# taz.de -- Roman über Serienmörder: In der Hölle der Lebendigen | |
> Der Australierin Candice Fox ist gleich mit ihrem ersten Roman ein | |
> Highlight des Genres gelungen: „Hades“ ist ein brillanter | |
> Serienkiller-Thriller. | |
Bild: Der Umgang mit Organen ist im Thriller etwas weniger umsichtig | |
Eigentlich könnte es ja kaum grausiger sein. Da werden Leichen auf dem | |
Meeresgrund gefunden, in Koffer gestopft, bis die gemarterten Körper | |
hineinpassten, denen vorher lebenswichtige Organe entnommen worden waren. | |
Andere Tote vermodern derweil in einem Brunnen. Darunter Kinder und | |
Erwachsene, Männlein und Weiblein, Dutzende an der Zahl. | |
Das ist in etwa das Ausmaß des Verbrechens, das im ersten Thriller der | |
Australierin Candice Fox aufzuklären ist. Ein hochgefährlicher Psychopath | |
wird gesucht, der Menschen entführt und ermordet, um ihnen Organe zu | |
entnehmen, die er teuer verkauft. | |
Doch der Serienkiller ist nicht der einzige Psychopath in diesem Buch, denn | |
auch mit manch einem Protagonisten auf polizeilicher Seite ist nicht alles | |
völlig in Ordnung. Als der gestandene Kriminalbeamte Frank, aus dessen | |
Sicht ein Großteil des Romans erzählt ist, in eine neue Abteilung bei der | |
Kripo von Sydney versetzt wird, trifft er dort auf das Geschwisterpaar Eden | |
und Eric. Ein dunkles Geheimnis scheint die beiden zu verbinden. | |
Doch während Frank lange ahnungslos bleibt, wissen wir, die Leser, schon | |
lange warum. Denn die Geschwister, die als Kinder selbst Zeugen und Opfer | |
eines furchtbaren Gewaltverbrechens wurden, funktionieren nicht wie andere | |
Menschen … | |
## Menschen aus Fleisch und Blut | |
Das klingt alles auf der einen Seite ziemlich reißerisch und eigentlich | |
nicht viel anders als die anderen handelsüblichen gewaltpornografischen | |
Szenarien, die es im Serienkiller-Thrillersegment so zu kaufen gibt. Und | |
doch ist das hier anders. Nicht blutige Details – obwohl es an denen nicht | |
fehlt – interessieren Candice Fox, sondern menschliche Schicksale. Ohne | |
psychologisch in die Tiefe zu gehen, gelingt es ihr spielend, die Personen, | |
von denen sie erzählt, zu Menschen aus Fleisch und Blut zu machen, deren | |
Handlungen rätselhaft und faszinierend erscheinen. Eine inhärente | |
Grausamkeit aber, das wird sehr deutlich, ist Teil der biologischen | |
Ausstattung des Menschen und wird nur allzu leicht freigesetzt, wenn | |
irgendwo Löcher in der zivilisatorischen Isolierschicht aus sozialer | |
Verfeinerung und emotionaler Bindung an andere Personen entstehen. | |
Spannend wird es sein, zu sehen, wie sich im Laufe der Trilogie (die | |
deutsche Übersetzung des zweiten Bands, „Eden“, erscheint schon im | |
September) die Beziehung zwischen Frank, dem Cop alter Schule, und seiner | |
Berufspartnerin Eden entwickelt, der schönen Unnahbaren, die auch privat im | |
Geheimen das Böse zur Strecke bringt. | |
Wird Eden zerbrechen an etwas Unfassbarem, das sie in diesem ersten Roman | |
getan hat? Wird sie, die selbst auf einem sehr schmalen Grat zwischen Gut | |
und Böse zu gehen scheint, endgültig auf die falsche Seite abgleiten? Oder | |
wird ihre Autorin, die es in diesem ihrem ersten Roman spielend schafft, | |
eine ziemlich grausige Geschichte ziemlich cool aus der Sicht eines | |
machohaften Haudegens in mittleren Jahren zu erzählen, allmählich doch zum | |
Opfer erzählerischer Bequemlichkeit und tradierter Genreklischees werden? | |
Hoffentlich passiert nichts von alldem. Insbesondere das Letztere ist | |
allerdings sowieso sehr unwahrscheinlich, denn Candice Fox gewann zwei | |
Jahre in Folge, 2014 und 2015, den australischen Ned Kelly Award für den | |
besten Krimi des Jahres – mit den beiden ersten Bänden ihrer Trilogie. | |
25 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Katharina Granzin | |
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