# taz.de -- Österreich zu EU-Beitrittsprozess: Wenig Gegenliebe für die Türk… | |
> Außenminister Kurz will den Beitrittsprozess mit der Türkei blockieren | |
> und Österreichs Grenzen abriegeln. Steinmeier widerspricht. | |
Bild: Kurz zum EU-Beitritt der Türkei: „Da bin ich dagegen“ | |
WIEN taz | Die Türkei entzweit Europa. Österreichs Bundeskanzler Christian | |
Kern (SPÖ) hat in Brüssel wenig Gegenliebe gefunden, als er vor einigen | |
Tagen vorschlug, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen. | |
Für seinen wenig diplomatischen Vorstoß wurde er schnell gemaßregelt, etwa | |
von Elmar Brok, dem konservativen Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses | |
im EU-Parlament. | |
„Ein sofortiges Aussetzen der Verhandlungen wäre heute diplomatischer | |
Unsinn“, sagte er der Welt am Sonntag. Allerdings hält auch Brok nichts | |
davon, die Türkei als Vollmitglied aufzunehmen. Im Klartext: darüber ist | |
man sich in der EU einig. Man darf es aber nicht so deutlich aussprechen. | |
Brok im Ö1 Radio: „Das weiß die Türkei doch selbst, dass wir nicht | |
verhandeln“. | |
Kanzler Kern hat aber nicht reumütig zurückgesteckt. Im Gegenteil: er sieht | |
sich durch den Koalitionspartner ÖVP bestärkt. Außenminister Sebastian | |
Kurz, politische Zukunftshoffnung der österreichischen Konservativen: „Ich | |
habe Sitz und Stimme im Außenministerrat. Dort geht es darum, ob neue | |
Verhandlungskapitel mit der Türkei eröffnet werden.“ Da Einstimmigkeit | |
gefordert ist, kommt die Ankündigung einer Vetodrohung gleich. Kurz: „Und | |
da bin ich dagegen“. Selbst der rechte Oppositionsführer Heinz Christian | |
Strache (FPÖ), sah sich gezwungen, dem Kanzler den Rücken zu stärken. | |
Kurz geht davon aus, dass das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei ohnedies | |
demnächst platzen werde. Österreich sei daher gut beraten, selbst für die | |
Abriegelung der Grenzen zu sorgen. Verteidigungsminister Hans Peter | |
Doskozil (SPÖ) und Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sorgen mit ihrem | |
Grenz-Management und enger Kooperation mit Ungarn für die Umsetzung dieses | |
Auftrags. Seit Monaten schon bleiben Asylsuchende in Griechenland hängen. | |
Die Anzahl der täglich in Österreich eintreffenden Flüchtlinge ist | |
überschaubar. Das auflagenstarke Boulevard-Blatt Kronen Zeitung, das das | |
Ohr immer am Puls der Stammtische hat, diagnostiziert anlässlich der | |
Türkei-Debatte einen Rechtsruck der Regierung, der „den Freiheitlichen | |
derzeit politisch kaum noch Luft“ lasse. | |
## Applaus von der Linkspartei | |
Beim Treffen der deutschsprachigen Außenminister in Liechtenstein blieb | |
Sebastian Kurz mit seiner Linie aber isoliert. Insbesondere Frank Walter | |
Steinmeier las ihm die Leviten: „Ich befürchte, das Problem, vor dem wir | |
hier stehen, ist etwas größer als die Frage, wann, wie und in welcher | |
Geschwindigkeit Beitrittsverhandlungen geführt werden“, sagte Steinmeier. | |
Dort traf er sich mit seinen Kollegen aus der Schweiz, Liechtenstein, | |
Österreich und Luxemburg. Sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn | |
lehnte einen Verhandlungsstopp mit dem Hinweis ab, dass dieser in der EU | |
auch nicht durchsetzbar sei. | |
Applaus für den konservativen Österreicher kommt ausgerechnet von der | |
Linkspartei und wurde von deren Vorsitzendem Bernd Riexinger formuliert: | |
„Eine Regierung, die Journalisten verfolgt, die Justiz gleichschaltet, | |
Oppositionelle in die Gefängnisse wirft und Krieg gegen die eigene | |
evölkerung führt, kann man nicht in die EU aufnehmen“, so Riexinger in der | |
deutschen Presse vom Sonntag. Das Flüchtlingsabkommen mit Ankara mache die | |
Bundesregierung erpressbar. Riexinger: „Frau Merkel tut nichts, um Erdogan | |
auszubremsen. Sie lässt sich von ihm vorführen“. | |
Deswegen müsse auch das Flüchtlingsabkommen aufgekündigt werden. Ganz | |
anders argumentiert die Grüne Europa-Abgeordnete Rebecca Harms, die die | |
Gespräche als Möglichkeit sieht, zum Schutz vieler Türken auf | |
Rechtsstaatlichkeit zu drängen: „Europa darf nicht die aufgeklärten, | |
demokratieorientierten Türken, die sich auf die EU verlassen haben, im | |
Stich lassen. Wir sollten auf Forderungen im Affekt verzichten“. | |
7 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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