| # taz.de -- Kampf um Platz am Strand (Teil 2): Auf den Trümmern des Kapitalism… | |
| > Die Aktion „Sicheres Meer“ der italienischen Polizei zeigt nur eines: Wir | |
| > müssen aufhören, faul in der tödlichen Sonne zu liegen. | |
| Bild: Ist das hier nichts als ein riesiges Missverständnis? Strand in Livorno | |
| In einer gar nicht mehr so weit entfernten Zukunft, wenn die Menschheit | |
| (beziehungsweise das, was von ihr übrig ist) von einer Raumstation oder vom | |
| Mars aus mit Hochleistungsteleskopen auf unseren verbrannten Planeten | |
| hinunterschaut, dann schließlich wird vielleicht das große Heulen einsetzen | |
| – wieso wir es so grandios verbockt haben. | |
| Wieso wir im Jahr 2016 allen Ernstes eine Polizeiaktion mit dem Namen | |
| „Sicheres Meer“ („Mare sicuro“) ins Leben gerufen haben – nicht etwa,… | |
| ertrinkende Kinder aus den Wellen zu ziehen oder die Ozeane vom Plastikmüll | |
| zu befreien; [1][sondern um in einer Morgenaktion Liegestühle und | |
| Handtücher von Stränden zu entfernen], die dort am Abend zuvor platziert | |
| wurden, aber eben erst ab 8.30 Uhr ausgelegt werden durften. | |
| Und gewiss werden sich dann einige Fachleute für menschlichen Irrsinn | |
| finden und erklären, dass die Europäer eben auch im Jahr 2016 nach jedem | |
| Handtuch gegriffen haben, um dem Drilling von Terror, Klimawandel und | |
| Abschottung einen womöglich letzten Sommer lang zu entkommen. | |
| Dass sie es fertigbrachten, noch an immer umkämpfteren, sogenannten | |
| sicheren Stränden zu liegen, mit dem einzigen Ziel, der Realität ihren Lauf | |
| zu lassen, die der Theatermann Milo Rau kürzlich in einem Manifest so | |
| formulierte: „Viele ‚Points of no Return‘ sind überschritten. Pessimisti… | |
| gesprochen ist es gleichgültig, was wir tun – der auf dem Verbrennungsmotor | |
| basierende globale Kapitalismus wird in den nächsten drei Jahrzehnten | |
| untergehen.“ | |
| ## Der kleine private Raum | |
| Und vielleicht werden dieselben Experten dann erläutern, dass die Menschen | |
| gar nicht anders konnten, als weiter zu versuchen, sich ihren kleinen | |
| privaten Raum mit einem früh verlegten Handtuch zu sichern – wie die ob der | |
| Polizeiaktion erbosten Touristen an den italienischen Stränden – und dass | |
| sie wenig Verständnis zeigten, warum eben dieser ihr Platz einer | |
| Öffentlichkeit zugänglich bleiben müsste, von der sie gar keinen Begriff | |
| mehr hatten. | |
| Denn dass man nur bekommt, was man sich nimmt, dass nur der early bird den | |
| Wurm catcht und dass der Markt mit seiner unsichtbaren Hand die Dinge am | |
| besten regelt, das haben wir doch nun über Jahrhunderte und die letzten 25 | |
| Jahre noch einmal verschärft eingetrichtert bekommen. | |
| ## Die unsichtbare Hand | |
| Nur dass eben, wie der US-amerikanische Science-Fiction-Autor Kim Stanley | |
| Robinson sagt, die unsichtbare Hand nie die Rechnung zahlt. Es war, werden | |
| die Experten sagen, ein riesiges Missverständnis, dass, wenn jeder das tut, | |
| was ihm für sich am besten erscheint, alle zusammen besser leben, ja | |
| überhaupt überleben. | |
| Noch unsere Eltern konnten dieses Missverständnis als nicht weiter tragisch | |
| abtun; wir können das nicht mehr. Wir müssen, um mit Milo Raus Manifest zu | |
| sprechen, aufhören faul in der tödlichen Sonne zu liegen, wir müssen uns | |
| verbünden, unsere Ohnmacht als imaginär erkennen und eine globale | |
| Zivilgesellschaft gründen, „auf den Trümmern des Kapitalismus“ allerdings. | |
| Und zwar, falls uns partout kein besserer Grund einfallen will, schon | |
| allein deswegen, weil es die Stände, auf denen wir heute noch reservieren, | |
| demnächst eh nicht mehr geben wird. | |
| 10 Aug 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!5323304/ | |
| ## AUTOREN | |
| Ambros Waibel | |
| ## TAGS | |
| Strand | |
| Urlaub | |
| Reiseland Italien | |
| Italien | |
| Milo Rau | |
| Kapitalismus | |
| Italien | |
| Strand | |
| Strand | |
| Ökologie | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Italiens Premier Matteo Renzi: Jenseits von Berlusconi | |
| Italiens Regierungschef Matteo Renzi wird in Deutschland gern als Reformer | |
| gefeiert. Doch der Eindruck täuscht gewaltig. | |
| Kampf um Platz am Strand (Teil3): Die Macht im Sand | |
| Handtücher auf Liegestühlen als besitzanzeigendes Objekt müssen bekämpft | |
| werden. Denn sie sind ein erster Schritt in die Zwei-Klassen-Gesellschaft. | |
| Kampf um Platz am Strand (Teil 1): Sommerliebe Sonnenliege | |
| Italienische Behörden wollen nun das berühmte Handtuch zur Reservierung des | |
| Strandplatzes bestrafen. Und das ist absolut angemessen. | |
| Kolumne Wir retten die Welt: Feigheit vor dem Freund | |
| Wie ich wieder mal jämmerlich versagte – als schlechtes Ökogewissen der | |
| Familie. Wie soll das so klappen mit der Rettung der Welt? |