| # taz.de -- Olympia-Start in der Kritik: Öde, diese deutsche Mäkelei | |
| > Die Spiele in Rio ein Elendsspektakel? Alles nur Schein, Lug und Trug? | |
| > Das sagen viele in unseren Kreisen. Leider. Es gäbe nämlich was zu | |
| > entdecken. | |
| Bild: Licht- und Laserspektakel bei der Eröffnung der Spiele in Rio | |
| Die verehrte Kollegin Carolin Emcke wusste es schon am Freitagabend in der | |
| [1][Süddeutschen Zeitung], also vor der Eröffnungsfeier der 31. Olympischen | |
| Sommerspiele in Rio: Dass man diesmal nicht mit ihr rechnen könne. | |
| „Die Geschichte der Olympischen Spiele war immer auch eine Geschichte der | |
| Komplizenschaft mit menschenverachtenden Regimen“, schreibt sie, aber dies | |
| hat sie früher nicht daran gehindert (Peking etc.), sich trotzdem diesem | |
| global gesinnten Spektakel anschauend hinzugeben. Nun sei, so auch Titel | |
| ihrer Kolumne, bei ihr alles „Vorbei“. Alles nur noch kommerziell, | |
| dopingbelastet. Und das IOC nichts als eine feste Burg gegen das Gute und | |
| Gerechte. | |
| Man muss davon ausgehen, dass dieser Blick auf die brasilianischen | |
| Olympiaspiele ziemlich repräsentativ ist für sehr viele Deutsche aus den | |
| rot-grün-gut-gebildeten Kreisen. Rio de Janeiro und die Fünf Ringe? Man ist | |
| nicht einmal mehr neugierig. Seltsam, dass diese mosernde Perspektive auf | |
| das olympische Geschehen auch nach der Eröffnungsfeier im Maracanã anhält. | |
| Kitschig sei's gewesen, gar billig – kein Vergleich mit der heiteren | |
| Noblesse der Eröffnungsfeier vor vier Jahren in London. | |
| Die Wahrheit ist jedoch: Diese Show in der Nacht zum Samstag | |
| (mitteleuropäischer Zeit) war großartig. Sie spiegelte die realen | |
| Verhältnisse in Brasilien bis hin zum global hörbaren Buhrufkonzert gegen | |
| den verhassten provisorischen Präsidenten Michel Temer in der Arena selbst. | |
| Und die vier Stunden waren auch in anderer, positiver Hinsicht ein Gedicht. | |
| ## Diese Show war großartig | |
| Das Narrativ, das Regisseur Fernando Meirelles („City of God“!) entwarf, | |
| war eines, das unsere Kreise hätte erfreuen müssen: als eines der | |
| Geschichte Brasiliens – von der portugiesischen Kolonialzeit über den | |
| Import von Sklaven, die Zerstörung der indigenen Lebensräume bis zur | |
| Metropolisierung der heutigen Zeit. Das war so, wie es auch in London | |
| gehalten wurde: Der – gelungene – Versuch, das Wahrhaftige fast unpompös | |
| mit viel Laser und Licht darzustellen. | |
| Und die Musik? Samba – also brasilianischer Schlagersound? Auch ebenso viel | |
| Bossa Nova, Elektro und HipHop. Als schließlich gar die über 200 | |
| Nationenteams einliefen – dies in keineswegs militärischer Anmutung –, | |
| wurden sie angeführt durch Brasilianer*innen, die auf | |
| christianstroebelesken, pflanzengeschmückten Fahrrädern (Signal: | |
| Klimawandelbekämpfung geht jeden an!) fuhren: Als wär's ein Konvoi aus den | |
| Berliner Prinzessinnengärten und ihrem Urban-Gardening-Projekt. | |
| Warum also diese Mäkelei? Warum wird miesgeredet, was offenkundig schön | |
| aussieht, worauf, so ist es zu lesen, sehr viele Leute auch aus Favelas | |
| stolz sind? Etwa im Sinne von: Die Welt soll sehen, dass wir (als | |
| Bürger*innen Brasiliens) das können? | |
| Nein, unsere Kreise wollen ihre Weltanschauungen sich nicht durch das echte | |
| Leben nehmen lassen: Vor der Eröffnung wurden eben wieder alle Klingeltöne | |
| der sozialökologisch gesinnten Stammtische wiedergekäut: „Kapitalismus“ | |
| –„Ausbeutung“ – „Nichts klappt“ – „Irre Sicherheitsmaßnahmen�… | |
| ## Der Westen als Miesmacher | |
| Nur: Weshalb besagen das die Bilder und die befragten Brasilianer*innen | |
| nicht? Weshalb kann es nicht als demokratische Lust empfunden werden, wenn | |
| Professoren und Studenten gegen schlechte Bildungspolitik protestieren (was | |
| wir ja auch sehr telegen zu sehen bekamen)? | |
| Möchte womöglich der satte Westen – gutgesinnt, klar, und weltoffen extra | |
| dry – die Performances nicht wohlhabender Länder schlechtreden, um in | |
| puncto Globalisierungskritik weiter recht zu behalten? | |
| Was das Fernsehen, was soziale Medien aus Brasilien an Eindrücken zu uns | |
| spülen, war (und ist) dies: eine geile Party – und alles auf Weltniveau. | |
| Missgönnt man etwa der einst Dritten Welt Erfolge? Doof, das. Denn: Man | |
| darf sich mitfreuen! | |
| 7 Aug 2016 | |
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| [1] http://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-vorbei-1.3109047 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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