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# taz.de -- IOC-Präsident Thomas Bach: Der unfassbare Superfunktionär
> Steueraffäre, Betrug, Israelfeindlichkeit – an Bach bleibt nichts haften.
> Auch im Umgang mit dem russischen Dopingskandal ist er ungemein wendig.
Bild: Super, superer, am supersten: Thomas Bach
Rio de Janeiro taz | Die vorletzte Frage kommt aus Russland. Die
Journalistin ist vom Staatsfernsehen. Herr Bach, fragt sie, stimmt es
eigentlich, dass Sie uns geholfen haben, Sportler zu den Olympischen
Spielen zu lotsen? Und finden Sie nicht auch, dass es sich um eine
„politische Attacke“ auf Russland handelt? Thomas Bach bringen solche
Fragen nicht aus der Ruhe. Er antwortet im gleichen sturzlangweiligen
Singsang, wie er auch die Bilanz einer x-beliebigen Sitzung des
Internationalen Olympischen Komitees zieht.
„Es war keine Frage, irgendjemandem zu helfen, es ist eine Frage von Recht
und Gerechtigkeit“, näselt er, „Justitia ist blind, sie darf nicht nach
links oder rechts schauen.“ Es geht mal wieder um das [1][russische
Staatsdoping], das nach einem Bericht der internationalen Antidopingagentur
Wada zum olympischen Großproblem geworden ist.
Eigentlich hätten ja 387 russische Sportler nach Rio de Janeiro reisen
sollen, aber nachdem bekannt geworden ist, dass sich in russischen Laboren
wundersame Dinge getan haben, Proben durch Löcher in der Wand verschwunden
und ausgetauscht worden sind und der Chef eines solchen Labors daran
mitarbeitet hat, Dopingpläne für Athleten zu entwerfen, sind weniger Russen
auf dem olympischen Trip. 271 sind es jetzt genau.
Seitdem öffentlich wurde, dass der Betrug mit wohlwollender Unterstützung
und logistischer Hilfe des Sportministeriums und des Geheimdienstes FSB
vonstattenging, managt Bach sein Komitee im Krisenmodus. Die Welt schaut
auf diesen Deutschen, den Präsidenten des IOC. Zu sehen ist ein recht
kleiner Mann, den man leicht unterschätzt. Auf den ersten Blick.
## Fehde erster Güte
Seit drei Jahren steht er auf der Spitze des Olymps, und es wurmt ihn ein
wenig, dass es gerade seine Landsleute sind, die ihm jetzt besonders
zusetzen. Zum Beispiel der ARD-Journalist Hajo Seppelt. Der hat nicht nur
mit einem Dokumentarfilm die Wada-Ermittlungen angeschoben, sondern trägt
auch mit der russischen Propagandamaschine, dem Staatsfernsehen etwa, eine
Fehde allererster Güte aus.
Seppelt, der von der Frage der russischen TV-Reporterin sichtlich
angewidert ist, setzt sich provokativ neben sie. Die Russin rächt sich an
ihm, indem sie ihn nach dem Ende der Veranstaltung mit ihrem Kamerateam
durch den Saal treibt. Es kommt zu einem kleinen Tumult. Seppelt, mit zwei
Mitstreitern an seiner Seite, flieht. Die Russin hinterher. Was für Bilder!
Für Seppelt ist Thomas Bach, 62, ein übler Opportunist, ein Strippenzieher,
dem wirklich alles zuzutrauen ist. So wird ihm vorgeworfen, heimlich mit
Wladimir Putin eine milde Strafe ausgehandelt zu haben, aber Bach sagt nur,
er habe in den vergangenen Wochen überhaupt nicht mit Putin gesprochen.
Kann das stimmen? Das weiß man bei Thomas Bach, Träger des russischen
Ordens der Ehre, eigentlich nie.
## Machtpolitiker mit Funktionärssprech
In der Öffentlichkeit tritt er als diplomierter Superfunktionär auf, der
sein Olympia-Sprech zum Besten gibt und selbst bei größter Provokation
immer nur das sagt, was er sagen will. Und das geht in diesen Tagen eben
so: „Man kann in dieser Sache nicht eine Unterstützung von 100 Prozent
haben, dafür ist sie zu kompliziert.“ Er könne nach dieser
Russland-Entscheidung „allen Athleten in die Augen schauen, weil ich ein
gutes Gewissen habe“. Punkt.
Wer die Karriere von Bach nicht verfolgt hat, der könnte denken, da ist
einer um Aufrichtigkeit bemüht. Aber Bach ist im Kern ein extrem gewiefter
Machtpolitiker, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat.
Sein erster großer Lehrmeister war der Fechtverrückte Emil Beck, der in
Tauberbischofsheim mit harter Hand ein Planche-Imperium geschaffen hat,
samt Filz, Steuerhinterziehung und Freunderlwirtschaft. Wenn der
Fechtolympiasieger Thomas Bach über Beck spricht, dann zeichnet sich ein
nostalgisches Grinsen in seinem Gesicht ab.
Ja, der Emil sei halt einer mit Ecken und Kanten gewesen, aber das sei bei
Machtmenschen normal. Von wegen. Bach hat kaum Ecken und Kanten, weil sie
ihm am Fortkommen in einer stromlinienförmigen olympischen Welt hindern
würden. Bach, der Einser-Jurist, ist viel zu smart, als dass er sich
angreifbar macht mit charakterlichen Unförmigkeiten. Er schlüpft immer weg,
Bach ist für Außenstehende schwer zu fassen. „Es hat nie irgendwo ein Fakt
gegen mich gegeben“, hat er einmal gesagt. Das ist das größte Pfund, mit
dem er in seiner Olympiawelt wuchert.
## Clever aus der Affäre ziehen
Dabei hätten gewisse Fakten durchaus zum Karrierekiller werden können. Bach
war immer mal wieder mittendrin in einer Affäre, und dann, o Wunder, entkam
er ihr auf fast schon kunstvolle Weise. Der Florettfechter ließ seine
Gegner mit Raffinesse ins Leere laufen. Ein perfekt geknüpftes Netzwerk
half ihm obendrein. Dazu gehörten der ehemalige IOC-Boss Juan Antonio
Samaranch und Adi Dassler, der Großmeister des korrupten Sportmanagements.
Heute ist es der kuwaitische Sportfunktionär Ahmad Al-Fahad al-Sabah, der
den Deutschen stützt.
Was Bach nicht schon alles überstanden hat: eine Steueraffäre im
Fechtzentrum Tauberbischofsheim. Den Vorwurf, mit einem nassen Handschuh in
Fechtkämpfen betrogen zu haben. Als Adidas-Manager in den 80er Jahren von
Bestechungen im Boxsport und im Fußball gewusst zu haben.
Ins Gerede kam Bach auch wegen seiner Beratertätigkeit für Siemens. Er
kassierte hohe Summen, bis zu 400.000 Euro pro Jahr und zusätzliche Spesen
in Höhe von 5.000 Euro pro Tag. Als 2008 die Zusammenarbeit beendet wurde,
war von Interessenkonflikten die Rede, was aber vom Siemens-Konzern
dementiert wurde. Der damalige IOC-Vizepräsident Bach sei nicht an der
Vermittlung von Aufträgen für Siemens in der Olympiastadt Peking beteiligt
gewesen, der Grund für das Aus sei vielmehr eine „Neustrukturierung des
Beratersystems“ gewesen.
Heftig attackiert wurde er auch als Präsident der Ghorfa, der
Arabisch-Deutschen Vereinigung für Handel und Industrie. Die Ghorfa ist
dezidiert israelfeindlich; mit seiner Wahl zum IOC-Chef legte Bach diesen
Posten allerdings nieder.
Und was folgte aus alldem? Nichts, das ihm in der Welt der Funktionäre
geschadet hätte. Im Gegenteil. Er wurde – auch wegen seiner Abgefeimtheit –
zum Herrn der Ringe. Das ist schon mal eine Leistung.
Bach ist, bei allem philanthropischen Gesäusel, ein höchst wendiger
Olympia-Unternehmer, der weiß, dass er auf einem großen Wachstumsmarkt
bestehen muss. Doping hemmt das Wachstum. Um weitere Gewinnsprünge zu
sichern, kündigt er nun neben dem Olympic Channel (Start: 21. August) eine
Großoffensive gegen „Dopingbetrüger“ an. „Sie dürfen sich nicht mehr s…
sein“, deklamiert er. Was sich genau ändern soll, sagt Thomas Bach nicht.
Nur eins ist klar: So einen Russland-GAU darf es in seiner olympischen Welt
nicht mehr geben.
5 Aug 2016
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## AUTOREN
Markus Völker
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