# taz.de -- Bergungsaktion im Mittelmeer: Den Toten einen Namen geben | |
> Im April 2015 sank ein Schiff mit mehreren hundert Flüchtlingen vor | |
> Libyens Küste. Jetzt hat Italien das Wrack heben lassen. | |
Bild: Hebung des im April 2015 untergegangenen Bootes aus 370 Metern Tiefe | |
Rom taz | Den Toten einen Namen geben, den Angehörigen erlauben, ihre | |
Söhne, Töchter oder Geschwister würdig zu bestatten: Dies ist das Ziel der | |
bisher aufwendigsten Bergungsoperation eines gesunkenen Flüchtlingsschiffs, | |
die bisher im Mittelmeer durchgeführt wurde. | |
Am Freitag traf das große Spezialschiff in dem sizilianischen Hafen Augusta | |
ein, das am Heck, aufgehängt in einem Gerüst, den Fischkutter mit sich | |
führte, [1][der am 18. April 2015 etwa 70 Seemeilen vor Libyens Küste | |
gesunken war]. Auf dem Kai des Hafens stand schon ein großes, gekühltes | |
Zelt bereit, um den Kutter aufzunehmen, denn in seinem Bauch befinden sich | |
immer noch hunderte Leichen. | |
Von 700, womöglich 800 Menschen an Bord war unmittelbar nach der | |
Katastrophe vom April 2015 die Rede. Der nur 30 Meter lange Kahn war etwa | |
70 Seemeilen vor der libyschen Küste in Seenot geraten. Nach dem Empfang | |
eines Notrufs hatte Italiens Küstenwache seinerzeit den portugiesischen | |
Containerfrachter King Jacob zu dem Boot dirigiert. Doch als sich das | |
Handelsschiff näherte, hatten sich die Flüchtlinge an Deck alle auf eine | |
Seite gedrängt und ihren Kutter so zu Kentern gebracht. | |
Nur 28 Menschen konnten daraufhin gerettet werden. Keine Chance hatten alle | |
die, die unter Deck eingesperrt waren und beim Untergang elend ertranken. | |
Überlebende Zeugen sagten aus, dass bewaffnete Schleuser die Menschen dort | |
eingepfercht und dann die Türen abgeschlossen hätten. | |
## Wahrscheinlich 300 weitere Tote an Bord | |
Am Unglücksort ist das Meer 370 Meter tief, Italiens Ministerpräsident | |
Matteo Renzi aber versprach sofort, dass das Boot gehoben werde. „Ich will, | |
dass die ganze Welt sieht, was geschehen ist“, erklärte er. Schlicht | |
unakzeptabel sei es, „dass manche immer noch sagen, ,aus den Augen, aus dem | |
Sinn!'.“ | |
Mehr als 10 Millionen Euro betrugen die Kosten der von der italienischen | |
Marine durchgeführten Hebung des Schiffs. In deren Verlauf wurden schon 169 | |
Leichen vom Meeresgrund geborgen. Unmittelbar nach Eintreffen des Kutters | |
im Hafen Augusta hieß es nun, dass wahrscheinlich etwa 300 weitere Tote an | |
Bord seien; damit würde die Gesamtzahl der Opfer 500 betragen. | |
Auch wenn ihre Zahl damit niedriger läge als bisher vermutet, würdfe es | |
sich immer noch um eine der größten Flüchtlingstragödien handeln, die sich | |
in den letzten Jahren im Mittelmeer ereignet haben. Bei der Hebung stellte | |
sich heraus, dass der Kahn namenlos war – namenlos wie bisher auch die | |
hunderten Toten in seinem Bauch. | |
Im nächsten Schritt haben nun Feuerwehrleute den traurigen Auftrag, die | |
Leichen aus dem Schiffsrumpf zu bergen. Anschließend werden sich dutzende | |
Gerichtsmediziner, die aus ganz Italien angereist sind, daran machen, | |
unentgeltlich die Untersuchung der nach Angaben von an der Bergung | |
beteiligten Personen zumeist skelettierten Körper vorzunehmen. Die wohl | |
einzige Hoffnung, ihnen einen Namen zu geben, dürfte in einem DNA-Abgleich | |
mit Verwandten bestehen. | |
„Schon als bekannt wurde, dass die Marine 169 Leichen vom Meeresgrund | |
geborgen hatte, haben sich hunderte Personen bei uns gemeldet, vor allem | |
aus Mali, aus Gambia und aus Nigeria“, erklärte Cristina Cattaneo, | |
Koordinatorin des Ärzteteams. Sie berichtete, dass dem Team schon | |
zahlreiche DNA-Proben, aber auch Röntgenbilder von Gebissen zugegangen | |
seien. | |
Er sei „stolz darauf, Italiener zu sein“, teilte seinerseits Regierungschef | |
Renzi auf Facebook mit, „wir arbeiten tagtäglich dafür, dass Europa sich | |
auf der Höhe der Werte zeigt, die es groß gemacht haben.“ | |
1 Jul 2016 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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