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# taz.de -- Frauen-Rugby bei Olympia 2016: Kontaktsport mit Flow
> Zum ersten Mal seit 1924 ist Rugby wieder olympisch. Am Montag kämpfen
> die Frauen um Gold. Ein Besuch bei den weiblichen Spitzenteams.
Bild: Australiens Ellia Green verteidigt den Ball gegen Raijieli Daveua aus Fid…
Wer Huriana Manuel in der Mixed Zone verpasst hat, der bekommt noch eine
zweite Chance. Die Kapitänin der Black Ferns, der neuseeländischen
Rugby-Nationalmannschaft, steht hinter der Tribüne im Zuschauerbereich und
schießt Fotos mit ihrem Freund. Hier kommen sie alle mit Familie und
Freunden zusammen, die Spielerinnen Tyla Nathan-Wong oder Sarah Goss.
Und weil man nunmal da herumsteht mit seiner Presse-Akkreditierung um den
Hals, wird man gebeten, von allen Neuseeländerinnen und Neuseeländern ein
Foto zu schießen. Cheese.
Die Stimmung ist gut. Journalisten sind ausdrücklich willkommen. Es ist ein
besonderer olympischer Moment, denn die Spielerinnen der Rugby-Nation
schlechthin demonstrieren nicht nur Volksnähe, sondern freuen sich auch
über die gelungene Premiere ihres Sports bei den Spielen. Erstmals seit
1924 hat es Rugby wieder ins olympische Programm geschafft, in der Variante
mit sieben Spielerinnen.
## Botschafterin des Sports
Neuseeland hat erst Kenia mit 52:0 überrannt und dann Spanien mit 31:5
geschlagen. Deutlicher geht’s kaum. Aber das war zu erwarten, denn auch im
Siebener-Rugby dominieren die üblichen Verdächtigen. Neben Neuseeland sind
das Australien, Großbritannien und Frankreich. Ziemlich stark ist auch das
Team aus Kanada. Sie alle feiern in der Vorrunde hohe Siege gegen
Mannschaften aus Kolumbien, Japan oder Brasilien. Huriana Manuel sagt, dass
es eine einzigartige Gelegenheit für Rugby ist, sich unter den fünf Ringen
zu präsentieren. Ihre Augen strahlen.
Sie versteht sich als Botschafterin des Sports, bei dem Hand und Fuß zum
Einsatz kommen und mit einem Ei gespielt wird. Sie hat früh mit Rugby
angefangen, weil ihre Mutter, Liza Mihinui, schon erfolgreich in der
Nationalmannschaft der Schwarzen Farne spielte. Huriana Manuel ist aber
eher in die Erwachsenen-Variante des Rugby hineingewachsen und da sogar
2010 Weltmeisterin geworden.
Rugby Union, wie es richtig heißt, wird mit 15 Spielerinnen gespielt, eine
Partie geht über 80 Minuten. Und es wird in diesem weit bedeutenderen Spiel
schnell klar, dass Rugby ein harter Kontaktsport ist, bei dem Cuts,
Prellungen und böse Auas zum Alltag gehören.
Im Siebener-Rugby ist das ein bisschen anders. Hier ist der Name Programm:
Je sieben Spielerinnen treten gegeneinander an. Und eine Halbzeit dauert
sieben, ja richtig, nur sieben Minuten. Logischerweise ist auf dem Rasen
mehr Platz. Wer wendig und fintenreich ist und obendrein noch
Sprintqualitäten hat, der ist hier gut aufgehoben.
## Purzelnde Punkte
Es gibt kaum Gedränge, Freekicks und das übliche Gewühle, das man vom
15er-Rugby kennt. In der abgespeckten Form purzeln die Punkte, und den
Zuschauern wird nicht fad, weil das Spiel einen guten Flow hat. Das hatten
wohl auch die Metzger Ned Haig and David Sanderson im Jahre 1883 im Sinn,
als sie das Siebener-Rugby in der kleinen schottischen Stadt Melrose nahe
Edinburgh erfanden.
„Siebener-Rugby ist ein komplett anderes Spiel, hier musst du spritziger
sein, schneller“, sagt Huriana Manuel, die, wie viele Spielerinnen aus
Neuseeland, Maori-Wurzeln hat. Den berühmten Haka, den Kriegstanz, bei dem
die Zähne gefletscht und die Augen verdreht werden, haben die Black Ferns
zu Beginn des Turniers noch nicht gezeigt.
Aber er wird noch kommen. „We’ll hak’“, sagt Manuel. Den Haka haben sie
sich fürs Finale aufgehoben. Das Endspiel findet ebenso wie die Halbfinals
heute statt. Sehr wahrscheinlich kommt es zum Finale zwischen Neuseeland
und Australien, zu dem Clash der Rugbyriesen.
Das Rugby-Stadion der Sommerspiele liegt im Norden von Rio de Janeiro, im
Olympiazentrum Deodoro, wo auch die Schützen, Hokeyspieler oder die Reiter
um Medaillen kämpfen. Die Bahn zuckelt von den schönen Stränden Rios zwei
Stunden nach Deodoro, und angekommen im etwa 15.000 Zuschauer fassenden
Stadion, muffelt es arg nach Kloake; ein Fluss mit Abwässern quert das
Olympiagelände.
Die Arena ist nicht mal zu einem Drittel voll. Stimmung machen nur drei
Dutzend französische Fans. Später, als die komplett chancenlosen
Brasilianerinnen antreten, schlagen auch die Fans im gelben Shirt Lärm. Die
Spiele werden im Halbstundenrhythmus durchgezogen. Die Teams treten zweimal
am Tag an, was bei der kurzen Spielzeit kein Problem ist. Es geht also
Schlag auf Schlag.
## Die Kahlgeschorene
Das Olympiaturnier der Frauen im Siebener-Rugby mag klein sein, aber es
gibt trotzdem große Persönlichkeiten, zum Beispiel die Engländerin Heather
Fisher. Wer schnell ist, kann sie in der Mixed Zone abpassen. Sie ist
definitiv eine Erscheinung, mit kahl geschorenem Schädel und bulliger
Statur steht sie vor einem, ist aber die Freundlichkeit in Person.
Auf dem Platz räumt sie Gegnerinnen gern mit spektakulären Tacklings ab,
sie kann aber auch behände mit dem Ball in der Hand in die Endzone
sprinten. „Persönlich hatte ich in der Vergangenheit einige Rückschläge zu
verkraften, aber diese Probleme zu überstehen, hat mich stärker gemacht“,
sagt sie, „Ich wollte es danach umso mehr schaffen, ich habe wie eine
Verrückte gekämpft, und mit den Olympischen Spielen habe ich die letzte
Hürde genommen.“
Heather Fisher trägt die Glatze nicht, weil sie das für ein
Fashion-Statement hält, sondern weil sie eine Krankheit dazu zwingt –
Alopecia areata, eine bestimmte Form des Haarausfalls. Bei der
Rugby-Weltmeisterschaft 2010 gingen ihr plötzlich die Haare büschelweise
aus. Sie rasierte sich den Schädel und konnte sich wochenlang nicht im
Spiegel anschauen.
Sie fand sich hässlich, schämte sich, so in die Öffentlichkeit zu gehen.
Mit Glatze und ihrer kräftigen Statur wird sie, wie sie in einem Interview
mit der „Daily Mail“ im Vorjahr erzählte, von Menschen mit wenig Feingefü…
immer wieder für einen Mann gehalten.
Sie sei auch schon in verschiedenen Ländern aus Frauentoiletten
herausgeworfen worden. „Da gibt es lustige Geschichten zu erzählen, aber
ich bin einfach ein Mensch, und den Körperbau habe ich, weil ich Sport
mache.“ Sie spielt nicht nur Rugby. Sie fuhr auch schon im Bob, als
Bremserin.
Sport war immer etwas, mit dem sie gegen etwas ankämpfte: In ihrer Jugend
litt sie an Magersucht, und sie muss auch heute noch aufpassen, dass sie
nicht in alte Muster zurückfällt. „Ich hatte immer schon diese Sturheit in
mir“, sagt sie. Im Leistungssport kann das durchaus von Vorteil sein.
Heather Fisher fände es nicht übel, wenn sie im Finale auf die Aussies
trifft mit deren Star Ellia Green. Die Australierin ist der eigentliche
Hingucker in diesem Sport, eine Frau mit großartigen athletischen
Fähigkeiten, was nicht verwundert, war sie in ihrer frühen Sportkarriere
Sprinterin. Als Siebener-Rugby wieder olympisch werden sollte, schulte sie
um vom Laufen zum Raufen.
Wenn man sie fragt, wie sie das findet, in relativ kurzer Zeit ein Role
Model im Frauenrugby geworden zu sein, dann sagt sie: „O, das ist aber ein
großes Kompliment. Dahin zu kommen, war aber kein einfacher Weg, auch wenn
es rückblickend so aussehen mag.“ Sie will Gold gewinnen, aber das wollen
Huriana Manuel und Heather Fisher auch.
8 Aug 2016
## AUTOREN
Markus Völker
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