# taz.de -- Remake von „Ghostbusters“: Das Gespenst des Sexismus | |
> Die Geisterjäger sind zurück – mit Frauen in den Hauptrollen. Im Netz | |
> sorgt das für einen sexistischen Shitstorm. | |
Bild: Frauenpower: Melissa McCarthy, Kate McKinnon, Kristen Wiig und Leslie Jon… | |
BERLIN taz | Wir schreiben das Jahr 2016. New York ist immer noch im Griff | |
der Geister. Nach und nach werden seltsame Erscheinungen in historischen | |
Gebäuden, U-Bahn-Tunneln oder auf Heavy-Metal-Konzerten gesichtet. Diesmal | |
erhalten die übernatürlichen Wesen tatkräftige Unterstützung von einem | |
Lebenden, der sich unter seinesgleichen missachtet fühlt. Dessen geplante | |
Geisterflut, die einer Apokalypse gleichkäme, gilt es zu verhindern. | |
Zum Glück gibt es für diese Aufgabe immer noch die „Ghostbusters“. Seit | |
Regisseur Ivan Reitman im Jahr 1984 Bill Murray, Dan Aykroyd, Ernie Hudson | |
und Harold Ramis in beige Overalls steckte, um sie ausgestattet mit | |
speziellen Lasern – den Proton Packs – auf Geisterjagd durch Manhattan zu | |
schicken, weiß man: Wir sind nicht allein im Kampf gegen die böswilligen | |
Erscheinungsformen der paranormalen kinetischen Energie. | |
Im Jahr 2016 gibt es aber noch ein ganz anderes Gespenst, das leider auch | |
jenseits der Leinwand sein Unwesen treibt. Es ist das Gespenst des | |
Sexismus. Und das hat sein hässliches Haupt erhoben gegen die Neuauflage | |
des Films „Ghostbusters“. | |
Zur Erinnerung: Das Original war ein herrlich albernes Spukspektakel, das | |
Geister- wie Techniknerds zu begeistern verstand. Denn die Geisterjagd | |
erfordert eine Vielzahl an eigens für diesen Zweck entwickelten | |
Apparaturen. Und irgendwie hält sich bei so manchem Fan wohl immer noch die | |
Vorstellung, dass das mit den Frauen und der Technik einfach nicht so | |
richtig klappt. Sonst ließe sich schwer erklären, warum es im Vorfeld | |
dieses Films so viel Lärm um – fast – nichts gegeben hat. | |
Die „Ghostbusters“ haben für ihr Remake unter der Regie von Paul Feig | |
nämlich ein anderes Geschlecht verpasst bekommen. Vier Frauen sind es, die | |
sich jetzt als Retterinnen der Stadt behaupten müssen, gespielt von den | |
Schauspielerinnen Melissa McCarthy, Kristen Wiig, Leslie Jones und Kate | |
McKinnon. Mit Ausnahme von McCarthy, der drittbestverdienenden | |
Schauspielerin der Welt, haben die Darstellerinnen ihre komischen Talente | |
der US-amerikanischen Öffentlichkeit auch in der beliebten Comedyshow | |
„Saturday Night Live“ präsentiert, sind mithin gestandene Komikerinnen. | |
## „Feminazis“, „Kindheit vergewaltigt“ | |
Genutzt hat es ihnen zunächst nur bedingt. Denn die Bekanntgabe der | |
Besetzung und die Veröffentlichung des Filmtrailers lösten im Netz einen | |
Shitstorm weit unterhalb der Gürtellinie aus. Kommentatoren sahen | |
„Feminazis“ am Werk, die dem Film ihre Ideologie unterschieben würden. Es | |
hagelte sexistische – und gegen die schwarze Schauspielerin Leslie Jones | |
zudem rassistische – Hetze. Vergleiche mit einem Gorilla inklusive. | |
Die Rollenbesetzung mit Frauen sei „die schlimmste Nachricht“, die er | |
jemals bekommen habe, schrieb ein User auf Twitter – „und ich habe | |
Hodenkrebs durchlebt“. Ein anderer kritisierte, dies sei nun der nächste | |
Hollywoodfilm, der von Political Correctness ruiniert werde. Wieder andere | |
sahen durch die Neuauflage ihre „Kindheit vergewaltigt“. | |
Insbesondere der rechtskonservative Journalist und Antifeminist Milo | |
Yiannopoulos tat sich mit verletzenden Tweets gegen Jones hervor und | |
unterstellte ihr etwa fehlende Schreibkenntnisse. Viele Trolls sprangen auf | |
den Zug auf und bombardierten Jones mit rassistischen Nachrichten. Als die | |
Schauspielerin dann Yiannopoulos auf Twitter blockierte, postete dieser, er | |
sei „schon wieder von einem schwarzen Typen abgewiesen“ geworden. | |
Twitter sperrte schließlich Yiannopoulos’ Account, Jones zog sich aus | |
Protest vorübergehend von Twitter zurück. Regisseur Feig nannte die | |
Anfeindungen den „ekelhaftesten, frauenfeindlichsten Scheiß“, den er je | |
gehört habe, und stellte sich demonstrativ hinter seine Darstellerinnen. | |
## Ein Flop sieht anders aus | |
Der [1][„Ghostbusters“-Trailer] brach als Begleiterscheinung den Rekord als | |
unbeliebtester Filmtrailer und steht derzeit auf Platz 10 der | |
unbeliebtesten Youtube-Videos. Was dem Interesse am Film keinen Abbruch | |
getan hat: Seit dem Filmstart in den USA am 9. Juli hat er mit | |
Einspielergebnissen von von gut 160 Millionen Dollar seine | |
Produktionskosten ausgeglichen. Ein Flop sieht anders aus. | |
Versagt hat hingegen die männliche Netzöffentlichkeit, die bei ihren | |
Humorgewohnheiten anscheinend äußerst unflexibel ist. Wie aber auch | |
Hollywood insgesamt noch Nachholbedarf bei Komikerinnen hat. | |
Komödienerfolge wie Feigs „Brautalarm“ (2011) mit Wiig und McCarthy sind | |
nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. | |
Die entscheidende Frage sollte daher lauten: Wie witzig sind die neuen | |
Ghostbusters? Um es kurz zu fassen: Die vier Darstellerinnen sind der | |
Aufgabe locker gewachsen. | |
McCarthy und Wiig überzeugen als ungleiches Forscherinnenteam, mit | |
McCarthy als temperamentvolle Draufgängerin und Wiig als stocksteife | |
Professuranwärterin an der Columbia University. Jones gibt ihrem Part als – | |
interessanterweise einzige nichtakademische – Geisterjägerin eine | |
erfrischende Hemdsärmeligkeit. Allein die unter anderem als | |
Angela-Merkel-Imitatorin hervorgetretene Kate McKinnon neigt in der Rolle | |
der psychisch auffälligen Technikexpertin des Teams zum Overacting. Die | |
durchgeknallte Physikerin nimmt man ihr dennoch gern ab. | |
Die Personallage des Films bietet jedenfalls keinen Grund zur Klage. | |
Vielmehr war das Gender-Makeover ein geschickter Zug, um sich ein wenig von | |
den alten „Ghostbusters“ zu emanzipieren. Im Umgang mit der Vorlage wählen | |
Feig und seine Drehbuch-Koautorin Katie Dippold ansonsten eine gesunde | |
Mischung aus dem pflichtbewussten Erfüllen von Fanerwartungen und | |
ironischen Verweisen auf das Original. | |
So wird die Feuerwache „Hook & Ladder Company No. 8“ im Stadtteil Tribeca, | |
die den alten Ghostbusters als Forschungslabor diente, auch diesmal als | |
Immobilie besichtigt. Für die wenig begüterten Wissenschaftlerinnen ist die | |
Miete mit 21.000 US-Dollar pro Monat allerdings unerschwinglich – ein | |
Seitenhieb auf die vorangeschrittene Gentrifizierung Manhattans. | |
## Grüner Schleim in 3-D | |
Selbstverständlich speien die Geister wieder ohne Ende grünen Schleim, dank | |
3-D-Technik kann man jetzt räumlich nachvollziehen, wie so ein Strahl | |
frontal auf einen zuschießt. Und während Bill Murray eine solche | |
Geisterattacke 1984 lediglich mit den Worten „Es hat mich vollgeschleimt“ | |
kommentierte, ist Kristen Wiig deutlich expliziter bei der Beschreibung des | |
Vollgeschleimtwerdens. | |
Von einer feministischen Variante des Klassikers zu sprechen, wäre dabei | |
übertrieben. Vielmehr setzt der Film auf den spielerischen Umgang mit den | |
kleinen Unterschieden zwischen Männern und Frauen. Im Zweifel wissen Frauen | |
sogar besser, wie man sich effektiv gegen männliche Gespenster zur Wehr | |
setzt. Merke: Auch Geister haben Weichteile. | |
Bei den männlichen Rollen gefällt der sonst eher auf Comichelden abonnierte | |
Chris Hemsworth als geistig zurückgebliebener Rezeptionist mit breitem | |
Coverboy-Lächeln: als Emanzipationsgeste in seiner Umkehrung zu | |
offensichtlich – im Original gab es eine begriffsstutzige Empfangsdame –, | |
ist sein Auftritt allemal herrlich bescheuert. Gleichfalls schön die | |
Cameo-Auftritte der ursprünglichen „Ghostbusters“-Besetzung, mit Bill | |
Murray als Skeptiker des Paranormalen besonders prominent besetzt, ohne | |
dass das Drehbuch ihm falschen Respekt zollen würde. | |
Allerdings hätte man sich gewünscht, dass sich die Neuverfilmung mehr | |
Freiheiten im Umgang mit der Vorlage nimmt. Viele Posten werden | |
pflichtschuldig abgehakt, ohne dass sie einen nennenswerten Dreh verpasst | |
bekämen. Was andererseits nicht fehlen durfte, ist der klassische Titelsong | |
von Ray Parker, Jr. Der wird zwar nur kurz angespielt, erweist sich aber | |
immer noch als um Klassen besser als die aseptische Neubearbeitung durch | |
Fall Out Boy und Missy Elliott. | |
Wenn dann, wie es bei Franchises üblich ist, eines Tages die Fortsetzungen | |
folgen, muss das nichts Schlechtes heißen. Das komische Potenzial der | |
Beteiligten ist hinreichend vorhanden, der Griff der Geister gelockert. | |
Jetzt muss sich das neue Team nur noch aus der Umklammerung des Erstlings | |
lösen. | |
Korrektur: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, der Film | |
hätte bereits 300 Millionen Dollar eingespielt. Es waren zu diesem | |
Zeitpunkt jedoch rund 161 Millionen. | |
3 Aug 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=w3ugHP-yZXw | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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