| # taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Feigheit vor dem Freund | |
| > Wie ich wieder mal jämmerlich versagte – als schlechtes Ökogewissen der | |
| > Familie. Wie soll das so klappen mit der Rettung der Welt? | |
| Bild: Im Urlaub lieber den Kopf in den Sand stecken? Oder doch über die Ökobi… | |
| Das hätte ich von Hölderlin nicht gedacht. Aber ausgerechnet der Leib- und | |
| Saumagendichter von Helmut Kohl sprach mir an diesem sonnigen Tag aus der | |
| Seele: „Was kümmert mich der Schiffbruch der Welt“, stand an der Glaswand | |
| im „Museum der Westküste“ auf der Insel Föhr, „ich weiß von nichts, als | |
| meiner seligen Insel.“ | |
| Genau so war es. Eine Woche Urlaub im Weltwunder Wattenmeer mit der | |
| zwölfköpfigen Großfamilie. Alle Wunder waren möglich, am besten | |
| gleichzeitig. Lange schlafen und früh aufstehen, faul am Strand und | |
| kilometerlange Strandmärsche, Wasser an den Knien oder trockener Schlick | |
| bis zum Horizont, glühende Sonne und peitschender Regen, drei Generationen | |
| unter zwei Dächern, Friede den Hütten und den Palästen. Vom Opa bis zum | |
| Kleinkind erfüllten alle perfekt ihre jeweiligen Rollen. | |
| Nur einer versagte jämmerlich: ich. Denn meine ökologische Nische in diesem | |
| Kosmos besteht nicht nur darin, durch morgendliches Jogging zu nerven, | |
| mittags die Kinder ins Wasser zu treiben, nachmittags die alten Romane des | |
| Umweltministers von Schleswig-Holstein zu lesen und abends die Reste vom | |
| Vortag zusammenzukochen – sondern auch darin, die gute Laune der Familie | |
| durch peinliche Ökofragen zu stören. Doch da war die Insel der Seligen | |
| einfach zu stark für meinen schwachen Charakter. | |
| Nicht, dass der Schiffbruch der Welt Sommerpause machte. Während wir am Eis | |
| leckten, meldete 2016 einen neuen Hitzerekord und irgendein Institut, dass | |
| sich der Raubbau an den Ressourcen in den letzten Jahren verdreifacht habe. | |
| Und es gab sicher genug zu diskutieren: Was das Fleisch aus dem Sky-Markt | |
| eigentlich bio? Muss man jeden Tag eine Waschmaschine anwerfen? Sind die | |
| Lichter aus, duscht man täglich zweimal warm? Und wie viele tausend | |
| Flugkilometer gehen in diesem Sommer wieder auf unsere Rechnung? | |
| ## Wann? Und bei welcher Gelegenheit? | |
| „Rede doch einfach mit ihnen, wenn es dich wirklich stört“, sagte meine | |
| Frau. Recht hatte sie. Aber wann? Nie hat man so wenig Zeit wie in einer | |
| Woche voller Nichtstun. Und bei welcher Gelegenheit? Wenn am Strand alle | |
| Sandburgen bauen? Oder spät am Abend nur noch aufnahmefähig für | |
| Stracciatella-Eis sind? | |
| Voller Frust über meine eigene Feigheit fing ich sogar an, eine | |
| Power-Point-Präsentation über die Grundzüge von nachhaltiger Entwicklung zu | |
| entwerfen (… „ein Transatlantikflug doppelt so viel CO2 wie im ganzen Jahr | |
| zulässig …“), hatte dann aber nicht den Mumm, die Mannschaft damit zu | |
| nerven. | |
| Wie soll das also klappen mit der Rettung der Welt, wenn nicht mal mehr die | |
| Klima-Kassandra die Klappe aufmacht? Was bringt es – außer einer Menge | |
| Ärger und bitterer Vorwürfe der Heuchelei – Freunden und Verwandten ihren | |
| Lebensstil vorzuwerfen? Und wie erklären wir Teenagern, dass es verdammt | |
| nochmal um ihre eigene Zukunft geht, für die wir jetzt und hier ein paar | |
| Rohstoffe und Lebenschancen übrig lassen sollten? | |
| Ehrlich gesagt: Ich habe keine Ahnung. Aber gleich wieder den nächsten | |
| Anlass: Am 8. August ist „Earth Overshoot Day“, wenn wir global betrachtet | |
| unsere biologischen Ressourcen wie Süßwasser und Holz für das Jahr 2016 | |
| bereits aufgebraucht haben. Ein guter Grund und Anlass, sich im engsten | |
| Freundeskreis mal wieder unmöglich zu machen. Ich muss nur den Mut dazu | |
| aufbringen. | |
| 8 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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