| # taz.de -- Die Wahrheit: Gold-Pussies auf Trab bringen | |
| > Olympische Spiele 2016: Einblicke in die schmutzigen Umtriebe der | |
| > hochgeheimen Sabotage-Abteilung des Internationalen Olympischen Komitees | |
| Hier funktioniert ja alles! Sogar der Lichtschalter!“ Walther Freimuth ist | |
| stinksauer. Er steht wutentbrannt vor der Unterkunft der australischen | |
| Mannschaft im Olympischen Dorf. Tatsächlich scheinen die Mängel behoben | |
| worden zu sein, die im Vorfeld der Spiele von Rio für so viel Wirbel | |
| gesorgt haben. | |
| „Die können uns doch nicht einfach so ins Handwerk pfuschen, die | |
| Brasilianer!“, flucht Freimuth, während er aus dem Sicherungskasten des | |
| Zweibettzimmers wahllos Kabel herausrupft. Der drahtige Mittvierziger | |
| leitet im IOC die Abteilung Sodi (Secret Olympian Drillinstructors), und | |
| der Auftrag des Internationalen Olympischen Komitees lautet: Für | |
| athletische Höchstleistungen sorgen! Auf jede nur erdenkliche Art! | |
| Freimuth lockert noch schnell die Schrauben der Standfüße eines Betts. „Das | |
| hält höchstens zwei Nächte“, stellt er zufrieden fest. Bevor er das | |
| Athletenzimmer verlässt, versteckt er ein Stück Limburger Käse hinter dem | |
| Gitter des Lüftungsschachts. Der ehemalige Fremdenlegionär nennt das „Einen | |
| Gruß vom Haus“. Jetzt müsse nur noch die Zoologische Abteilung | |
| vorbeischauen, erklärt er mit vielsagendem Blick. | |
| Sodi agiert normalerweise unerkannt im Hintergrund. Doch ausnahmsweise | |
| bekommen wir einen exklusiven Einblick in die hochgeheime Arbeit der | |
| „Schleifer des IOCs“, wie das Team im Olympischen Komitee respektvoll | |
| genannt wird. | |
| Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass sich Sportlerunterkünfte bei | |
| großen Wettbewerben in einem fragwürdigen Zustand befinden. Das ist nicht | |
| etwa Pfusch am Bau, dahinter steckt knallhartes Kalkül. | |
| „Das Leben der Spitzenathleten ist zu bequem geworden. Masseure, | |
| Physiotherapeuten, Ernährungswissenschaftler, Regenerationstrainer, | |
| Freizeitplaner! Sportler sind nix mehr gewöhnt!“, poltert sich Freimuth | |
| erneut in Rage. Vor Sodi habe er jahrelang im Straßenbau gearbeitet. „Da | |
| hat mich auch keiner nach der Schicht durchgeknetet und mir im Anschluss | |
| einen Eiweiß-Shake in die Hand gedrückt!“ | |
| Der Sodi-Chef kritisiert schon länger einen signifikanten Leistungsabfall | |
| in den Wettbewerben – eine Konsequenz aus der „pussymäßigen | |
| Verweichlichung“ der Athleten. „Heute stehen die Damen und Herren | |
| Spitzensportler am Startblock für den 100-Meter-Lauf und fragen sich, warum | |
| ihnen keiner die gottverdammten Schuhe zugebunden hat! Dann fällt der | |
| Startschuss, und die kriegen nach 50 Metern direkt ein Hüsterchen und rufen | |
| nach dem Mannschaftsarzt!“ | |
| Sein Team habe die Aufgabe, dieser Entwicklung entgegenzuwirken – | |
| undercover natürlich, denn der Aufschrei unter den Athleten wäre groß, | |
| nähme man ihnen einfach ihre Regenerationsmöglichkeiten. „Wir sind | |
| professionelle Saboteure! Aber immer voll und ganz im Sinn der Olympischen | |
| Idee. Also: Höher, schneller, weiter …“ | |
| Die Maßnahmen würden dabei nicht willkürlich von Sodi ersonnen, erläutert | |
| Freimuth, sondern beruhten auf einer „fundierten sporttheoretischen | |
| Grundlage“, die er höchstpersönlich erarbeitet habe. So nehme die | |
| Leistungsfähigkeit der Sportler proportional zu den wachsenden | |
| Annehmlichkeiten des Alltags ab. „Wenn ich in meiner Unterkunft zum | |
| Scheißen nur zwei Meter weit gehen muss, dann kann ich doch keine | |
| Höchstleistung abrufen, wenn ich später auf der Laufbahn im Stadion stehe!“ | |
| Der oberste Drillinstructor tupft sich den Schweiß von der Stirn, während | |
| er fortfährt. „Aber ist die Toilette auf dem Zimmer dicht, dann muss ich | |
| erst mal zwanzig Stockwerke runter zum Gemeinschaftsklo. Der Aufzug steckt | |
| selbstverständlich gerade fest, und dann kommt Schwung in die Sache!“ | |
| Dabei muss Sodi allzu oft gegen die Veranstalter am Ort der Spiele handeln, | |
| die immer wieder ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen wollen, wie die | |
| Spitzensportler untergebracht werden sollen. Ursprünglich wollten die | |
| Brasilianer in jedem Athleten-Zimmer einen Fernseher installieren. „Als ich | |
| das gehört habe, musste ich erst mal meine Dosis Betablocker verdoppeln!“, | |
| rumpelt der Sodi-Boss. | |
| Sein Team habe den Gerätelieferanten „aus dem Verkehr gezogen“. Aber sie | |
| seien ja keine Unmenschen. „Erst wollten wir den Mann ja bestechen. Der | |
| sollte dann irgendwas von kurzfristigen Lieferengpässen erzählen. Aber | |
| wussten Sie, wie günstig hier ein Auftragskiller ist?“ | |
| Ein äußerst wichtiger Baustein bei der Arbeit von Sodi ist die | |
| psychologische Komponente. Die russischen Unterkünfte im Olympischen Dorf | |
| beispielsweise sind auf Grund der vielen Dopingsperren halbleer. Eine große | |
| Chance für Walter Freimuth und sein Team. | |
| ## Adrenalin aus Guantánamo | |
| „Wir haben unsere Leute inkognito bei den Russen eingeschleust.“ Diese | |
| „Schläfer“ würden alles tun, außer zu schlafen. Mit einem „Na, bist du… | |
| noch wach?“, fange der Mitarbeiter mitten in der Nacht ein Psychotraining | |
| mit seinem Zimmernachbarn an, indem er ihm ein ausgiebiges Problem- und | |
| Beziehungsgespräch aufdrücke. Besonders vor entscheidenden Wettkampftagen | |
| sei dieses mentale Ausdauertraining enorm wichtig. „Ein Spitzensportler | |
| muss mit Extremsituationen souverän umgehen können. Sonst klappt der | |
| zusammen, wenn es um die Wurst geht!“ | |
| Viele der Schläfer seien professionelle Anheizer aus dem Showgeschäft, die | |
| zuverlässig dafür sorgten, dass der Adrenalinpegel auch in der knapp | |
| bemessenen Freizeit der Sportler „schön hoch“ bleibe. Das Motto der | |
| Olympischen Spiele sei schließlich „‚Allzeit bereit‘ oder so ähnlich“, | |
| meint Freimuth. Deshalb setze man auf „Psycho-Vegetativen Stress“, eine | |
| höchst umstrittene Methode, die der sonnengegerbte Afghanistan-Veteran in | |
| seiner Zeit als Guantánamo-Wärter gelernt haben will, wie er behauptet. | |
| „Du musst in den Kopf des Athleten eindringen! Dahin gehen, wo es wehtut! | |
| In die Spitze des Hirnlappens!“, raunt Freimuth und bekommt jetzt einen | |
| ganz stieren Blick. „Wenn wir bei ihm waren, glaubt er am nächsten Morgen | |
| nicht, dass er das nur geträumt hat“, schwärmt Freimuth. „Wir gehen rein | |
| und setzen ihn unter Druck. Das können Sie sich nicht vorstellen. Oder hat | |
| man Ihnen schon mal einen Kaiman, der aussieht wie Putin, unter die | |
| Bettdecke geschoben?“ Wir können noch nicht einmal ,Nein' hauchen, so | |
| schnell färt Freimuth fort. „Dazu wird das Deckenlicht die ganze Nacht ein- | |
| und wieder ausgeschaltet, und spätestens um vier Uhr morgens bricht Ihr | |
| Bewusstsein und Ihr Bett zusammen. Und dann verschwinden wir langsam | |
| wieder.“ | |
| Langsam wird uns klar, was ein Insider aus den Reihen des IOC, der anonym | |
| bleiben wollte, uns im Vorfeld der Recherche im schweizerischen Lausanne | |
| sagen wollte: „Die Jungs von Sodi sind komplett durchgedreht! Eine | |
| Sport-Stasi! CIA, NSA, FSB, ADAC – alles in einem. Die hat keiner mehr | |
| unter Kontrolle!“ | |
| ## Heiße Phase in Rio | |
| Der Gewaltmensch Walther Freimuth hat keine Zeit für solche, wie er es | |
| nennt, „Neider“. Sodi konzentriere sich jetzt auf die heiße Phase der | |
| Olympischen Spiele. Dabei sollen neue Techniken zur Sportlermotivation | |
| getestet werden. „Guantánamo hatte ja nicht nur schlechte Seiten. Wir | |
| wollen unsere Häftlinge … äh, Sportler meine ich … versuchsweise nachts m… | |
| Heavy Metal beschallen. Das testen wir die nächsten Tage in den Zimmern der | |
| Deutschen!“ | |
| 6 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Nico Rau | |
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