# taz.de -- Erfolglose Nationen bei Olympia: Lass doch die anderen schwitzen | |
> Indien, Tansania und Ägypten haben etwas gemeinsam: viele Einwohner und | |
> kaum olympische Medaillen. Das Ranking der Sieger der Herzen. | |
Bild: Erste Plätze sind überbewertet: Inder bei einem Lauf in Neu Delhi | |
Endlich kommen die besten Sportsfrauen und -männer dieser Welt zusammen, um | |
im fairen Wettkampf die Besten unter ihnen ausfindig zu machen. Für wenige | |
Wochen wird Rio ein Ort, an dem es nicht um Politik, nicht ums Geld, | |
sondern ganz allein um Leistungsfähigkeit geht. | |
Natürlich, Sie haben es gemerkt: die Einführung – ein kleiner Scherz am | |
Rande. Der Politikwissenschaftler Danyel Reiche stellt in seinem jüngsten | |
Werk über Erfolg und Scheitern bei Olympischen Spielen fest: Erfolg bei den | |
Olympischen Spielen ist ein Bereich, in dem sich Regierungen zunehmend | |
stärker einbringen. Staatliche Gelder fließen gezielt so in die | |
Förderstrukturen, dass am Ende möglichst viele Medaillen herausspringen. | |
Dabei sein ist alles? Von wegen. | |
Und Veerle De Bosscher, Professorin mit besonderem Fokus auf Sportpolitik, | |
hat in ihrer jüngsten Studie wieder einmal festgestellt: Nationen, die mehr | |
Geld in die Förderung ihrer Sport-Eliten stecken, holen am Ende auch mehr | |
Medaillen. | |
Nun, da der Wettkampf verdorben ist von der nationalen Hascherei nach | |
Prestige, ist es vielleicht an der Zeit, einen neuen Medaillenspiegel | |
aufzusetzen. Gewinner ist das Land, das sich nicht hat blenden lassen von | |
dem kollektiven Medaillen-Irrsinn. Gekürt wird die Nation, die gemessen an | |
ihrer heutigen Einwohnerzahl (mindestens 50 Millionen) über all die | |
Jahrzehnte am wenigsten Medaillen geholt hat. In diesem Ranking vertreten | |
sind nicht die manisch vom Leistungswahn getriebenen üblichen Verdächtigen: | |
die USA, Großbritannien, Russland oder Deutschland. | |
## Indien unangefochten vorn | |
Unangefochtene Nummer eins im Ranking ist Indien. Seit den ersten | |
Olympischen Spielen der Neuzeit im Jahre 1896 hat das heute über 1,2 | |
Milliarden Einwohner zählende Land gerade einmal 26 Medaillen gewonnen. Auf | |
eine einzige Medaille in der neuzeitlichen Historie Olympias kommen über 47 | |
Millionen Inder. Herzlichen Glückwunsch! | |
Auch die Nummer zwei ist ein asiatisches Land. Bei gerade einmal zwei | |
Medaillen kommt Vietnam bei einer heutigen Einwohnerzahl von über 93 | |
Millionen Einwohnern auf einen Wert von rund 46,7 Millionen Einwohnern je | |
Medaille. Vielleicht sollte man alle überambitionierten europäischen | |
Karrieristen zum Durchschnaufen mal nach Fernost schicken? | |
Auf den weiteren Rängen liegen Tansania, Pakistan, die Philippinen, | |
Indonesien, Nigeria, Ägypten und Vietnam-Nachbarland Thailand. Dann folgt | |
auf dem zehnten Platz die große Überraschung: Auch die Sportstrebernation | |
China schafft es aufgrund ihrer großen Bevölkerung von heute über 1,3 | |
Milliarden Menschen ins „Medaillen-sind-uns-egal“-Ranking. Wehe, wenn dies | |
das Regime mitkriegt … | |
Knapp an den Top-Ten vorbei schrammen übrigens Länder wie Äthiopien – allen | |
Langstrecken-Erfolgen zum Trotz –, Mexiko und auch das diesjährige | |
Gastgeberland Brasilien. | |
Ganz besonderer Applaus gebührt übrigens Bangladesch (über 166 Millionen | |
Einwohner) und der Demokratischen Republik Kongo (über 77 Millionen | |
Einwohner) zu ihrer konsequenten Null-Medaillen-Haltung. | |
## Andere Sorgen | |
Leider muss abschließend darauf hingewiesen werden, dass bei Weitem nicht | |
in allen Fällen eine buddhistisch geprägte und entsprechend entspannte | |
Lebenseinstellung ausschlaggebend für das Negieren des übertriebenen | |
Leistungsgedankens ist. Die Inder, Pakistaner und Bangladescher lieben eher | |
die nichtolympische Sportart Cricket. | |
Im Kongo hatte man während Diktatur und folgendem Bürgerkrieg ganz andere | |
Probleme als Springen und Werfen. Und Länder wie Pakistan schneiden auch | |
deshalb so schlecht ab, weil in all den Jahrzehnten gerade einmal acht | |
Frauen an den Olympischen Spielen teilgenommen haben. | |
Ein Punkt, in dem Olympia übrigens durchaus einen emanzipatorischen | |
Charakter hat: Seitdem sportlicher Erfolg in Ländern wie Katar als | |
Instrument der Außenpolitik verstanden wird, hat sich dort die Ideologie | |
als flexibler erwiesen. Zu den Sommerspielen 2012 in London entsandte Katar | |
erstmalig vier Olympiateilnehmerinnen. Nun gut. Immerhin. | |
6 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Moritz Förster | |
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