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# taz.de -- Eröffnung der Olympischen Spiele: Drei Stunden relatives Glück
> Die Eröffnungsfeier in Rio war laut und bunt und bot ein paar Stunden
> Flucht aus dem tristen Alltag. Am Ende wurde es dann doch ein wenig
> politisch.
Bild: „Eine Droge gegen Depressionen“: die Eröffnungsfeier in Rio
Rio de Janeiro taz | So viel Zeit muss sein: Die Sommerspiele der XXXI.
Olympiade in Rio de Janeiro sind eröffnet – mit einer wie erwartet
sambalastigen und insgesamt eher enttäuschenden Eröffnungsfeier im
Maracanã-Stadion. Es war laut und bunt und für die meisten Zuschauer wohl
deswegen auch stimmungsaufhellend.
Der künstlerische Leiter der Veranstaltung, Fernando Meirelles, hatte
versprochen, die Show solle wie „eine Droge gegen die Depressionen in
Brasilien“ wirken. Nun ja, die Pille tat ihre Wirkung, zumindest für drei
Stunden. Relative Happiness im Rund. 70.000 in der mythischen Schüssel
kosteten die Wirkung der verabreichten Antidepressiva aus.
Das Publikum war also enthusiastisch, und es nahm Meirelles, dem Regisseur
von „City of God“, nicht übel, dass es im Vergleich zur stilbildenden Show
in London eine billige Eröffnungsfeier war – das betraf auch das
Finanzielle. Die Party in der Freitagnacht kostete umgerechnet nur knapp
neun Millionen Euro. In London 2012 wurde das Achtfache ausgegeben.
„Ich bin sehr froh, dass wir nicht wie verrückt Geld ausgeben und
glücklich, mit diesem Low-Budget gearbeitet zu haben – alles andere hätte
für Brasilien keinen Sinn gemacht“, sagte Meirelles, der auch einen Hinweis
auf die brasilianische Improvisationskunst einflocht in seine Show, das
sogenannte Giambarra, also das Vermögen, aus nichts eine Menge zu machen.
Das klappte nicht immer.
Drei Jahre Vorbereitung waren nötig, 5.000 Freiwillige, 3.000 Kilo
Feuerwerk, 400.000 Stunden Arbeit, 36 Kilometer Stoff für 12.000 Kostüme,
um das Spektakel in Gang zu bringen. Und es nahm dann auch Fahrt auf – mit
überdimensionalen Insekten und einem monumentalen Flechtwerk, Anspielungen
auf die satte Natur des Landes. Dann kippte es ins Urbane, begleitet leider
von einem fürchterlichen Sound, aber das mag an der schlechten Anlage im
Stadion gelegen haben.
## Kitschiger Eskapismus
Die Olympiafans am Fernseher mögen das Ganze besser goutiert haben, ganz im
Sinne von Meirelles: “Die Brasilianer sollen die Zeremonie betrachten und
sagen: Wir sind coole Leute, wir kommen aus verschiedenen ethnischen
Gruppen, wir leben zusammen, wir sind nie in den Krieg gezogen, wir sind
friedfertig. Wir wissen das Leben zu genießen und neigen dazu, glücklich zu
sein.“
Transportiert wurde also eine Botschaft der Friedfertigkeit und
brasilianischer Lebenslust. So etwas gleitet oft ins Kitschige ab, aber
Meirelles gab den Zuschauern letztlich nur, was sie sehen wollten, einen
Fluchtpunkt aus einer relativ tristen Gegenwart. Die Show war reiner
Eskapismus, und sie kam auch ohne Selbstironie aus. Ein inszenierter
Überfall auf Gisele Bündchen, die das „Girl of Ipanema“ gab, wurde nach
Protesten aus der Show gestrichen. Das war dann doch zu viel Realität.
Wer Gewalt will, der braucht eh nur auf die Problemviertel von Rio zu
schauen, zum Beispiel auf das Complexo do Alemão, in dem vor wenigen Tagen
450 Militärpolizisten im wahrsten Sinne des Wortes einmarschiert sind und
sich heftige Schießereien mit Drogenbanden lieferten.
## Buntes herumhüpfen, langatmiger Einmarsch
Es ging dann weiter mit viel Herumhüpferei, Hauptsache bunt und laut und
krawallig. Bemerkenswert wenigstens der Auftritt von Lea T, einem
Transgender-Model, Tochter des brasilianischen Fußballspielers Toninho
Cerezo. Sie wurde 2010 zum Gesicht einer Givenchy-Kampagne – und in
Brasilien zum Symbol der LGBT-Gemeinde.
Kontemplativ respektive langatmig dann der Einmarsch der Nationen,
angeführt von Griechenland. Den Einmarsch hätten übrigens an die 100
Staatschefs sehen sollen, gekommen waren aber nur 37 (in Peking 2008 waren
es 80), was wohl auch an der politischen Krise in Brasilien lag.
Beim Einzug der Russen wurde vernehmbar gebuht im Maracanã, aber die
Brasilianer sollten in dieser Causa besser nicht mit dem Finger auf andere
zeigen, denn wie jetzt herausgekommen ist, stellte die Antidopingagentur
des Gastgebers einen Monat vor den Spielen praktisch die Arbeit ein und
testete Topathleten nicht mehr.
Gebuht wurde auch bei der kurzen Ansprache des konservativen
Regierungschefs Michel Temer, der die Spiele offiziell eröffnete. Temer hat
seiner Vorgängerin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei ein
Amtsenthebungsverfahren angehängt. Das heftige Buhen wurde schnell mit
einem Musikeinspieler übertönt. Dann der Höhepunkt: das Entzünden des
olympischen Feuers. Das erledigte der ehemalige Marathonläufer Vanderlei de
Lima. Pelé, der auch im Gespräch war, ließ sich wegen Hüftschmerzen
entschuldigen. Jetzt kann es also losgehen für 11.000 Athleten aus 205
Ländern.
6 Aug 2016
## AUTOREN
Markus Völker
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