| # taz.de -- Hamburg hat Geld übrig: Heißer Haushalt | |
| > Die Stadt hat 600 Millionen Euro Überschuss im ersten Halbjahr 2016. | |
| > Dennoch will der Senat weiter sparen – dabei gäbe es viele schöne Dinge, | |
| > die Hamburg sich leisten sollte. | |
| Bild: Sozialdemokrat im Glück: geht es nach der taz, kann Finanzsenator Peter … | |
| Hamburg schwimmt im Geld. Allein im ersten Halbjahr 2016 hat die Stadt | |
| einen Überschuss von 600 Millionen Euro erwirtschaftet. Das bestätigte die | |
| Finanzbehörde auf taz-Anfrage. Aus dem für das laufende Jahr | |
| prognostizierten Minus werde „wohl ein leichtes Plus werden“, so | |
| Behördensprecher Daniel Stricker. Zugleich warnt er davor, diese Zahl | |
| „einfach linear aufs ganze Jahr hoch zu rechnen“. Erst der Jahresabschluss | |
| Anfang 2017 werde ein klares Bild der Lage zeichnen. | |
| Die Nachricht kommt zur Unzeit: Nach der Sommerpause beginnen die | |
| Etatberatungen für den Doppelhaushalt 2017/2018, den im Dezember die | |
| Bürgerschaft verabschieden soll. Verschärfte Begehrlichkeiten einzelner | |
| Behörden erwartet Stricker nicht: Der Entwurf des Senats sei im Juni | |
| einvernehmlich beschlossen worden, Verteilungskämpfe werde es nicht geben. | |
| An der rot-grünen Konsolidierungspolitik werde der neuerliche Überschuss | |
| nichts ändern, stellt Stricker fest: Man werde Schulden tilgen und | |
| Rücklagen stärken. | |
| Wie es auch anders gehen könnte? Vorschläge aus der taz-Redaktion: | |
| ## Das Geld an die Bäume! | |
| Gestärkt werden muss das Stiefkind dieses Senats, die Umweltpolitik. Parks | |
| und grüne Lungen müssen erhalten, ausgebaut und auch gepflegt werden, | |
| autofreie Grünachsen durch alle Bezirke gezogen, wo möglich in Verbindung | |
| mit Velorouten. Viel Geld ist auch nötig, um die Europäische | |
| Wasserrichtlinie umzusetzen: Hamburg ist noch weit davon entfernt, alle | |
| Gewässer in den geforderten „guten ökologischen Zustand“ zu versetzen. | |
| Dafür müssen auch die Bezirke und nicht zuletzt die Naturschutzverbände | |
| finanziell besser ausgestattet werden, die diese Arbeit noch all zu oft | |
| ehrenamtlich verrichten. Und schließlich sind radikale Maßnahmen zur | |
| Verbesserung der Luftqualität in der Stadt dringend notwendig. Alles | |
| zusammen: locker 300 Millionen pro Jahr. | |
| ## Kinderkram | |
| Das meiste Geld brauchen die Kleinsten: Bei den Krippen-Personal-Schlüsseln | |
| ist Hamburg bundesweit Schlusslicht. Weil die Arbeitsbedingungen so hart | |
| sind, finden sich kaum Fachkräfte, hört man aus Kitas und Krippen. Zwar | |
| machte Rot-Grün Zugeständnisse für bessere Kinder-je-Erzieher-Relationen, | |
| aber die werden nur zeitlich gestreckt umgesetzt: bei den Krippen bis 2019, | |
| bei den älteren Kindern gar bis 2025/26. Hier kann mehr Geld helfen. | |
| PraktikerInnen fordern sogar rund 200 Millionen Euro obendrauf, für den | |
| Ausgleich von Kranken- und Urlaubszeit oder die zunehmend anspruchsvolle | |
| Vor- und Nachbereitung. | |
| ## Schule für alle | |
| Auch bei der Inklusion fehlt Geld: Würde Hamburg – wie einst vom Senat | |
| versprochen – jedem Kind mit Förderbedarf im Bereich Lernen, Sprache und | |
| Entwicklung drei Lehrerstunden in der Woche zubilligen, bräuchte man nach | |
| veröffentlichten Rechnungen des Bündnisses für Inklusion 300 neue Stellen | |
| binnen sechs Jahren. Auch für Kinder mit einer „klassischen“ Behinderung, | |
| die nicht an der Inklusion teil haben, bräuchte man eine bessere | |
| Ausstattung an den Regelschulen – macht nochmal etwa 90 Stellen, von denen | |
| jede etwa 55.000 Euro kostet. Macht allein im ersten Jahr rund 4,2 | |
| Millionen Euro. | |
| ## Geld für die Hochschulen | |
| Hamburg sollte allen staatlichen Hochschulen den vollen Ausgleich für | |
| Tarif- und Kostensteigerungen zahlen. Das würde kleine Fächer retten, so | |
| wie den zuletzt bedrohten Studiengang Holzwirtschaft. | |
| ## Mehr Kultur | |
| Warum dauert es eigentlich immer derart, bis Hamburger Museumsleiterposten | |
| nachbesetzt sind? Lange hat es bei den Deichtorhallen gedauert, lange beim | |
| Altonaer Museum, eine Ewigkeit bei der Kunsthalle. Das liegt nicht am | |
| Wankelmut der Kultursenatorin, sondern daran, dass sich die Besten gar | |
| nichtr erst bewerben für derart unterfinanzierte Häuser; diese Leute wollen | |
| sich nicht damit herumschlagen, den Pfeffersack-Senatoren ständig neu die | |
| Notwendigkeit von Kulturförderung zu erklären. Folgerichtig auch, dass | |
| Hamburg den künstlerischen Humus, – etwa die freie Szene samt selbst | |
| organisierten Künstlerhäusern – knapp hält: Jahr für Jahr müssen sie um | |
| schmaler werdende Förderung werben. Dabei gehen daraus oft prominente | |
| Künstler hervor, mit denen Hamburg dann gern wirbt. Dass Nehmen und Geben | |
| zusammenhängen, versteht die Kulturbehörde nur schwer: Die Wissenschaftler | |
| der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zum Beispiel sollen das Programm des | |
| künftigen Dokumentationszentrums Lohseplatz betreuen. Neue Stellen gibt es | |
| dafür nicht, das eigene Programm wird also schrumpfen müssen. Eine | |
| Kannibalisierung des Gedenkens – auf Wunsch des Senats? Das kann ja wohl | |
| nicht sein. | |
| ## Geld für neue NachbarInnen | |
| Hamburg schwimmt im Geld, während Neuankömmlinge immer noch in Lagern | |
| hausen müssen: Verdreckte und völlig marode Sanitäranlagen, überbelegte | |
| Räume, viel zu wenig Deutschkurse und das billigste vom billigen Essen … | |
| Aber nun gibt es ja diese 600 Millionen mehr – aber keine Ausreden. | |
| ## Bezahlbares Wohnen | |
| 40 Prozent aller Hamburger Haushalte haben ein Anrecht auf eine klassische | |
| Sozialwohnung – für eine auf dem zweiten Förderweg subventionierte Wohnung | |
| sind es sogar 55 Prozent. Nur gibt es viel zu wenig Angebot, um diese | |
| Nachfrage zu decken. Die SPD könnte jetzt zeigen, dass ihr soziales Wohnen | |
| wirklich ein Anliegen ist, und so bauen lassen, dass Menschen sich die | |
| Mieten leisten können. Übrigens machte auch die städtische | |
| Wohnungsbaugesellschaft Saga im letzten Geschäftsjahr einen Überschuss von | |
| 146,2 Millionen Euro. Was passiert eigentlich genau mit diesem Geld? | |
| ## … ab ins Sparschwein | |
| Zu guter Letzt muss zugegeben werden, dass der Senat nicht vollkommen | |
| Unrecht hat. Der Konsolidierungskurs ist ohne Alternative, Hamburgs | |
| Schuldenberg beträgt zur Zeit etwa 25 Milliarden Euro. Und spätestens ab | |
| 2020 zwingt sie Schuldenbremse dazu, nicht weiter auf Pump zu leben. | |
| 28 Jul 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Sven-Michael Veit | |
| Petra Schellen | |
| Kaija Kutter | |
| Lena Kaiser | |
| Katharina Schipkowski | |
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