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# taz.de -- ROT-GRÜN-BILANZ (2): Unterm Druck der Straße
> Die S-Bahn fährt zwar, an vielen weiteren Baustellen aber geht wenig
> voran. Oft, weil die Bau-, Umwelt- und Verkehrspolitik zu wenig Gespür
> für Konflikte hat
Bild: Der grüne Bau- und Umweltsenator Reinhard Loske
Unter allen Bereichen der Lokalpolitik ist stets, was mit Bauvorhaben und
Verkehr zu tun hat, am schnellsten öffentlich in der Kritik. Denn es gibt,
neben dem "Mehr Straßen"-Getrommel von Handelskammer & Co. bei jedem
Vorhaben immer jemanden, der ganz persönlich betroffen ist. Reinhard Loske,
grüner Senator für Bau, Umwelt, Verkehr und Europaangelegenheiten, kennt
diesen Effekt zur Genüge. Umso wichtiger ist es, dass gerade die
Stadtplanungs- und Verkehrspolitik klare Kriterien aufstellt und diese
öffentlich vertritt. Mögliche Konflikte muss sie frühzeitig vorhersehen und
von Anfang an gemeinsam mit den Betroffenen versuchen auszuräumen.
Erfolgreiche Ansätze in dieser Richtung sind etwa bei der Bebauung des
Klinikgeländes in Hulsberg zu erkennen. An vielen anderen Baustellen
Bremens sieht es in dieser Hinsicht aber eher mau aus. Ein Konzept, wie
Bremen mit dem wachsenden Schienengüterverkehr umgehen soll, ist bis heute
Mangelware. Erst Proteste lärmgeplagter Anwohner brachten das Thema
überhaupt auf den Tisch. Im Falle der Ufergestaltung am Werdersee beim
Baugebiet um die umgedrehte Kommode etwa sah Loske zunächst keinerlei
Problem - und rief dann, nach wochenlangen Protesten, ein mehrjähriges
Moratorium aus: Problem aussitzen statt lösen. Bei der geplanten
Steinschredder-Anlage am Waller Feldmarksee verriet er bis heute nicht, ob
er es für richtig hält, das faktische Naherholungsgebiet für derlei
Industrieansiedlungen zu nutzen. Stattdessen lavierte er zwischen einer
Verlegung auf die Nachbarwiese und Lärmschutzgutachten. Erst das Parlament
zog die Notbremse und erzwang einen Bebauungsplan.
Bei der Verlängerung der Straßenbahn-Linie 8 von Huchting nach Stuhr, die
verkehrspolitisch sinnvoll ist, aber seit Jahren auf heftigsten Widerstand
mancher Anwohner stößt, legten Loskes Planer einen Entwurf vor, der so
schlecht war, dass sie nun seit Monaten erneut nach Alternativen suchen
müssen. Gute Politik hätte diese Arbeit unter intensiver Beteiligung der
Betroffenen vorher erledigt. Ähnlich bei der unsäglichen Planung der A281
im Abschnitt Kattenturm - Stichwort: Monsterknoten. Nicht etwa der
politisch verantwortliche Senat, sondern erst das Bundesverwaltungsgericht
stoppte hier die Beton-Pläne der Behörde. Primat der Politik sieht anders
aus.
Erfolge kann die rot-grüne Koalition und Loske dagegen in der
Klimaschutzpolitik vorweisen - auch wenn nicht alle offiziell beabsichtigt
waren. An erster Stelle wäre der Verzicht der SWB auf den Bau eines
900-Megawatt-Kohlekraftwerks zu nennen, das neben Staub und Giften jedes
Jahr 5 Millionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen hätte. Das Umweltressort
hat nach der Wahl 2007 in Gesprächen mit der SWB sicher durchblicken
lassen, dass eine Inbetriebnahme des Kohleofens vor 2014 wegen der nötigen
Genehmigungen eher unwahrscheinlich wäre. Ab 2014 aber hätte die SWB voll
für die CO2-Verschmutzungsrechte zahlen müssen - die Wirtschaftlichkeit des
Projekts kippte. Das Gaskraftwerk, das stattdessen nun entsteht, ist nicht
nur umweltfreundlicher, sondern auch energiewendekompatibel.
Vorbild ist Bremen auch bei der Umstellung des Strombezugs für die
öffentlichen Gebäude und Verbraucher auf Ökostrom. Für Neubauten gelten
strenge Energiestandards. Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung nutzte
der Senat zur Wärmedämmung öffentlicher Gebäude. Nur in wenigen Fällen zur
Anwendung kam hingegen kam der Senatsbeschluss, Energiesparmaßnahmen an
öffentlichen Gebäuden auf Dritte zu übertragen, die im Gegenzug einen Teil
der eingesparten Energiekosten erhalten ("Contracting"). Bei privaten
Gebäuden in Bremen herrscht nach wie vor ein enormer Sanierungsstau.
Schluss gemacht hat rot-grün mit der Flächenfraß-Politik der großen
Koalition. Statt die Ränder Bremens mit Neubau- und Gewerbegebieten
vollzupflastern, steht nun in erster Linie die Entwicklung der
innerstädtischen Brachen Überseestadt, Stephani-Viertel und Stadtwerder im
Mittelpunkt. Das Vorhaben einer Abwasser-GmbH, die Privatverbraucher
zugunsten von Unternehmen belastet hätte, beerdigte Loske. Und die
Regio-S-Bahn wird, trotz ihres holperigen Starts, schon bald niemand mehr
wegdenken können.
15 Apr 2011
## AUTOREN
Armin Simon
## TAGS
Bundesverkehrswegeplan
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