# taz.de -- Reaktionen auf Erdoğan-Politik: Kein EU-Beitritt bei Todesstrafe | |
> Europas Politiker reagieren empört auf eine mögliche Wiedereinführung der | |
> Todesstrafe in der Türkei. Präsident Erdoğan entlässt indes knapp 9.000 | |
> Staatsbedienstete. | |
Bild: Und wieder welche festgenommen: Erdogan lässt weiter hart gegen Mitglied… | |
Brüssel/Istanbul/Berlin afp/dpa/rtr | Die Einführung der Todesstrafe in der | |
Türkei wäre nach Ansicht der Bundesregierung das Aus für die türkischen | |
EU-Beitrittsgespräche. „Deutschland und die EU haben eine klare Haltung: | |
Wir lehnen die Todesstrafe kategorisch ab“, sagte Regierungssprecher | |
Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Die Einführung der Todesstrafe in der | |
Türkei würde folglich das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen bedeuten.“ | |
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die türkische | |
Regierung nach dem gescheiterten Putsch aufgefordert, demokratische | |
Grundsätze beim Vorgehen gegen ihre Kritiker zu respektieren. | |
„Rechtsstaatliche Kriterien, das Gebot der Verhältnismäßigkeit“ müssten | |
weiter Beachtung finden, sagte Steinmeier am Montag beim Treffen der | |
EU-Außenminister in Brüssel. Er verwies dabei auch auf die „große | |
Einigkeit“ bei Bürgern und im Parlament, sich gegen das „Joch einer | |
Militärdiktatur“ zu stellen. | |
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnte Ankara vor der | |
Wiedereinführung der Todesstrafe nach dem Putschversuch. „Kein Land kann | |
EU-Mitglied werden, wenn es die Todesstrafe einführt“, sagte sie, nachdem | |
der Staatschef Recep Tayyip Erdoğan am Sonntagabend diese Möglichkeit ins | |
Gespräch gebracht hatte. | |
Ähnlich wie Mogherini äußerte sich der österreichische Außenminister | |
Sebastian Kurz zur Todesstrafe. Er kritisierte die Massenverhaftungen nach | |
dem Putschversuch vom Freitag scharf. „6.000 Verhaftungen mit 3.000 | |
Angehörigen aus der Justiz“ seien „absolut unakzeptabel“, sagte er. Der | |
Putschversuch dürfe nun nicht „als Freibrief für Willkür verwendet werden�… | |
## Fast 9.000 Beamte entlassen | |
Nach dem fehlgeschlagenen Putsch in der Türkei sind fast 9.000 Beamte | |
entlassen worden. Insgesamt 8.777 Staatsbedienstete seien ihrer Posten | |
enthoben worden, darunter 30 Gouverneure und 52 Inspekteure, meldete die | |
amtliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag unter Berufung auf das | |
türkische Innenministerium. Nach dem Putschversuch waren bereits am | |
Wochenende rund 6.000 Menschen festgenommen worden, darunter mehr als | |
hundert Generäle und Admiräle. In der Türkei gibt es 81 von Gouverneuren | |
geführte Provinzen. Am Sonntag hatte Erdoğan angedroht, die „Säuberung | |
aller staatlichen Institutionen von diesem Geschwür“ werde weitergehen. | |
Die türkische Regierung gerät wegen ihres Vorgehens gegen mutmaßliche | |
Unterstützer des Putschversuches zunehmend unter internationalen Druck. Bei | |
einem EU-Außenministertreffen in Brüssel zeigten sich etliche Teilnehmer | |
tief besorgt über die Entwicklungen in dem Land, das auch | |
EU-Beitrittskandidat ist. Die EU-Kommission warf den Staatsführung um | |
Präsident Recep Tayyip Erdoğan sogar Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit | |
vor. | |
Man habe sofort nach den Ereignissen die Erwartung geäußert, dass die | |
Aufarbeitung nach internationalem Recht erfolge, sagte der für die | |
EU-Beitrittskandidaten zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn am Montag in | |
Brüssel vor einem Treffen der EU-Außenminister. „Nach dem, was wir sehen, | |
ist das nicht wirklich der Fall.“ | |
## Die Befürchtungen werden wahr | |
Hahn zeigte sich speziell über die Festnahme von Richtern beunruhigt. „Das | |
ist genau das, was wir befürchtet haben“, sagte er. Zudem äußerte er die | |
Vermutung, dass die türkische Regierung ein Vorgehen gegen Gegner bereits | |
länger geplant hatte. „Dass Listen direkt nach den Vorkommnissen vorhanden | |
waren, deutet darauf hin, dass sie vorbereitet waren und zu einem | |
bestimmtem Moment genutzt werden sollten“, sagte er. | |
Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault sagte: „Wir müssen | |
aufpassen, dass die türkischen Behörden kein System einrichten, das sich | |
von der Demokratie abwendet.“ Die Türkei habe in den vergangenen Jahren | |
viele Fortschritte gemacht und Reformen abgeschlossen, nun bestehe aber | |
offensichtlich die Gefahr einer Kehrtwende. | |
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn kritisierte explizit das | |
Vorgehen gegen Justizvertreter sofort nach dem Ende des Putschversuchs. „Es | |
ist befremdlich, dass einige Stunden nach dem Versuch fast 3.000 Richter | |
abgesetzt werden“, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“ In einem Rechtsstaat | |
müsse die Gewaltenteilung respektiert werden. Statt mit Emotionen und | |
starken Worten zu reagieren müsse sich die Türkei jetzt selbstkritisch | |
fragen, wie es zu dem Umsturzversuch kommen konnte, forderte Asselborn. | |
Der neue britische Außenminister Boris Johnson kommentierte, alle Seiten | |
sollten nun Zurückhaltung und Mäßigung zeigen. | |
## Tornados der Bundeswehr in Incirlik starten wieder | |
Nach den USA hat auch die Bundeswehr auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik | |
den routinemäßigen Flugbetrieb wieder aufgenommen. Die Tornados und | |
Tankflugzeuge im Einsatz gegen die IS-Dschihadisten würden seit Montag | |
wieder starten, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. | |
Die Sicherheitsstufe auf der Basis im Süden der Türkei sei zwar noch immer | |
angehoben, aber „das Leben auf der Basis geht langsam wieder zur Normalität | |
über“. | |
Das US-Verteidigungsministerium hatte bereits am Sonntagnachmittag erklärte | |
der türkische Luftraum sei für Militärflugzeuge wieder offen. | |
Nach dem Putschversuch in der Nacht zu Samstag hatten die türkischen | |
Behörden den Stützpunkt abgeriegelt. Bundeswehrsoldaten durften die Basis | |
aufgrund der erhöhten Alarmstufe nicht verlassen. | |
Die Bundeswehr ist auf der Basis Incirlik unweit der syrischen Grenze am | |
Kampf gegen den IS beteiligt. Sie hat dort rund 240 Soldaten stationiert. | |
Die US-Armee hat etwa 1.500 Soldaten und mehrere Dutzend Kampfflugzeuge und | |
Drohnen auf dem Stützpunkt. Neben türkischen und britischen Kampfjets gibt | |
es dort außerdem saudiarabische F-16-Kampfflugzeuge. | |
18 Jul 2016 | |
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Friedrich Küppersbusch | |
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