# taz.de -- Schwierige Fronten in Libyen: Einsatz gegen IS jetzt amtlich | |
> Beim Abschuss eines französischen Hubschraubers sterben drei Soldaten, | |
> die offiziell nicht da waren. Frankreichs Truppen sind schon lange im | |
> Einsatz. | |
Bild: Libysche Kämpfer auf Seiten der Einheitsregierung während eines Gefecht… | |
Tripolis taz | Das Verteidigungsministerim in Paris hat am Mittwoch | |
bestätigt, dass am vergangenen Wochenende drei französische Soldaten bei | |
dem Absturz eines Kampfhubschraubers in Ostlibyen ums Leben gekommen sind. | |
Die Anwesenheit eigener Soldaten in dem nordafrikanischen Bürgerkriegsland | |
wurde bisher bestritten. | |
Die sogenannten Verteidigungsbrigaden Bengasis behaupten, bei dem Abschuss | |
des Helikopters über der Ortschaft Magrun westlich von Bengasi eine | |
schultergestützte Luftabwehrrakete vom Typ SAM 10 eingesetzt zu haben, die | |
ihr Ziel eigenständig findet. Europäische Geheimdienste suchen verzweifelt | |
nach diesen Raketen – bis zu 2.000 aus den Beständen der libyschen Armee | |
werden vermisst. | |
Dass französische und britische Soldaten an den verschiedenen | |
Bürgerkriegsfronten Libyens gegen den „Islamischen Staat“ (IS) im Einsatz | |
sind, ist vor Ort ein offenes Geheimnis. Während in Bengasi die Armee unter | |
dem Kommando General Khalifa Hafters eine Koalition mehrerer Milizen | |
bekämpft, versuchen Milizen aus der Hafenstadt Misrata weiter westlich, den | |
IS aus Muammar Gaddafis ehemaliger Hochburg Sirte zu vertreiben. | |
Während der Revolution waren Einheiten aus Bengasi und Misrata Verbündete, | |
doch schon bald könnten sie sich in einem Ost-West-Bürgerkrieg | |
gegenüberstehen. | |
## Der IS ist nicht der Hauptfeind | |
Während in Misrata und anderen westlichen Küstenstädten islamistische | |
Milizen den Ton angeben, haben sich die Stämme in der ostlibyschen Provinz | |
nach etwa 500 Morden an Polizisten und Soldaten durch Extremisten | |
entschlossen, die alte Offiziersgarde zu unterstützen. Dass damit auch | |
Anhänger des alten Regimes zurückkehren, nutzt die breit gefächerte | |
islamistische Szene, um gegen die Rückkehr zu mobilisieren. | |
Die „Verteidigungsbrigaden Bengasis“ wurden vor zwei Monaten gegründet, um | |
den Vormarsch der Hafter-Armee in der Millionenstadt zu stoppen, die vor | |
zwei Jahren von Ansar Scharia und anderen Alliierten des IS fast | |
vollständig kontrolliert wurde. | |
Ihre Waffen erhalten sie von den sich nun „Schura Rat“ nennenden Islamisten | |
aus Misrata, das über die militärisch stärksten Milizen Libyens verfügt und | |
die Einheitsregierung von Premier Fajes al-Serradsch unterstützt. Was | |
widersprüchlich klingt, heißt im libyschen Kontext, dass die Kriegsparteien | |
in Misrata und Bengasi nicht den IS als Hauptfeind sehen, sondern die | |
jeweils andere Seite. | |
## Briten und Franzosen wollen nicht länger zusehen | |
In zahlreichen westlichen Medien werden die Einheiten aus Misrata oft als | |
Regierungsarmee bezeichnet. Tatsächlich sind die 200 Milizen nur ihrer | |
Stadt oder sich selbst gegenüber treu. Zugleich sind sie schwer enttäuscht | |
über die international anerkannten Politiker um Sarradsch, die Misrata bei | |
dem Sturm auf den IS kaum unterstützen. „Nach Sirte werden wir entweder die | |
Regimeanhänger um General Hafter in Bengasi vertreiben oder in Tripolis | |
für Ordnung sorgen“, sagte einer ihrer Kommandeure gegenüber der taz. | |
Trotz der unübersichtlichen Lage wollten britische und französische | |
Militärs nicht länger zuschauen, wie sich immer mehr Islamisten dem IS in | |
Libyen anschließen und sogar Migranten angeworben werden. Mindestens 30 | |
französische Soldaten und eine unbekannte Zahl britischer Spezialkommandos | |
sind am Flughafen Benina in Bengasi stationiert, von wo wohl auch der dann | |
abgeschossene Kampfhubschrauber gestartet war. | |
## Angst vor einem Bürgerkrieg | |
Den Kampf der Misratis in Sirte unterstützen nach Aussagen lokaler | |
Kommandeure italienische und britische Beobachter, die mit Drohnen | |
Scharfschützen des IS ausfindig machen, die für die hohe Opferzahl unter | |
den Misrata-Einheiten verantwortlich sind. | |
Der UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Martin Kobler, versucht derweil, die | |
von der Gnade der Hauptstadtmilizen abhängende libyschen Einheitsregierung | |
bei Verhandlungen in Tunis zu stärken. Der deutsche Diplomat will | |
Kommandeure von Milizen und die Armeeeinheiten unter ein Kommando zu | |
stellen, die nicht den IS sondern die einander als Hauptfeind ansehen. Der | |
IS in Sirte und Bengasi diente in den vergangenen Monaten beiden Seiten als | |
Schutz vor der Gegenseite. | |
„Der islamische Staat ist zur Zeit gar nicht das Problem Libyens“, so der | |
Aktivist Faris Labedi aus Tobruk. „Dass die Vereinten Nationen bisher | |
keinen einzigen Kommandeur für seine Taten verantwortlich gemacht hat, hat | |
direkt zu der jetzigen Anarchie geführt, in der die Politiker mit denen | |
Kobler spricht, nichts zu melden haben.“ | |
Die Angst vor dem Bürgerkrieg nach einem Sieg gegen den IS wächst. Die | |
französischen und britischen Soldaten stünden sich dann auf beiden Seiten | |
der Frontlinie gegenüber. | |
20 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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