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# taz.de -- Die Wahrheit: Eremiten leben länger
> In diesen schweren Zeiten ist es allein auf weiter Flur doch am
> allerschönsten. Eremitentum ist eine echte Alternative.
Bild: Fern allen menschlichen Lebens liegt der schönste Ort der Welt: die Zent…
Terror, Amok, AfD oder Trump – die Zeiten waren gefühlt noch nie so
schlecht wie jetzt. Viele Menschen wollen darob einfach nur weg. Denn die
Hölle, das sind bekanntlich die anderen. Das Ziel lautet daher: maximale
Entfernung zur nächsten Menschenseele, und das bei intelligentem, minimalem
Aufwand. Weltraumreisen sind beispielsweise schwer im Kommen, aber genau da
liegt das Problem. Das All besteht mittlerweile zu 99,7 Prozent aus
Weltraumschrott, die restlichen 0,3 Prozent bevölkern Milliardäre in
solarbetriebenen Butterbrotdosen. Wer will dorthin?
Das Eremitentum hingegen ist eine echte Alternative. Die Höhle, das ist es!
Zu Christus Zeiten noch mega angesagt, fristet die „Crazy One-Man-Show“
(bento.de) mittlerweile eher ein Nischendasein. Dabei ist die Miete für
eine Tonne, Grube oder besagte Höhle oft spottbillig. Die Standplätze sind
dazu erfrischend ungewöhnlich: im Atlas- oder Altglasgebirge, in
aufgelassenen Bergbaustollen oder auf einer Arktisscholle, eingewickelt in
ein stinkendes Eisbärenfell.
## Ohne Vorwarnung auf und davon
Wer sich ins Eremitentum verabschiedet, sollte das tunlichst ohne
Vorwarnung der Lieben tun und außer einer Kreditkarte für alle Fälle nur
das mitnehmen, was er oder sie am Leibe trägt. Alles weitere findet sich
vor Ort.
Ein immer wieder kursierendes Vorurteil gegenüber dem Eremitentum ist die
angeblich vorherrschende und gähnende Langeweile. Dieses Gerücht verbreiten
allerdings ausschließlich Exeremiten, die schlecht vorbereitet in die
Einöde zogen und dann tagelang panisch nach dem nächsten WLAN-Hotspot
suchten.
Dabei gibt es so viele lustige Aktivitäten, an denen sich der Eremit
erfreuen kann! Oft hat er sogar neue Mitbewohner, die zu mancherlei
Scherzen aufgelegt sind. Ein fröhliches Wettstarren mit dem Braunbären aus
dem Parterre strapaziert die Lachmuskeln selbst der miesepetrigsten
Gesellen. Und an das Wettstarren schließt sich nicht selten ein
erfrischender Wettlauf an. Braunbären sind begeisterte Ausdauersportler!
Sollte einem irgendwann die Puste ausgehen und der Bär spontan seinem
Hungergefühl nachgehen wollen, zieht man deutlich seine persönliche Grenze.
Ein lautes und bestimmtes „Nein!“ hilft immerhin in vier Prozent der Fälle.
Wer nicht das Glück einer Braunbär-WG hat, der denkt sich einfach einen
Freund aus. Imaginäre Freunde sind viel pflegeleichter als reale, dazu
kostenneutral und frei von Heißhungerattacken.
Hat sich beispielsweise eine Wildkatze zum Sterben in den gerade
okkupierten Hochsitz verkrochen? Perfekt! Den Kadaver auf einen Stock
gespannt, dient das Tier fortan als immer gutgelaunter Ansprechpartner –
auch in Zeiten bitterster Einsamkeit. Mit einem lockeren Spruch („Heute
auch noch nicht geduscht?“) lässt sich der Smalltalk einleiten. Daraus
entspinnt sich schnell ein leidenschaftliches Gespräch über Quantenphysik
und Schrödingers Katze, die ja auch irgendwie nicht so richtig tot ist.
Viele Menschen meiden das Eremitentum aus Angst, sich autark versorgen zu
müssen. Dabei ist die Paläo-Diät total angesagt, und wo, wenn nicht in der
Wildnis, funktioniert dieser Essenstrend in Perfektion? Während armselige
Koch-Hipster ihre Bio-Elchkeule bei Niedrigtemperatur sous-vide garen,
definieren Eremiten Paläo-Kochen genauso ursprünglich, wie ihre Vorfahren
es schon getan haben: mit nasser Feuerstelle und selbsterlegtem Wild.
## Seelenruhe durch friedfertiges Fasten
Bei Wild ist äußerst wichtig: keine Gewalt! Eremiten sind friedfertige
Gesellen, alles andere würde ihre Seelenruhe nachhaltig stören. Für eine
erfolgreiche fleischhaltige Paläo-Diät braucht der moderne Einsiedler daher
rhetorisches Geschick, dass sich zum Beispiel gut an einem suizidalen Reh
erproben lässt. Man erkennt es am hängenden Kopf. Das Reh muss überzeugt
werden, freiwillig in die ewigen Jagdgründe zu gehen: Umweltverschmutzung,
zunehmender Straßenverkehr, schießwütige Förster, tollwütige Füchse, mit
anderen Worten – ein Hundeleben! Falls es rhetorisch wider Erwarten nicht
klappt, wartet der Eremit den natürlichen Tod des Rehs ab. Fasten soll ja
entschlackend wirken.
Wichtiger Hinweis am Rande und zum Schluss: Das Leben als Eremit sollte
tunlichst nicht mit dem Leben in einem Emirat verwechselt werden. Statt in
Frieden durch die Einsamkeit zu schweifen, finden sich Freiwillige dort
schnell auf einer illegalen WM-, Olympia- oder Formel-1-Baustelle wieder,
wo sie mit anderen armen Seelen tonnenschwere Baumaterialien die
ungesicherten Gerüste emporschleppen müssen.
Das Fazit lautet: Sich selbst qua Eskapismus in die Tonne treten ist
allemal gesünder, als in die Tonne getreten werden!
31 Aug 2016
## AUTOREN
Nico Rau
## TAGS
Lifestyle
Einsamkeit
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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Fastfood
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