Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verkehrsführung: hintenrum: Die Autobahn-Intrige
> Mit vertraulicher Post wirbt Bremens CDU-Fraktionschef beim
> Staatssekretär für die umstrittene Flughafen-Überquerung
Bild: Herzlich grüßen einander Staatssekretär Enak Ferlemann und CDU-Mann Th…
BREMEN taz | „Lieber Enak“ so steht es handschriftlich über einen Brief,
den der Bremer Fraktionsvorsitzender CDU an den Parlamentarischen
Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium geschrieben hat. Der
Angeschriebene antwortet artig: „Lieber Thomas …“ In dem Schreiben geht es
aber nicht um die private Bekanntschaft der beiden CDU-Politiker, sondern
um ein höchst umstrittenes Bremer Straßenbau-Projekt. Und was der „liebe
Thomas“ (Röwekamp) von dem „lieben Enak“ (Ferlemann) will, ist schlicht
eine parteipolitische Intervention in die Berliner Verkehrsbehörde, um
Absprachen mit dem Bremer Verkehrssenator zu unterlaufen.
Eine Woche, nachdem der vertrauliche Brief in Berlin beim parlamentarischen
Staatssekretär angekommen war, hatte die Fachabteilung des Ministeriums ihn
als „Eingabe“ in ihren Akten. Diese politische Intervention sei „von der
Form her für die Demokratie höchst problematisch und für Bremen ein
Desaster“, kritisierte gestern der grüne Landesvorsitzende Ralph Saxe.
Für Bremen sei das „ein Desaster“ – vor allem, weil die Bremer
Verkehrsbehörde mit dem Bundesministerium darüber verhandelt hatte, dass
die A1 zwischen dem Bremer Keuz und Brinkum achtspurig „vordringlich“
ausgebaut werden soll. Ein Unfallschwerpunkt ist die Strecke, ein
notorischer Stau-Bereich, und wegen der schlechten Lärmschutz-Qualität eine
Belastung für die Anwohner.
Wenn die Autobahn ausgebaut wird, finden die neuesten
Lärmschutz-Bestimmungen Anwendung, so Saxe. Und für den Wirtschaftsverkehr
sei der Ausbau auch gut.Doch nach der Intervention des Bremer
CDU-Fraktionsvorsitzenden stünde dieser Ausbau nun nicht mehr im
„vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplanes.
Da sei er nur im Rahmen eines Deals hineingekommen, sagt Saxe: Der Bau der
Flughafen-Überquerungsstraße „B6n“, über die unter der Frage „Tunnel o…
an der Wohnsiedlung entlang“ seit Jahren gestritten wird, sollte
stattdessen nicht mehr „vordringlich“ finanziert werden. Da die Bremische
Bürgerschaft einstimmig, also mit den Stimmen der CDU, 2012 beschlossen
hatte, dass diese Straße als Tunnel unter der Landebahn hindurch gebaut
werden dürfe, die Tunnel-Mehrkosten aber vom Bund nicht übernommen werden,
sieht die rot-grüne Koalitionen da keinen „vordringlichen“ Bedarf mehr.
In dem vertraulichen Brief verkündet Röwekamp dem Berliner Parteifreund
eine Kehrtwende, die die CDU in Bremen bisher nicht öffentlich gemacht
hatte: „Jede B6n ist besser als keine B6n“, heißt es da. Wenn das so ist,
ist natürlich jeder Euro für die teurere Tunnellösung verschwendetes Geld.
Genau um die Beteiligung an dieser Finanzierung will Bremens
Verkehrssenator aber in den nächsten Jahren mit dem Berliner Ministerium
verhandeln. Röwekamp trat gestern nach der Veröffentlichung seines
Briefwechsels durch die Grünen die Flucht nach vorn an. Auch der Ausbau der
A1 sei für die CDU wichtig, erklärte er, man dürfe beide Verkehrsprojekte
nicht gegeneinander ausspielen.
In seinem eigenen Brief an Ferlemann war er aber noch von einem „Tausch“
ausgegangen, den Lohse aushandelt habe: der vorrangige Ausbau der A1 als
Gegenzug zum Verzicht auf die Vordringlichkeit der Flughafen-Straße. Beide
Projekte kosten jeweils mehr als 100 Millionen Euro.
Dass beide Projekte „vorrangig“ realisiert werden, forderte Röwekamp in
seinem Brief nicht. Wohlweislich nicht – das Verkehrsministerium hatte
deutlich gemacht, dass nur für eine dieser beiden Maßnahmen Geld da sei. In
einem Antrag an die Bürgerschaft, der am 24. August beraten werden soll,
beschreibt die CDU die Bedeutung verschiedener Straßenprojekte – kein Wort
zu der A1 und einer angeblichen Vordringlichkeit.
Ferlemann hat den Brief auch nicht als Ansinnen verstanden, mehr Geld aus
dem Topf herauszuholen, als Bremen und das Ministerium vereinbart hatten.
„Danke für Dein Engagement für die B6n“, hat er handschriftlich unter
seinen Antwortbrief gesetzt. Um das zu verstehen, muss man wissen, dass
Ferlemann im Landesvorstand der CDU in Niedersachsen sitzt.
Die umstrittene Straße liegt sehr im Interesse der niedersächsischen
Nachbargemeinde Brinkum, die dort ihre Outlet-Center erweitern könnte. Den
Niedersachsen kann der Anwohnerschutz in Bremen egal sein. „Jede B6n ist
besser als keine B6n“ gibt daher sehr genau die niedersächsische
Interessenlage wieder. Dafür bedankt sich Parteifreund Ferlemann.
17 Aug 2016
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Bundesverkehrswegeplan
Verkehrsministerium
Verkehrstote
Verkehrsplanung
Verkehrsministerium
Bremen
Asylpolitik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vorauseilender Jahresrückblick 2016: Baden auf dem Bahnhofsvorplatz
Ein Abgeordneter nach dem anderen beraubt sich seiner Immunität – und beim
Neubau auf dem Bahnhofsvorplatz werden immer neue Löcher gegraben.
CDU will noch schärferes Asylrecht: In Seehofers Fußstapfen
Bremer CDU plädiert bei Asylpolitik für Flüchtlings-Sonderlager und
Sachleistungen, aber gegen „ungeregelte Einwanderung“.
Stadtautobahn: Autobahn A 281 – der Kampf geht weiter
Nach den Kämpfen der letzten Jahre haben die Bürgerinitiativen aus
Obervieland kaum Vertrauen in die Politik.
Bremen muss "Süd"-Variante der A 281 selbst zahlen: Berlin entscheidet Streit …
Das Verkehrsministerium hat sechs Millionen Euro für einen Kompromiss zum
Kompromiss über die A 281 angeboten. Die CDU korrigiert als erste ihre
Position
Kommentar: Kein "Monsterknoten" an der A 281: Die Autobahn-Posse
Bürgerproteste haben zwar die unsinnige "Monsterknoten"- Autobahnplanung
der A 281 verhindern, die sinnvolle Variante allerdings nicht durchsetzen
können
ROT-GRÜN-BILANZ (2): Unterm Druck der Straße
Die S-Bahn fährt zwar, an vielen weiteren Baustellen aber geht wenig voran.
Oft, weil die Bau-, Umwelt- und Verkehrspolitik zu wenig Gespür für
Konflikte hat
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.