingen“, ist auf dem Bild zu lesen, das | |
auch ein Foto einer mit den bunten Kaubonbons befüllten weißen Schale | |
zeigt. Darunter: „Make America Great Again“. | |
„Ich habe keine Erlaubnis dafür erteilt, unterstütze nicht Mr. Trumps | |
Politik und würde auch kein Geld von ihm akzeptieren, um das Bild benutzen | |
zu dürfen“, sagt David Kittos. Der 48-jährige Brite hatte das Skittles-Foto | |
im Januar 2010 auf der Plattform Flickr gepostet. Jetzt benutzen es die | |
Trumps, um Propaganda zu machen. „Ich hätte niemals zugestimmt, das Bild | |
gegen Flüchtlinge zu benutzen“, kommentiert Kittos, der als geborener | |
Zyprer im Alter von sechs Jahren vor der türkischen Belagerung der | |
Mittelmeerinsel floh. | |
Die Reaktion des Hobbyfotografen zeigt ein wiederkehrendes Muster in | |
US-Wahlkämpfen: Um ihre „message across“ zu bringen, wie es so schön hei�… | |
bedienen sich US-PolitikerInnen gern eines kleinen Helferleins – dem der | |
populären Kunst. Zu wertvoll der Imagegewinn, der sich mit einem clever | |
ausgewählten Einlaufsong bei einer Wahlkampfveranstaltung erzielen lässt | |
und zu verlockend die Klickzahlen, die dank eines am richtigen Zeitpunkt | |
gestreuten Memes warten. Die Betonung liegt hier aber auf „clever“ und | |
„richtig“, da KünstlerInnen auch in der Vergangenheit oft so gar nicht | |
damit d'accord waren. | |
Der wohl bekannteste und aus jeglicher Perspektive peinlichste Zwischenfall | |
dieser Art ereignete sich 1984. Damals hatte der zur Wiederwahl antretende | |
Präsident Ronald Reagan wohl besseres zu tun, als sich „Born in the USA“ | |
von Bruce Springsteen bis zum Schluss anzuhören. Anders lässt es sich nicht | |
erklären, dass er den Song als Vertonung seiner Kampagne zur | |
Präsidentschaftswahl auswählte. | |
Klar, rauchig ausgerufen und mit Gitarre im Anschlag klingt wohl kaum etwas | |
mehr nach dem „Land of the Free“. Was Reagan's geschultem Patriotengehör | |
aber entging: Springsteen besingt einen sozioökonomisch Abgehängten, der | |
als Soldat in den Vietnamkrieg zieht und sich nach der Rückkehr als Veteran | |
alleingelassen und perspektivlos fühlt. | |
Auch wenn die Kritik an der Versorgung von Veteranen auf einer Meta-Ebene | |
wiederum patriotisch genannt werden kann: „Born in the USA“ war gemeint als | |
zeitgenössische Kritik an den USA. Logischerweise reagierte Springsteen | |
umgehend auf die Zwangsentfremdung und [2][bezweifelte während einer | |
öffentlichen Show in Pittsburgh], ob der Präsident überhaupt seine Musik | |
gehört habe. Verglichen mit aktuelleren Fällen war Springsteen mit seiner | |
Äußerung aber noch in seichten Gewässern unterwegs. | |
## „Joe schreibt bessere Songs als Sie“ | |
Etwas klarer distanzierte sich etwa Isaac Hayes im Jahre 1996. Da versuchte | |
der Republikaner Bob Dole gerade, eine zweite Amtszeit Bill Clintons zu | |
verhindern – und ließ zu dem Zwecke kurzum einen Remix eines Songs | |
anfertigen, den Soulmusiker Hayes geschrieben hatte. Der Titel des Songs, | |
den Hayes für das Duo Sam & Dave rund 20 Jahre zuvor verfasst hatte, war | |
„Soul Man“. „Dole Man“ wurde daraus in Doles Version – die ist aber | |
mittlerweile in den Tiefen des Internets verschwunden. | |
Das Plattenlabel Rondor Music forderte daraufhin 10.000 Euro für jede | |
weitere Verwendung in der Kampagne und Hayes bekundete, dass er ohnehin | |
niemandem eine Erlaubnis erteilt habe. „Es macht mich sauer, weil so der | |
Eindruck entsteht, wir würden Bob Dole unterstützen. Das tun wir nicht“, | |
sagte Hayes. „Dole Man“ wurde nicht weiter verwendet. Danach folgten viele | |
weitere Zwischenfälle – meistens mit Beteiligung der Republikaner Partei. | |
Zum Beispiel 2010, als der Anwalt des Eagles-Gitarristen Joe Walsh zu | |
Hochform auflief. Der Reihe nach: Im Wahlkampf ließ ein anderer Joe Walsh, | |
nämlich ein republikanischer Kongressabgeordneter aus Illinois, eine | |
Coverversion eines Songs anfertigen, den der Gitarrist Joe Walsh verfasst | |
hatte. Letzterem missfiel das ausdrücklich, woraufhin sein Anwalt ein | |
[3][Unterlassungsschreiben] formulierte: „Sie haben Joe's Musik benutzt – | |
ohne Zweifel, weil sie viel besser ist als alles, was Sie oder ihr Team | |
jemals hätten machen können. Aber das ist der Punkt. Da Joe bessere Songs | |
schreibt als Sie, belohnt ihn das Urheberrecht damit, dass er aussuchen | |
darf, wer seine Songs benutzen darf“. | |
## „Stop using our Songs“ | |
Das Skittles-Bild der Trump-Kampagne zeigt: Die Remix-Kultur des | |
Internetzeitalters hat das Verhältnis zu künstlerischem Eigentum verändert. | |
Einerseits ist es zwar immer noch peinlich, wenn KünstlerInnen offen auf | |
Distanz gehen. Andererseits ist gut, was viral ist, und daher kann es | |
PolitikerInnen fast egal sein, was sie da benutzen – solang es Klicks | |
bringt. Bad news sind good news, nicht erst seit „The Donald“ (Der selbst | |
ist natürlich Besitzer einer ganzen [4][Liste] von Künstler-Abfuhren). In | |
diesem Zusammenhang zog kürzlich die republikanische Partei den Zorn eines | |
Illustratoren auf sich. | |
In einem [5][Tweet] auf dem Twitter-Account der Partei nutzte sie ein Meme, | |
das der US-amerikanische Illustrator KC Green gebastelt hatte. Zu sehen ist | |
dort ein außerordentlich friedvoll-glücklicher Hund, der in Flammen sitzend | |
„This is fine“ ausspricht – als Bebilderung von Katastrophensituationen, | |
die von Betroffenen aber als halb so wild empfunden werden. Green gefiel | |
das gar nicht und bekundete auf Twitter: „Jeder hat das Recht, This is fine | |
in Sozialen Medien zu benutzen, aber, Mannomann, ich fände es gut wenn die | |
Republikaner ihren dummen Post löschen würden“. | |
Angesichts des unbekümmerten Umgangs der US-Politiker mit populärer Kunst | |
schwang sich der britische US-Satirist John Oliver im Juli 2016 zum Rächer | |
der beleidigten Musiker auf. Usher, Cyndi Lauper und andere – zumeist – | |
Altstars ließ er per Musikvideo gegen politisierten Songmissbrauch | |
ansingen. Die KünstlerInnen stehen vor animierten Feldern, Highways und | |
Nationalparkschildern und trällern in US-eigener Pop-Country-Manier: „Stop | |
using our Songs“. | |
## „I think I've been ripped off, dude!“ | |
Ein Ausweg aus der Misere wäre, eine [6][eigene Band] zu gründen, wie das | |
der republikanischer Ex-Gouverneur von Arkansas und Bewerber um die | |
Präsidentschaft 2008, Mike Huckabee, getan hat. Mit ihr stand er auch im | |
Wahlkampf auf der Bühne – natürlich nicht ohne „Stars and | |
Stripes“-Gitarrengurt – und glänzte bei Stücken wie „Freebird“ von Ly… | |
Skynyrd. | |
Als „Freebird“ fühlte sich Huckabee aber leider auch in Bezug auf den Song | |
„More than a Feeling“ der Band Boston, den er bei mehreren | |
Wahlkampfauftritten zum besten gab – ein Präsidentschaftsbewerber hat | |
schließlich andere Sachen zu tun, als sich neben dem Gitarrenunterricht | |
auch noch eigene Lieder aus den Rippen zu schneiden. Die darauf folgende | |
[7][Reaktion] von Bostons Frontmann Tom Scholz fasst die Gefühle seiner | |
KollegInnen wohl am besten zusammen: „I think I've been ripped off, dude!“ | |
21 Sep 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/DonaldJTrumpJr/status/778016283342307328 | |
[2] http://www.politico.com/magazine/story/2014/06/bruce-springsteen-ronald-rea… | |
[3] http://reporter.blogs.com/files/walsh-walk-away-0001.pdf | |
[4] http://www.rollingstone.com/music/news/george-harrison-estate-blasts-trumps… | |
[5] https://twitter.com/GOP/status/757687865471963137?ref_src=twsrc%5Etfw | |
[6] https://en.wikipedia.org/wiki/Capitol_Offense_(band) | |
[7] http://www.rollingstone.com/music/news/more-than-a-feeling-writer-says-mike… | |
## AUTOREN | |
Yannick Ramsel | |
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