# taz.de -- Randsportart Rugby: Improvisieren gehört dazu | |
> In Hamburg wird Rugby auf Bundesliga-Niveau gespielt, obwohl die | |
> Trainingsbedingungen weit davon entfernt sind. | |
Bild: Beim Rugby sind auch akrobatische Fertigkeiten gefragt: Championship im A… | |
Hamburg taz | Hamburg hat drei Rugby-Bundesligamannschaften. Doch | |
professionelle Bedingungen sucht man vergebens, auch weil die „Sportstadt“ | |
Hamburg kaum Unterstützung leistet. | |
Es ist der Trainingsauftakt eines Bundesligisten nach der Sommerpause. Doch | |
Scharen von Journalisten und Fans, die Stars und die neuen Spieler sehen | |
wollen, sucht man an der Auffahrt des Trainingsgeländes vergebens. Diese | |
ist verschlossen. Der Platzwart sei wohl im Urlaub, sagen die Spieler. Der | |
Platz war bis kurz vor Saisonbeginn gesperrt. Das erste Spiel am Sonntag | |
gegen den RC Leipzig gewann der HRC mit 9:12. | |
Also wird auf einem benachbarten Stück Grünfläche trainiert, das eher an | |
eine Wiese als an einen gepflegten Rasen erinnert. Die H-förmigen | |
Malstangen („Tore“) und Spielfeldbegrenzungen sucht man vergebens. „Wir | |
arbeiten hier unter ganz schwierigen Bedingungen“ sagt Carsten Segert | |
schulterzuckend: „Jeder Fußballspieler würde bei solchen Zuständen sofort | |
den Verein wechseln.“ | |
Carsten Segert ist einer der ganz wenigen Profitrainer im deutschen | |
Rugby-Geschäft. Doch das ist der einzige Luxus, den sich der am 6. Juni | |
1950 gegründete Verein leistet. Die einzigen beiden reinen Rugbyplätze in | |
Hamburg teilt sich das Team mit vielen kleineren Vereinen und den anderen | |
beiden Hamburger Bundesligamannschaften – den Herren und den Damen der | |
Rugbyabteilung des FC St. Pauli. | |
Heute trainiert das HRC-Bundesligateam gemeinsam mit der zweiten Mannschaft | |
des Clubs. So stehen immerhin etwa 35 Spieler auf dem ungemähten Rasen. | |
Keiner von ihnen wird vom Verein bezahlt. Im Gegenteil: Die Akteure zahlen | |
Mitgliedsbeiträge um dabei sein zu können. Dazu kommen Ausgaben für den | |
regelmäßigen Besuch eines Fitnessstudios oder die Ausrüstung. | |
Zu den Auswärtsspielen nach Hannover, Berlin oder Leipzig geht es meist per | |
Bus – wenn das Geld dafür reicht. Der Etat von etwa 60.000 Euro pro Saison | |
lässt keinen Platz für Bequemlichkeit. „Letztes Jahr sind wir einmal mit | |
dem Metronom nach Hannover gefahren, um Geld zu sparen. Das ist wirklich | |
keine optimale Vorbereitung auf ein Rugbyspiel“, sagt der Spieler Eric Mau, | |
der nebenbei als Teammanager fungierte. | |
Mau, der sich kurz vor Saisonbeginn nach Neuseeland verabschiedete, | |
kümmerte sich auch um viele organisatorische Angelegenheiten, die der | |
Spielbetrieb mit sich bringt: um die Planung der Auswärtsfahrten oder den | |
Schreibkram mit dem Verband. Natürlich machte Mau das alles ehrenamtlich. | |
Sein Geld verdiente er in einem Unternehmen für Personaldienstleistungen. | |
Der Hamburger Rugbyverband hat etwa 1.200 Mitglieder in zehn Vereinen. Der | |
HRC ist die zweitgrößte Rugbyspielgemeinschaft der Stadt. Gut ein Viertel | |
aller Rugbyspieler sind Teil seiner ersten und zweiten Mannschaft, sowie | |
der Jugendabteilung des HRC. Die hat ein Junioren-Team (U19), eine Jugend | |
Mannschaft (U17) und mehrere Schüler-Teams (U15 und jünger). | |
Beim Training steht heute Leistungsdiagnostik auf dem Programm. Carsten | |
Segert lässt seine Spieler vorwärts und rückwärts zwischen Hütchen hin und | |
her sprinten und nimmt die Zeiten. Was treibt diese Sportler an, allen | |
Widrigkeiten zu trotzen? Darauf kommt von allen Spielern die gleiche | |
Antwort: „Rugby gibt ein einzigartiges Teamgefühl“. | |
Im Rugby sei man wie eine große Familie, sagt Mau: „Man hat sich über 80 | |
Minuten einen harten Schlagabtausch geliefert, der bessere hat gewonnen und | |
danach trinkt man ein paar Bier zusammen.“ | |
Dabei könnte Mau auch fast mit jedem Zuschauer anstoßen. Etwa 200 beträgt | |
der Zuschauerschnitt bei den Bundesliga-Heimspielen des HRC. Dieser geht | |
bei den Derbys gegen St. Pauli, zu denen auch mal 800 Menschen kommen, für | |
Rugby-Verhältnisse fast durch die Decke. Doch eine so überschaubare Kulisse | |
lockt nur wenige Sponsoren an und der Eintrittspreis für Vollzahler – 2,50 | |
Euro – füllt die Kassen auch nicht. „Das meiste Geld kommt von ehemaligen | |
Spielern, die dem Verein noch verbunden sind“, sagt Mau. | |
Immerhin hat das in den vergangenen Jahren gereicht, um wenigstens Carsten | |
Segert zu bezahlen. Dafür hat der Trainer auch ein breites Betätigungsfeld: | |
„Meine Aufgabe sehe ich nicht nur darin, die Mannschaft zu trainieren, | |
sondern eben auch Strukturen im Club aufzusetzen, dass man weiterhin | |
erfolgreich arbeiten und sich weiter entwickeln kann.“ | |
Seit zwei Jahren ist er im Verein. Das Team konnte sich in dieser Zeit in | |
der Bundesliga Nord/Ost etablieren, den Abstieg wieder einmal vermeiden – | |
trotz aller Nachteile in der Infrastruktur. „Die Clubs in Hannover und | |
Berlin haben eigene Clubgelände mit Clubhaus. Die haben paradiesische | |
Zustände dort“, schwärmt Segert und ergänzt: „Die Sportstadt Hamburg | |
behandelt uns da sehr stiefmütterlich!“ | |
Dann wird er konkret: „Wir brauchen einen eigenen Platz. Da werde ich drum | |
kämpfen die nächsten Jahre.“ Zum Abschluss des Trainings dürfen diejenigen, | |
die noch genug Kraft in den Knochen haben, ein kleines Übungsmatch | |
austragen. Dann geht es zurück zu den Umkleidekabinen – einmal durch den | |
halben Stadtpark. | |
4 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Jonas Freudenhammer | |
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